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Tesla-Fabrik in BrandenburgKein Bock auf Silicon Valley

Lokalpolitiker stellen sich den Fragen von AnwohnerInnen. Die sind skeptisch gegenüber Teslas geplanter Fabrik. Auch Elon Musk meldet sich zu Wort.

Und wo ist eigentlich Tesla? Diese Frage stellten sich AnwohnerInnen bei der Bürgerversammlung Foto: dpa/Julian Stähle

Berlin taz | Am Freitagabend haben sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) und der parteilose Bürgermeister von Grünheide Arne Christiani dem Fragenhagel von rund 400 BürgerInnen gestellt. Menschen aus Grünheide, aber auch aus umliegenden Gemeinden wie Erkner, Fürstenwalde oder Petershagen strömten in die Aula der Privatschule Grünheide. Der Grund: Teslas neue Giga-Fabrik.

Seit etwas mehr als zwei Monaten ist bekannt, dass sich der US-Konzern mit der sogenannten Gigafactory in Grünheide ansiedeln möchte und dort jährlich bis zu 500.000 Elektroautos bauen will. Viele AnwohnerInnen fühlten sich bereits vor vollendete Tatsachen gestellt. Am Freitagabend durften sie Fragen stellen.

Seit drei Wochen liegen die Unterlagen zu Tesla für Interessierte öffentlich aus. Laut Grünheide-Bürgermeister Christiani haben sich die rund 5.000 Seiten in mehreren Aktenordnern aber nicht mal hundert Leute angesehen. Und dass, obwohl es eine ganze Menge Fragen und Forderungen gibt.

„Die Gerüchteküche brodelt“, sagte Wirtschaftsminister Steinbach zu Beginn. „Es ist allerhöchste Zeit, das Thema zu entemotionalisieren.“ Und bekam vom Publikum dafür direkt Gegenwind. „Wieso nehmen Sie sich das Recht, mir zu sagen, ich solle nicht so emotional sein, wenn mein Leben zerstört wird?“, sagte Heidemarie Schröder, die Angst vor Tesla und der neuen Fabrik hat. Sie wurde in der ehemaligen DDR geboren und dachte, nach dem Mauerfall gäbe es keine unnötige Geheimhaltung mehr.

Ersatzwald für gerodete Flächen soll gepflanzt werden

Steinbach intervenierte und schlug vor, BürgerInnen sollen ihm „Stichworte zurufen“, um wichtige Aspekte gebündelt zu beantworten: Die Wasserversorgung, die Rodung des angrenzenden Waldes, der Umbau der Infrastruktur, Zuwanderung, Bebauung, der immense CO2-Ausstoß. Nach einer Viertelstunde war die Stimmung aufgeheizt.

Der brandenburgische Wirtschaftsminister blieb ruhig, gab Antworten, versuchte Fachwissen zu vereinfachen, Beispiele zu geben und Politikersprech zu übersetzen. Der Verkaufspreis des riesigen Areals, sagte Steinbach, werde zweifach kontrolliert, damit er nicht zu niedrig sei. Ein Ersatzwald für die gerodeten Flächen solle gepflanzt werden. Falls weiter entfernte Wasserquellen angezapft werden müssten, würde man die Mehrkosten nicht auf die Bevölkerung abwälzen. Auch würde sichergestellt werden, dass von dem Werk keine Gefahren für die Umwelt ausgingen.

Der Protagonist fehlt an diesem Abend in Grünheide allerdings: Tesla. „Warum ist von denen eigentlich keiner da?!“, raunt ein Mann seinem Begleiter zu. Der zuckt mit den Schultern. Am Samstagmittag meldet sich dann Tesla-Chef Elon Musk im Online-Netzwerk Twitter zu Wort: „Es klingt danach, dass wir einige Dinge klarstellen müssen.“

Es war kritisiert worden, dass der Wasserverbrauch pro Stunde 372 Kubikmeter Wasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz betragen könne. Allerdings werde Tesla nicht an jedem Tag so viel Wasser verbrauchen, schrieb Musk: „Das ist möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkommt.“

Auch zu der kritisierten angekündigten Rodung von Wald äußerte sich der Firmenchef. Auf dem 300 Hektar großen Gelände gebe es keinen natürlichen Wald. Er sei zur Kartonherstellung angepflanzt worden und nur ein kleiner Teil werde für die Fabrik verwendet.

