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Thorsten Lenck über Klimaschutz„Der CO2-Preis ist das Fundament“

Das politische Berlin nimmt die Klimakrise plötzlich ernst. Für Thorsten Lenck vom Thinktank Agora gibt es Hoffnung – sofern eine CO2-Steuer kommt.

Autos und noch mehr Autos. Für Thorsten Lenck muss Autofahren teurer werden, um es zu stoppen Foto: dpa
Bernhard Pötter
Interview von Bernhard Pötter

taz: Herr Lenck, Deutschland muss bis 2050 seine Treibhausgas-Emissionen praktisch auf null bringen, um die Klimaziele zu erreichen. Die Parteien haben dafür ihre Ideen vorgelegt. Reicht das?

Thorsten Lenck: Die Parteien haben aufgeschrieben, was sie teilweise seit Langem sagen. Der wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht die Einführung eines CO2-Preises. Seit 2003 machen wir kräftig Energiewende, aber wir haben einen Schiefstand bei den Energiepreisen. Die Energiesteuer auf Strom, Gas, Heizöl, Benzin und Diesel hat sich seitdem nicht verändert. Deshalb ist es immer noch günstiger, Heizöl und Diesel zu nutzen als umweltfreundlichere Techniken. Das steht den Klimazielen entgegen. Und weil wir so lange nichts gemacht haben, müssen wir jetzt schnell reagieren. Zumindest das haben die Parteien jetzt wohl begriffen.

Ohne einen CO2-Preis ist das alles nichts?

Das ist wie beim Hausbau. Sie brauchen ein Fundament, das ist der CO2-Preis. Aber Sie brauchen auch Wände und ein Dach. Das sind die anderen Maßnahmen.

Stimmt denn die Richtung der Konzepte?

Das kommt auf die Vorschläge an. Die FDP beispielsweise will statt eines CO2-Preises Wärme und Verkehr in den Emissionshandel überführen. Dann würden wir europaweit das CO2 da reduzieren, wo es am billigsten ist. Also gäbe es in Europa weniger Strom aus Kohle und mehr aus Gas. Das wäre ein Fortschritt bei den CO2-Emissionen in der EU – aber kurzfristig nicht für die deutschen Ziele bei Wärme und Verkehr.

Alle reden davon, bis 2050 mit den Emissionen auf null zu kommen. Führen uns die Konzepte dahin?

Die Vorschläge sollen ja ein Einstieg sein. Allein über Bepreisung wird es nicht gehen. Wir brauchen auch gesetzliche Regeln und Fördermaßnahmen bei Verkehr und Gebäuden. Da müssen wir jetzt beherzt anfangen, um falsche Investitionen wie in neue Ölheizungen zu verhindern. Wenn wir weiter so wenig tun, müssen wir irgendwann Riesenschritte machen und etwa den Verbrennungsmotor verbieten. Es ist doch viel sinnvoller, langfristig in umweltschonende Technik zu investieren, damit wir ohne Komfortverlust heizen und uns durch die Stadt bewegen können – ohne Öl und Gas. Diese Debatte haben wir ja schon 1989 geführt, und außer dem Emissionshandel ist nichts passiert. Damals hätten wir mit 8 Euro pro Tonne CO2 anfangen können, heute reicht das nicht mehr.

Wie viel braucht man denn? Die Grünen wollen 40 Euro pro Tonne.

Im Interview: Thorsten Lenck

42, ist Diplom-­In­ge­nieur und Projektleiter beim Think­tank Agora Energiewende. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Themen Strommarktdesign und erneuerbare Energien.

Als Einstieg ist das nicht schlecht. Die ersten vermiedenen Tonnen sind relativ günstig, danach kommen die teureren Sachen. Keine Partei schlägt ja derzeit die harten Maßnahmen vor, das wären vielleicht 200 Euro im Verkehr und 100 Euro in den anderen Bereichen.

Angenommen, die Kanzlerin ruft morgen an und will wissen, was die wichtigsten Elemente für den Klimaschutz wären. Was sagen Sie ihr?

