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Terrorverdächtiger in BerlinAbschiebung in die Folter

Justiz absurd: Einem Terrorverdächtigen droht am Mittwoch die Ausweisung nach Tunesien. Sein Anwalt fordert ein Gerichtsverfahren.

In diesem Haus in Schöneberg wurde der Terrorverdächtige festgenommen Foto: dpa

BERLIN taz | Obwohl dringender Tatverdacht besteht, soll ein tunesischer Staatsangehöriger in sein Heimatland abgeschoben werden. Sein Anwalt spricht von einem Skandal: „Ich gehe davon aus, dass mein Mandant in Tunesien gefoltert wird“, sagte Jonathan Burmeister am Montag zur taz.

Der Beschuldigte, dem Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) vorgeworfen wird, befindet sich derzeit im Haftkrankenhaus Plötzensee. Die Abschiebung sei für Mittwoch terminiert, so der Anwalt.Als der 24-jährige Charfeddine T. alias Ashraf Al-T. Anfang November festgenommen wurde, hieß es zunächst, er habe ein Messerattentat geplant. Der Mann wohnte zur Untermiete bei einem Flüchtlingshelfer in der Kolonnenstraße in Schöneberg (taz berichtete). Was dann geschah, war filmreif: T. wurde zum Haftprüfungstermin nach Karlsruhe geflogen. Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) befanden indes: die Beweise reichen für die Annahme eines geplanten Terroranschlags nicht aus.

Vorgeschobener Haftgrund

Statt T. freizulassen, fuhren die Berliner Polizisten mit ihm in Karlsruhe zum Amtsgericht. Das erließ Haftbefehl wegen Verdachts der Urkundenfälschung. Anwalt Burmeister hielt das damals für vorgeschoben. Tausende anderer Flüchtlinge hätten gefälschte Papiere benutzt und kämen nicht in U-Haft. Zudem habe sein Mandat zugegeben, einen gefälschten syrischen Pass benutzt zu haben.

T. saß fünf Wochen wegen Urkundenfälschung in U-Haft, da erreichte ihn am 14. Dezember ein neuer Haftbefehl des BGH: Verdacht der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung IS. Vorgeworfen wird T., „sich in Deutschland zur Durchführung eines derzeit nicht näher bekannten Auftrags für den IS aufgehalten zu haben“.

Wenn der Extremismusvorwurf Substanz habe, solle man seinem Mandanten in Deutschland den Prozess machen, fordert Anwalt Burmeister. „Wenn nicht, muss man ihn freilassen“. T. stattdessen abzuschieben „ist ein menschenrechtlicher Skandal.“ Amnesty International verfüge über zahlreiche Belege für die Folterungen von Terrorismusverdächtigen in Tunesien.

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30 Kommentare

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  • und warum genau hat der betroffene eine alias-identität angenommen ?

  • es ist doch eine völlig unbewiesene Behauptung des Anwalts, die im Titel auftaucht. Tunesien ist sicher kein vorbildlicher Rechtsstaat, für nordafrikanische Verhältnisse aber nicht schlechter als andere Staaten, in die auch abgeschoben wird.

     

    Und ein IS-Mitglied brauchen wir in Deutschland nun wirklich nicht, oder wenn er kein Mitglied sein sollte, auch keine Sympatisanten dieser Bande.

  • oberste Gerichtshof

    ...den gibts in den USA. Bei uns ist das höchste ordentliche Gericht der BGH.

     

    Verdacht der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" ist wohl ziemlich nahe am Gesetzestext. Wenn der BGH-Ermittlungsrichter diesen Verdacht für hinreichend begründet hält, sind die von der BA vorgebrachten Beweise vermutlich halbwegs stichhaltig.

     

    T. kann dann nicht besser gestellt werden als ein abgelehnter Asylberwerber, der keinen kriminellen Hintergrund hat.

     

    "Jemand mit Einfluss" wird sich kaum dem IS anschließen. Bei allem Verständnis für den IS wegen dessen Kampf gegen westliche Missionierer, die westliche Gesellschaft muss sich gegen diese Leute wehren.

  • "Tausende anderer Flüchtlinge hätten gefälschte Papiere benutzt und kämen nicht in U-Haft."