Anwohnerin: „Geht ja nicht anders“

Bürgermeister Christiani stärkt Steinbach und wirbt ebenfalls für Tesla. Seit 20 Jahren sei die Gegend bei Grünheide ein ausgewiesenes Gewerbegebiet. Und wer hier wohne, wisse das auch. „Das ist eine Chance, um auch die Jugend hierzubehalten.“

Zwei Stunden später ist die Versammlung beendet. AnwohnerInnen strömen aus dem Saal, einige schütteln die Köpfe, andere atmen erleichtert aus. „Gucken wir mal, wa?“, sagte ein Mann, während er seiner skeptisch schauenden Frau auf die Schulter klopft. „Geht ja nicht anders“, antwortet sie.

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22 Kommentare

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  • Und ganz schlimm wenn von der ein Kilometer entfernten Autobahn keine Abgase mehr nach Grünheide wehen weil dort lauter Elektroautos fahren haha

  • Zum Glück binden Bäume, die für die Kartonherstellung angebaut wurden, kein CO2.



    Zum Glück leidet der Nord-Osten nicht unter einer Dürre / an Wassermangel aus den letzten beiden Jahren.



    Zum Glück wird es das nächste halbe Jahr Dauerregen geben, um bis in die Grundwasserschichten sickern zu können.



    Zum Glück, wird es in dieser trockenen Region auch nie brennen. Wir sind ja nicht in Australien, Kalifornien... sondern im Hütchenspieler Universum!

  • Tesla hat wohl einen sehr hohen Wasserverbrauch.

    Wenn ich mir die letzten Sommer in der Gegend anschaue, dürfte das kritisch sein.



    Es wären also Auflagen zur Wiederraufbereitung und erneuten Nutzung nötig sein, dsmit nicht plötzlich eine Tegion vor der Wahl steht Tesla oder Trinkwasser.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wir Ossis wollen halt keine Veränderungen mehr.



    Am liebsten würden wir mit stinkenden Trabis über Kopfsteinpflaster fahren. Dann hätten wir auch keine NOx Problematik und der Feinstaub wäre Grobstaub wie früher. Da hat man die Wäsche nach dem Trocknen ausgeklopft und hatte Briketts.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Eine praktische Art, dezentrasl Primärenergie zu erzeugen bzw. zu sammeln.

      Eventuell ist das ja die Lösung, die der Kapitalismus bisher immer übersehen hat.

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Gab es nicht die Aussage, dass der Osten zu wenig Arbeitsstellen biete? Nun kommt ein Investor und will Arbeitsplätze bringen und somit dem wirtschaftlich angeschlagenen Osten der Republik und es gibt nicht viel positive Berichterstattung.



    Wenn Tesla nicht baut. Was haben wir dann gewonnen? Das Werk wird woanders gebaut.

  • Die Immobilienpreise in der Gegend sind schon jetzt hoch. Geringverdiener können es sich gar nicht leisten, im Berliner Umland zu wohnen. Die Tesla-Manager werden wohl eher in Bad Saarow residieren, wo eine Luxusvilla neben der anderen steht. Wer's nicht glaubt, kann sich vor Ort ja selbst überzeugen. Durch die Tesla-Ansiedlung werden die Preise weiter steigen, was der Gegend gut tut und den Speckgürtel weiter aufwertet.

  • Ist ja schön, dass die TAZ hier auch auf den Tweet von Elon Musk verweist. Der Vollständigkeit halber sollte allerdings erwähnt werden, dass der kolportierte Wert von 372qm Wasser/h nicht nur der seltene Spitzenwert und nicht ein Durchschnittswert ist, sondern dass dieser Wert auch falsch ist. In exakt diesem Tweet hat Elon Musk darauf hingewiesen, dass der Spitzenwert nur 238qm Wasser/h (vom BUND bestätigt) sein wird. Also bereits um mehr als ein 1/3 niedriger, als hier wieder insinuiert.

    Das Tesla-Bashing zieht sich leider bei Artikeln über Tesla auf taz.de wie ein roter Faden. Es stellt sich wirklich die Frage, ob den TAZ-Autoren wirklich nur am Scheitern der Bemühungen von Tesla gelegen ist, oder ob die Öffentlichkeit objektiv informiert werden soll.

    • @xoss:

      Passt zur Berichterstattung über Florian Schmidt. In der Hinsicht verhält sich die tax Berlin wie Fox News zu Trump. Right or wrong, my Baustadtrat.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ....." Christiane Schröder, Geschäftsführerin des für seine Anti-Ansiedlungskampagnen berüchtigten Naturschutzbundes NABU, bezeichnete die ökologischen Auswirkungen als „überschaubar“.



    Man kann getrost Wetten darauf abschließen, dass jede Windkraftanlage, jede Stromtrasse und erst recht jeder Industriekomplex postwendend örtliche Bürgerinitiativen auf den Plan ruft, die sowohl die Öffentlichkeit mobilisieren als auch auf allen juristischen Ebenen des verworrenen deutschen Planungs- und Genehmigungsrechts aktiv werden.