Der CO2-Preis ist das Wichtigste, damit stellen sie Wirtschaftlichkeit über längere Zeit her. Wie die Franzosen das gemacht haben, die sind bis 45 Euro gekommen ohne jeden Protest. Zweiter Punkt: die Wärme- und Verkehrswende starten. Wir müssen viel schneller die Gebäude sanieren. Und Fahrzeuge, die viel Sprit verbrauchen, müssen teurer werden, saubere Fahrzeuge billiger. Die Industrie wird Prozesse auf Wasserstoff umstellen. Da würde eine Quote für grünen Wasserstoff helfen. Dazu Effizienz fördern, denn auch erneuerbare Energien haben wir nicht unbegrenzt zur Verfügung.

Sie haben Frankreich angesprochen. Da ging das ja schief, die Gelbwesten waren auf den Barrikaden.

Da muss man genau hinsehen. Das Fass war bereits voll, als die Erhöhung der Dieselsteuer dazukam. Die Regierung hatte die Vermögensteuer abgeschafft und damit den Reichen geholfen, bei den Armen aber Transferleistungen und Renten weniger erhöht als geplant und die Tabaksteuer heraufgesetzt. Dem Präsidenten haben die Menschen nicht abgenommen, dass er die soziale Schere schließen wird. Denn die Einnahmen aus dem CO2-Preis wird in Frankreich nicht an die Menschen zurückgegeben. Die Situation war also ganz anders, als sie derzeit in Deutschland ist.

Sie meinen, es gibt eine Chance, dass sich etwas bewegt?

Die Politik sollte jetzt den Mut haben zu sagen: Wenn du viel CO2 verursachst, wird es dich etwas kosten. Nur so können wir die Klimaziele einhalten. Politiker fürchten, dass sich die Bevölkerung dagegen wehrt. Aber es gibt Umfragen, nach denen eine solide Mehrheit eine Reform der Energiesteuern will. Es wird immer argumentiert mit der armen Pendlerin, die in einem ungedämmten Haus lebt und überlastet wird. Es gibt diese Fälle, aber es sind weit weniger als 5 Prozent der Bevölkerung. Für die brauchen wir besondere Härtefallregelungen.

Warum traut sich die Politik nicht, wenn Leute es wünschen?

Es verändert sich ja gerade etwas. Die Debatte war noch nie so groß, das zeigen auch die Pläne der Parteien, das zeigen Fridays for Future und der Druck, der über die Strafzahlungen aus Brüssel kommt. Wollen wir wirklich 60 Milliarden Euro für Klimazielverfehlungen an die anderen Länder zahlen oder das Geld lieber hier investieren? Wir haben lange die Formulierungen gehört: Wenn wir etwas für das Klima tun wollen, dann könnten wir mal was tun. Das Wenn hat sich geändert – es ist jetzt kein Konjunktiv mehr. Das „Wir könnten mal etwas tun“ ist zu einem „Wir werden das tun, um die Klimaziele zu erreichen“. Das ist eine große Veränderung.

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9 Kommentare

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  • CO"-Steuer! Ja, gerne. Aber bei dieser Regierung beschleicht mich nur das Gefühl, sie wollen an meinen Geldbeutel, das Klima ist der Politik, bis auf wenige Ausnahmen,total egal. Woher kommt bloß dieses Gefühl. Ich traue dieser Regelung nicht, obwohl ich sie für genial halte. Das hielten aber auch die deutschen Politiker anno Schießmichtot, von der Sektsteuer. Wir finanzieren heute immer noch die Kaiserliche Marine. Ich wäre aber zuerst für exakte Maßnahmen: Verbot innerdeutscher Flüge, Eintritt für die Fahrt in die Stadt, in London kostet es wirklich was. Besteuerung auch auf Kerosin. Holland kann es, Deutschland angeblich nicht! Abschaltung der Kohlekraftwerke ab 2025, am liebsten wäre es mir, 2025 wäre endgültig Schluss! Es darf auf keinen Fall wieder passieren, was diese "Politik" mit der Energiewende angerichtet hat, die wurde so unprofessionell durchgeführt. Andere Länder haben es auch hier viel besser gemacht. CO"-Abgabe: Sofort. Mit dieser Politik? Leider nein.

