Tödlicher Polizei-Schuss in Bremen: Einsprachigkeit kann töten
In Bremen scheitern Polizisten daran, sich mit einem Mann in einer psychosozialen Krise zu verständigen – mit tödlichen Folgen
![Eine Polizistin geht gebückt an einer Klinkerfassade entlang und untersucht den Boden auf Spuren. Im Vordergrund des Bildes ein Absperrband: Hier wurde ein Mann erschossen. Eine Polizistin geht gebückt an einer Klinkerfassade entlang und untersucht den Boden auf Spuren. Im Vordergrund des Bildes ein Absperrband: Hier wurde ein Mann erschossen.](https://taz.de/picture/4219454/14/a00web-hb-kommentar-1.jpeg)
W enn ein Mensch infolge eines Polizeieinsatzes stirbt, ist ein entsetzlicher Fehler passiert. Immer. Wer schuld ist, dass am Donnerstag ein Mann im Gröpelinger Breitenbach-Hof erschossen wurde, spielt dabei eine geringe Rolle. Politisch relevant ist hingegen die Frage: Was im System hat dazu geführt, dass hier geschossen wurde? Ließe sich das künftig vermeiden?
Darauf geben Smartphone-Videos vom Vorfall mehr Hinweise als auf die Frage, wohin der Todesschütze traf: Ob jemand verblutet, weil eine Polizeikugel seine Oberschenkel-Arterie durchtrennt – so starb ebenfalls am Donnerstag ein 23-Jähriger im Kreis Emsland – oder ob ein Vitalorgan beschädigt wurde, ist unwichtig. Gut lässt sich jedoch nachvollziehen, wie die Kommunikation scheitert zwischen den Polizist*innen und dem Mann, der später sterben wird.
Und das macht klar, dass es kein Zufall ist, sondern Folge systeminhärenter Xenophobie, dass mal ein Marokkaner, mal ein Guineer Opfer werden. Denn die sehr erregte Ansprache der Profis verfängt sich sofort in rasendem Leerlauf: „Sie legen das sofort aus der Hand!“ – „Was haben Sie da?“ – „Leg das Messer weg!“ – -„Legen Sie das Messer auf den Boden, dann machen wir die Waffen auch weg!!!“ – „Mit Messer.“ – „Das Messer!“ – „Das Messer!!“ – „Legen Sie das Messer weg!!!“ – „Messer weg!“ – „Mach Pfeffer klar!“ – „Das Messer weg!!!“ – „Das Messer!“
Es fehlt jeder Versuch, zu klären, ob der Umzingelte auch versteht, wozu er da aufgefordert wird. Es fehlt ein Versuch, in eine andere Sprache zu wechseln, Arabisch wäre gut, aber oft reichen schon Englisch, Französisch oder Spanisch, um einen gemeinsamen Kanal zu finden. Sich auf das Gegenüber, das gerade eine psychische Krise erlebt, einstellen zu können, das ist in einem Einwanderungsland oft eine Frage um Leben und Tod; in diesem Fall war es eine. Benötigt wird dafür eine Polizei, die nicht im monolingualen Habitus gefangen bleibt. Denn der ist tödlich.
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