    Dabei hätte gerade Brandenburg ein Erfolgserlebnis in Sachen Ansiedlung dringend notwendig. Schließlich wurden dort bereits etliche Großprojekte wie der Lausitzring, die Solarzellenfabrik in Frankfurt/Oder oder Cargolifter spektakulär in den Sand gesetzt.



    Zudem wäre eine Verzögerung oder gar ein Scheitern der Tesla-Ansiedlung ein verheerendes Signal für mögliche Investoren in der Lausitz, wo durch den Kohleausstieg ein gigantischer Strukturwandel bewältigt werden muss. Aber was hat das alles schon für eine Relevanz, wenn im idyllischen Grünheide einige Bürger einfach nur ihre Ruhe haben wollen......"

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Man kann's halt nie recht machen.

  • Das wird mit Sicherheit eine ähnliche Erfolgsstory wie Lausitzring, Chipfabrik und Cargolifter...

    • 9G
      92293 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Nein glaube ich nicht; die Deutschen müssen Elon nur erklären, dass bei uns auch Arbeitnehmerrechte gelten; ansonsten wird sich Berlin bald anschmiegen wollen, damit es BBB heißt

  • Bis zu 500.000 Autos im Jahr.



    Da wird sich die Umwelt aber freuen.

  • Das Werk entsteht in einem Wasserschutzgebiet, da hätten noch nicht einmal Kleingewerbetreibende eine Bunde eröffnen können.

    Nicht unerwähnt bleiben sollte:

    Tesla braucht 272 qm Wasser, mindestens jedoch laut Planung 238 qm und der Abwasserausstoß soll 252 qm betragen.



    Nicht im Jahr, nicht im Monat, nicht pro Tag, sondern pro STUNDE.

    • @Rolf B.:

      42?

      In Kubikmillimeter sähe das noch drastischer aus.

      Wieviel ist das also pro Auto? Und im Vergleich?

      • @Rudolf Fissner:

        In einem heißen Sommer steht dann die Region vor der Entscheidung Tesla oder Trinkwasser.

        Ohne Eine Waseraufbereitung und erneute Nutzung ist die Fabrik problematisch.



        Klimakrise eben.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Die meisten Arbeitskräfte der Fabrik werden nicht aus der Gegend rekrutiert werden. Ingenieur/inn/e/n u.a. Fachkräfte bevorzugen es, im Zentrum Berlins zu wohnen und können sich das auch leisten. Die preiswerteren Arbeitskräfte kommen aus Polen. Wenn die Menschen in Grauheide (ehemals Grünheide) ganz großes Pech haben, siedeln sich die Tesla-Angestellten doch nahe der Fabrik an und sorgen für steigende Immobilienpreise. Die Jugend kann dann nicht mehr gehalten werden, weil sie sich keine Wohnung mehr leisten kann. Egal, Hauptsache noch mehr Autos!

    • @90618 (Profil gelöscht):

      stimmt leider. Die Mehrheit der Fachkräfte wird nicht aus der Region kommen, sondern von überall wo her und dann natürlich im lebendigen Berlin wohnen wollen. Nur die gering-qualifizierten Quellen wie Werkschutz etc werden teilweise aus Lokalen besetzt werden - aber auch da konkurrieren sie mit Studenten und Polen etc, die auch gerne beim Prestige-Elektrobauer arbeiten werden wollen.

      Beim Punkt mit den Immobilienpreisen muss ich allerdings relativieren. Die Eigentumsquote in der Provinz ist etwas höher (obgleich in Ostdeutschland durchschnittlich geringer als im Rest Deutschlands) und jene mit Eigentum wird dieser Anstieg freuen. "Lediglich" der Rest, geschätzte 30-35% schaut da in die Röhre.

    • @90618 (Profil gelöscht):

      Also Ihrer Argumentation nach kann man es auch gleich aufgeben, in Brandenburg Arbeitsplätze zu schaffen. Klappt ja eh nicht.

    • @90618 (Profil gelöscht):

      Mann kann es auch übertreiben. Es geht hier nicht um Firmenzentralen in Ballungsgebieten, sondern um einen Industriestandort in der Peripherie. . Wenn alles Korrekt läuft, ist nichts dagegen einzuwenden. Irgendwo her müssen Arbeitsplätze schon kommen

    • @90618 (Profil gelöscht):

      Steigende Immobilienpreise in der Peripherie sind doch fein? Wenn ich mich recht erinnere, ist der Anteil jener, die Wohneigentum besitzen auf dem Land recht hoch.