     

    Genau DAS ist das Problem! JEDER, der hier mit gefälschten Papieren eingereist ist oder sich ausweist, gehört in Abschiebehaft - ausnahmslos, denn, vor dem Gesetz sind alle gleich - oder der Rechtsstaat ist tot!

  • Tunesien ist wohl das einzige Land, das sich nach dem "arabischen Frühling" trotz großer wirtschaftlicher Probleme zu dem entwickelt, was wir im Westen unter einer Demokratie verstehen. Und ausgerechnet diesem Land klebt die taz das Etikett "Folterstaat" an ?

  • Vorgeworfen wird T., „sich in Deutschland zur Durchführung eines derzeit nicht näher bekannten Auftrags für den IS aufgehalten zu haben“.

     

    Wenn der oberste Gerichtshof solche schwammigen Formulierungen vorbringt, ist das doch nichts anderes als ne Hexenjagd.

     

    Egal was der Tunesier getan hat, vorhat oder man glaubt was er vorhätte, solche Vorwürfe würden nie gegen jemanden mit Einfluss und genug Geld für Anwälte erhoben werden, oder?

  • Es kann nicht sein, dass Deutschland den Opfern von Islamisten Asyl gewährt, was richtig ist... und den Anhängern ihrer Peiniger (IS, siehe auch Fussilet Moschee und diverse Hassprediger, die von der Sozialhilfe leben) auch.

     

    Wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der Mann einen Anschlag geplant hat, muss er sofort abgeschoben werden.

     

    Keine freiheitlichen Privilegien für die Feinde der Freiheit, keine unnötige Rücksichtnahme gegenüber Rücksichtlosen und gegenüber islamistischen Mördern in spé. Oder sind wir Schafe, die naiv und moralisch überkorrekt die Wölfe "beschützen", die sie anschließend auffressen?

    • @Alfonso_Knisterbeutel:

      "Oder sind wir Schafe, die naiv und moralisch überkorrekt die Wölfe "beschützen", die sie anschließend auffressen?"

       

      Solange Salafisten und ihre Finanziers, die saudischen Wahhabiten, hier ihr Unwesen treiben dürfen, kann ich Ihre Frage leider nur bejahen.

    • @Alfonso_Knisterbeutel:

      In der Konsequenz forderst Du also Folter und ggf. Todesstrafe bei Terrorverdacht.

      • @stadtlandmensch:

        Das las ich so nicht bei Alfonso.

        Er schreibt über Fakten.

        Oder wollen wir wieder das Gleiche wie in Berlin ?

        Lesen Sie mal im aktuellen CICERO über die in Berlin zu Tode gekommenen Menschen.

      • @stadtlandmensch:

        Das las ich so nicht bei Alfonso.

        Er schreibt über Fakten.

        Oder wollen wir wieder das Gleiche wie in Berlin ?

        Lesen Sie mal im aktuellen CICERO über die in Berlin zu Tode gekommenen Menschen.

      • @stadtlandmensch:

        Ich fordere in der Konsequenz. Opferschutz. Die Rechte der Täter dürfen nicht höher bewertet werden als die derer, die darunter leiden.

         

        Willst Du die Opfer des IS mit ihren Peinigern und Mördern ohne Konsequenz für zweitere zusammen leben lassen? Dann müsstest Du auch freien Bewegungsspielraum für Stalker befürworten.

        • @Alfonso_Knisterbeutel:

          Ja, was denn jetzt?

           

          Entweder ist er ein Täter oder es liegen, wie in Ihrem ersten Posting und auch im Artikel beschrieben nur "Anhaltspunkte" vor. Ob diese stichhaltig sind und zu einer Verurteilung reichen, muss ja wohl immer noch ein Richter entscheiden und nicht irgendein Exekutivorgan.

          • @Age Krüger:

            Wenn Sie bitte den Artikel konzentriert durchlesen wollen und sich nicht nur einzelne Stellen heraus picken mögen, Zitat: "Obwohl dringender Tatverdacht besteht, soll ein tunesischer Staatsangehöriger in sein Heimatland abgeschoben werden.".