  • ".... damit wir ohne Komfortverlust heizen und uns durch die Stadt bewegen können ...."



    Warum wird immer wieder vorgelogen daß Klima- und Umweltschutz kein Komfortverlust bedeutet. Des Deutschen Lebensweise verbraucht vom Gesamtrohstoffverbrauch drei Erden mit einem durchschnittlich 5 fachen zu hohen CO2 - Ausstoß. Wer kann bitteschön erklären wie wir auf eine Erde Vebrauch und nur 2 to CO2- Ausstoß ohne Komfortverzicht kommen wollen? Das ist eine Sache der Unmöglichkeit.



    Die Lebensqualität kann mit massiven und dringend notwendigem Komfortverzicht durchaus gesteigert werden. Beim Langsamreisen mit der Bahn kann die Landschaft mehr genossen werden, der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad steigert die Gesundheit und Fitness, Fleisch- und Kuhbabymilchverzicht läßt neue ungeahnte rein pflanzliche Geschmackswelten entdecken, Ökostrom kommt genauso aus der Steckdose usw.



    Die CO2 Steuer muß bei extrem klimaschädlichen Konsumgütern wie Fliegen, Kreuzfahrten, Auto fahren, tierische Produkte essen, konventionelle Lebensmittelherstellung usw. richtig schmerzen. Sonst nützt sie nichts.

    • @Traverso:

      Beispiel Verkehr: wir müssen nicht auf Komfort verzichten aber wir können auf CO2 Steuern verzichten. Kunden und die Industrie brauchen klare gesetzliche Vorgaben nur dann lässt sich die Verkehrswende schnell wuppen. Dieses Jahr hat auch Indien ein Ausstiegsdatum für die Neuzulassung für Verbrennungsmotoren gesetzt und zwar 2030. Nur damit lässt sich im bestehenden kapitalistischen System schnell erreichen, dass Wasserstoff und Elektroantriebe jetzt zur Serienreife gebracht werden sie wären dann so billig oder teuer wie heutige Verbrennungsmotoren. Kleine und mittelständische Zulieferer Unternehmen der KfZ Industrie warten längst auf klare Vorgaben damit sie rechtzeitig in die Umstellung investieren können. Ohne dieses Klarheit müssen sie weiter auf Verbrennungsmotoren setzen um im Markt zu bestehen und haben nicht die Kapazität auf Verdacht hin zu investieren ohne zu wissen wann sich das dann rentiert. Der fehlende politische Handlungswille schadet übrigens nicht "nur" unserem Weltklima sondern auch der deutschen Wirtschaft die bald komplett abgehängt ist in alternativen Antrieben. Serienreife Fahrzeugtypen kommen derzeit aus Japan oder China. Wasserstoff ist hierzulande praktisch noch ein Fremdwort obwohl es Minutenschnelles Tanken erlaubt und damit auch im Fernverkehr geeignet ist. Last but not least kann und muss der ÖPNV und Zugverkehr subventioniert und ausgebaut werden. Die Klimagünstigste Alternative muss auch monetär am günstigsten werden und komfortable Reisen quer durch Europa könnten den Flugverkehr in der Nahstrecke komplett ersetzen bis auch der endlich auf Wasserstoff umgestellt hat. Für Infrastruktur und öffentlichen Verkehr muss auch Neuverschuldung drin sein das kommt auch wieder rein durch die vielen neuen Arbeitsplätze und ist schneller als einen zögerlichen Flickenteppich aus CO2 Steuer zu weben der außerdem Normal- und Geringverdienern aus schlechter Erfahrung heraus mit angeblich gerechten Steuern nur Angst vor der Wende macht.

    • @Traverso:

      Yep.

