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Tod im PolizeigewahrsamFestgenommener war gar nicht Täter

Ein in Braunschweig auf der Polizeiwache verstorbener Schwarzer Mann war das Opfer: Ein Überwachungsvideo widerspricht nun den Zeugenaussagen.

Edelstahl und Kacheln: Blick in eine Gewahrsamszelle Foto: Marius Becker/dpa

Hamburg taz | Im Fall des Schwarzen Mannes, der nach seiner Ingewahrsamnahme durch die Braunschweiger Polizei gestorben ist, gibt es eine Wende. Wie die Braunschweiger Zeitung unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtete, war der Mann mit dem Spitznamen Johnson gar nicht der Täter, sondern das Opfer.

Die Ereignisse spielten sich am Neujahrsmorgen 2023 in Braunschweigs Kultviertel ab. Die Polizei wurde in die Kneipe „Charlie Chaplin“ gerufen, wo sie vier durch Pfefferspray Verletzte vorfand. Drei der Verletzten und einige weitere Gäste deuteten nach Auskunft der Polizei auf den 38-jährigen Mamadou B. alias Johnson. „Eine Vielzahl von Zeugen hat ihn als Täter identifiziert“, sagte Polizeisprecher Dirk Oppermann.

Seine Kollegen hätten Mamadou B. angesprochen, woraufhin dieser sich gewehrt habe und die Beamten ihn mitgenommen hätten. Später, im Gewahrsam, habe er Polizeimitarbeiter mit Fäusten geschlagen. Um festzustellen, ob B. Drogen oder Alkohol im Körper hatte, sollte ihm eine auf der Wache Dienst tuende Ärztin Blut abnehmen. Dabei habe sie B. bewusstlos in seiner Zelle gefunden. Die Ärztin habe sofort versucht, ihn zu reanimieren und den Notarzt gerufen. Am 3. Januar starb Mamadou B. im Klinikum Braunschweig.

Nach fast fünf Monaten ist noch immer unklar, warum B. bewusstlos wurde und woran er starb. Körperliche Gewalt, die zu Brüchen oder inneren Verletzungen geführt hätte, schließt die Staatsanwaltschaft aus. B. war bei seiner Ingewahrsamnahme von den Polizisten zu Boden gebracht und zum Streifenwagen geschleift worden.

Langer Untersuchungszeitraum

Den langen Untersuchungszeitraum erklärt sie damit, dass es nur wenige Spezialisten für neuropathologische Untersuchungen gebe. Damit ließe sich etwa feststellen, ob B. einen epileptischen Anfall hatte. Überdies müssten diese Untersuchungen aufwendig vorbereitet werden.

Klar ist aber inzwischen, dass Mamadou B. nicht Täter, sondern Opfer war. Wie die Auswertung einer Videoaufnahme durch die Staatsanwaltschaft ergeben hat, war es entgegen der Zeugenaussagen nicht B., der das Pfefferspray einsetzte. Vielmehr verletzten offenbar drei junge Männer im Alter von 20, 21 und 26 Jahren B. und andere Gäste. B. sei nicht der eigentliche „Störer“ gewesen.

In Gewahrsam genommen worden sei B. aber nicht so sehr, weil er mutmaßlich mit Pfefferspray um sich gesprüht habe, sondern vorbeugend. „Er stand augenscheinlich unter dem Einfluss berauschender Substanzen“, sagte Staatsanwalt Wolters der taz. Er habe Pfefferspray in den Augen gehabt, wohl auch Tritte abbekommen und sei sehr aufgebracht gewesen.

Um Schlimmeres zu verhüten, hätten ihn die Beamten mitgenommen. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass B. schon mehrfach wegen Drogenbesitzes, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war.

Das Schicksal B.s war nach dem Bericht der Braunschweiger Zeitung auch Gegenstand einer Kundgebung am Samstagnachmittag auf dem Schlossplatz. Die Teilnehmer wollten an den zweifachen Vater aus Guinea erinnern und forderten, die Umstände seines Todes vollständig aufzuklären. „Wir wollen eine Erklärung und verlangen Gerechtigkeit“, wird ein Teilnehmer zitiert.

„Großes Vertrauen“ in die Behörden

Mamadou B.s Familie hatte über ihren damaligen Anwalt Martin Voß im Januar mitteilen lassen, „dass sie in die Ermittlungsarbeit der zuständigen deutschen Strafverfolgungsbehörden (noch) großes Vertrauen hat“. Sie hoffe, dass die Umstände des Todes schnellstmöglich, objektiv und umfassend aufgeklärt würden.

Der in einem Artikel im Internet erweckte Eindruck, die Familie mache den Behörden schon vor Abschluss der Ermittlungen schwere Vorwürfe, treffe nicht zu. „Es entspricht auch nicht den Tatsachen“, heißt es in der Erklärung weiter, „dass der Instagram-Account 'johnsonbraunschweig’ von einem Familienmitglied des Verstorbenen eingerichtet wurde und/oder von einem Familienmitglied Inhalte über diesen Account hochgeladen worden sind“.

Die Familie bitte darum, keine Inhalte des tragischen Geschehens im Netz zu veröffentlichen. Sie bedanke sich aber für die herzliche Anteilnahme unzähliger Personen. Aktuell mochte sich der Anwalt mangels Mandat nicht äußern.