      Sagen wir mal so: es macht viel Sinn, sich einen Kopf darüber zu machen, wie es am wenigsten weh tut. Schmerz um der Schmerzen willen ist nur dumm.

      Aber ganz ohne wird's nicht gehen. Ein Flug nach Thailand, nur auf Akkus, nur solarbetankt, ist nun mal technisch nicht um die Ecke. Diese Flüge, z.B., wird es wesentlich weniger geben.

      Auch die Anzahl an Autos, die wir uns jetzt leisten werden wir innerhalb unseres Budgets nicht tragen können (ob elektrisch oder nicht).

      Das so auszuzirkeln, dass es Menschen nicht in ihrer Substanz erwischt wird schwierig, zumal wir so etwas nach 50 Jahren neoliberaler Konsumgesellschaft nicht gerade gewöhnt sind.

  • Wo wachsen denn die neuen "emissionsfreien" oder "klimaneutralen" Technologien?



    Auf welches Weise reduziert ein Preis für CO2 den CO2 Ausstoß? Die Kosten werden auf die Preise umgelegt und die Konsumenten erhalten am Jahresende eine Erstattung. Die Subventionen, Kaufanreize, Steuererleichterungen, Dienstwagenprivilegien und der Ausbau zusätzlicher Infrastrukturen laufen weiter und müssen sich rechnen.

    Die Öko-Honeckers rufen in die Mikrophone: Niemand hat die Absicht, das Klima zu zerstören!







    In welchem intellektuellem Ödland entstehen die Ideen, dass man nur zusätzliche neue Technologie neben den alten braucht, um ein "klimaneutrales" oder "emissionsfreies" "Weiter so!" zu ermöglichen? Emissionen sollen externalisiert werden, dem Wirtschaftsstandort zuliebe! Man muss ja niemanden daran darauf aufmerksam machen, dass die Atmosphäre keine Staatsgrenzen kennt.

    PS: Ein E-Mobil verursacht schon bei der Rohstoffgewinnung doppelt so hohe Umweltschäden wie ein fossiler PKW. Und da sind wir noch nicht beim Produktions-CO2 für die Batterien. Schaut euch mal die Fahrzeugpalette an; überwiegend SUVs wegen der nur mit schweren Akkus erzielbaren Reichweiten.



    Über kleinere, leichtere und leistungsärmere fossile PKW darf ja nicht einmal geredet werden; in Autoland! Es wären ja keine neuen Fabriken nötig, neben den alten!

  • Mit unbewiesenen Behauptungen, dass die Mehrheit der Bevölkerung mehr für Energie ausgeben WILL, kann man keine seriöse Politik betreiben.



    Normale Mieter haben keinen Einfluss darauf, womit geheizt wird. Eine deutliche Erhöhung der Heizkosten treibt die Gesamtmietkosten nur noch weiter in die Höhe. Und Pendler, die nicht einfach auf ÖPNV umsteigen können, zahlen noch einmal drauf.



    Die CO2 Steuer, die hier beschönigend und verharmlosend als CO2 Preis bezeichnet wird, ist eine weitere Umverteilungsmaßnahme von unten nach oben. Es ist die übliche neoliberale und unsoziale und auch ziemlich verlogene Politik auf Kosten der weniger wohlhabenden Menschen.

  • Also ein Interview mit einem Lobbyisten.

    100€ Rückzahlung pro Kopf? die EEG-Umlage alleine macht bei uns (4 bzw. fast 5 ;) Personen) etwa 400€ aus (elektrische Durchlauferhitzer). Ich sehe in keine Plänen, dass die CO2-Einnahmen komplett *sozialorientiert* zurückverteilt werden. So könnte es genauso nach einem Ökosponsoring für Reiche aussehen:



    www.iwkoeln.de/stu...h-oben-405976.html

    • @agerwiese:

      Sind sie in die Marketingabteilung von RWE oder Gasprom gewechselt?

      • @Rudolf Fissner:

        Nein. Bei mir beleibt allerdings der Kopf auch im Sommer kühl...