Kritik am Vorgehen der Polizei hatte sich auch daran entzündet, dass Festgenommene, die vermutlich betrunken oder sonst wie unter Drogeneinfluss stehen, nicht ins Krankenhaus eingewiesen, sondern zum Ausnüchtern auf die Wache mitgenommen werden. Das entsprechende „Braunschweiger Modell“ wurde im Sommer 2020 vorgestellt. Nach ihm verfährt die Braunschweiger Polizei noch immer. Polizeisprecher Oppermann wies aber darauf hin, dass an Wochenenden und nach Feiertagen stets ein Arzt im Gewahrsam bereit stehe.

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13 Kommentare

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  • Ein mehrfach vorbestrafter Mann "Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass B. schon mehrfach wegen Drogenbesitzes, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war."



    wird von mehreren Zeugen als "Störer" benannt, steht offensichtlich unter dem Einfluss diverser Substanzen und wirkt auf die Beamten vor Ort "sehr aufgebracht" ... Nach dem durchaus tragischen Tod, schwingt in jeder "objektiven neutralen Berichterstattung" wieder eine Vorverurteilung der Polizei, Racial Profiling und Solidarität mit dem "Täter" (vorbestraft) mit..

  • "Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass B. schon mehrfach wegen Drogenbesitzes, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden war."

    Dann ist ja alles klar - insbesondere was KEINE Rolle gespielt hat, nicht wahr ?

  • Ich habe den polizeibericht und auch den Bericht der Ärzte studiert.

    Was in dem ganzen Bericht hier überhaupt nicht einfließt ist die Tatsache, dass der Mann dioe Polizisten angriff. Es gab deutliche Spuren bei Ihm, sowohl bei den Beamten.

    Warum wird immer Polizei verteufelt? Dürfen sich Beamte nicht wehren, wenn sie angegriffen werden?

    • @Alex13012:

      "Was in dem ganzen Bericht hier überhaupt nicht einfließt ist"

      Es steht doch deutlich im Text - wie sollte es denn noch klarer einfließen? Entweder den Text nicht gelesen/verstanden ODER absichtlich wieder mal die alte Leier von der bösen, einseitigen Presse spielen wollen?

    • @Alex13012:

      ja ich finde auch, das man einen mann erst töten muss bevor man da richtig handelt. (ironie off) sorry aber hier geht es nicht um ein verkehrsdelikt. lustigeweise habe ich auch noch nie davon gehört, dass ein weisser mann in einer deutschen zelle zu tode gekommen ist? sie wollen hier wieder ein narrativ stärken, dass fest in den köpfen verankert ist. einen schwarzen wilden bösen mann, kann man nur herr werden ,wenn man ihn komplett ausschaltet..? ich helfe ihnen mal kurz, wir waren eine woche mit zwei afrikanern unterwegs, noch nie in meinem leben, sind wir so oft kontrolliert wurden, das heisst nicht wir, die beiden..jedes mal das volle programm. jedes mal zeit verloren, jedes mal endlos diskussionen. am flughafen dann in holland, wir alle durch, wer wird festgehalten, so dass wir den flug fast verpasst hätten? das schwarze die schnauze sowas von voll haben davon wenn polizisten sie "anfassen" und deshalb aggresiver sind , kann ich nach dieser reise endlich komplett nachvollziehen..racial profiling ist sowas von 100% der grund, warum man diese leute aufhällt. also weinen sie nicht um die polizisten..die leben nämlich noch!

  • "Er habe Pfefferspray in den Augen gehabt, wohl auch Tritte abbekommen und sei sehr aufgebracht gewesen."

    Wäre da nicht eher ein Arzt angezeigt gewesen als Gewahrsam? Und wissen die Herren Beamten, dass sie nicht einfach jeden nach Lust und Laune in Gewahrsam nehmen können? Klingt nach Freiheitsberaubung wie im Falle Oury Jalloh, was dann auch mit dem Tod endete.

    Wie passen die genannten Verletzungen mit der Behauptung zusammen die körperliche Gewalt sei als Ursache auszuschließen? Gibt es da wieder Gefälligkeitsgutachten? Wie viel Menschen müssen noch durch Polizeiwillkür und Polizeigewalt sterben?

  • " Polizeisprecher Oppermann wies aber darauf hin, dass an Wochenenden und nach Feiertagen stets ein Arzt im Gewahrsam bereit stehe."

    Jede person, die das glaubt, glaubt auch an den 🎅.



    Das wär doch mal ein rechercheauftrag. Wo steht "ein Arzt im Gewahrsam bereit"? In den diensträumen an der friedrich-voigtländer-straße oder nur auf einer telefonliste?

  • Schön mit dem Arzt hat ja offensichtlich in diesem Fall nix gebracht.

  • Die wie immer niemals nie zur Feststellung eines Fehlverhaltens der Polizei führen werden!

    • @Ressourci:

      "Fehlverhalten" und "Polizei" passt nicht zusammen.



      Dafür bürgt die Gewalt des Polizeiknüppels.

  • Und wie immer gilt es in solchen Fällen, das Ergebnis der Ermittlungen abuwarten.

    • @DiMa:

      Wie immer kann das dann ein paar Jahre dauern und wird dann auch noch munter ignoriert, wenn das Ergebnis die Cops wie so oft nicht so gut aussehen lässt.

      Kommentar gekürzt; bitte Netiquette beachten usw. usf.