             

            Es liegen also eben gerade nicht nur Anhaltspunkte vor, so argumentiert ja auch der Rechtsanwalt des Betreffenden, welchselbiger gerade in einem Krankenhaus humanitär korrekt versorgt wird. Das ist ja auch die Bestandsaufnahme im Artikel: gerade WEIL der Täter (der sogar durch einen vermutlich menschenfreundlichen Flüchtlingshelfer unterstützt wurde) als potentieller Terrorist und selbstgewählt geplanter zukünftiger Mörder an anderen Menschen angesehen wird, soll ihn dies angeblich rechtlich vor der Abschiebung schützen. Dieser Leseart gemäß wäre der dringende Tatverdacht eine Art Ritterschlag, gerade nicht abgeschoben zu werden.

             

            Hä, wie bitte? Bin jetzt ich durchgedreht, oder ist es diese Argumentation? Oder ist das Rechtswesen aus den Fugen geraten?

             

            Die potentiellen Opfer eines Terroranschlags (z.B. auch Sie oder ich) MÜSSEN ein stärkeres Recht darauf haben, geschützt zu werden, als ein religiös Wahnsinniger.

             

            Genau so, wie deutsche Nazis in deutsche Knäste gehören, gehören auch tunesische Islamisten in tunesische Gefängnisse, erst recht dann, wenn sie sich mit gefälschten Pässen als syrische Kriegsflüchtline ausgegeben haben, die von religiös Wahnsinnigen verfolgt werden.

             

            Warum? Weil sie der religiöse Wahnsinn sind, der in Form von Typen wie Anis Amri und des Charfeddine T. alias Ashraf Al-T.nach Berlin getragen wird.

        • @Alfonso_Knisterbeutel:

          Wird er als Täter in Deutschland verurteilt, dann wird er hier bestraft und ggf. inhaftiert. Auch zwecks Opferschutz. Wie alle anderen, egal welche Staatsangehörigkeit.

           

          Ich fordere keine Bewegungsfreiheit für Täter. Nur ein rechtsstaatliches Verfahren, ohne Gefahr der Folter.

  • Die Menschenrechte sind absolut, auch Berliner Behörden müssen sie beachten http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/folterverbot/

     

    Wenn aufgrund der im Raum stehenden Vorwürfe Folter im Herkunftsland droht, ist nach Menschenrechtskonventionen, Asyl und Ausländerrecht eine Abschiebung verboten.

     

    Deutsch Behörden haben kein Recht dazu, einen Menschen in ein Land auszuliefern, wo ihm unmenschliche Behandlung, Folter oder Todesstrafe drohen.

    • @stadtlandmensch:

      Erlaubt denn die Menschenrechtskonvention, in einem (selbst gewählten anderen) Land (als dem Herkunftsland) wahllos andere Menschen umzubringen? Also bspw. als Anis Amri aus Tunesien in Deutschland u.a. einen Polen, eine Italienerin, eine Israelin, einen Tschechen und viele andere mit einem LKW zu überfahren und zu töten?

       

      Bitte rennen Sie sich nicht in Ihrem überhumanitären Weltbild fest. Sicher sind irrsinnige religiöse Täter Menschen, aber glauben, Sie im Ernst, solche Wahnsinnigen geben auch nur einen Pfifferling auf Sie oder die Menschenrechtskonvention? Ich staune über die Naivität, die aus solchen Worten spricht. Für Islamisten sind wir alle Tiere (=> Hunde), die geschächtet werden müssen.

       

      Es gibt kein Recht, das über der Menschenrechtskonvention steht, das es religiösen Wahnsinnigen erlaubt, zu morden.

       

      Dieses Recht räume ich auch Charfeddine T. alias Ashraf Al-T. nicht ein.

    • @stadtlandmensch:

      Text stammt von Amnesty.

       

      Darf man ihre Position so verstehen: jeder Mensch der aus diesen 141 Ländern nach Deutschland kommt, hat ein dauerhaftes Bleiberecht?

      Falls ja, wird ziemlich eng hier.

       

      "141 - Anzahl der Länder, in denen Amnesty International in den vergangenen fünf Jahren Folter und andere Formen der Misshandlung dokumentiert hat. In einigen Ländern wurde Folter routinemäßig angewandt, in anderen sind Einzelfälle dokumentiert worden

  • „ist ein menschenrechtlicher Skandal“

     

    Man sollte T die "freiwillige" Ausreise nach Tunesien erlauben. Was er dann dort macht, ist seine Sache. Wenn er nicht freiwillig ausreisen will, bleibt nur die Abschiebung. Die Möglichkeit der Abschiebung hat immerhin 250 Mio. € gekostet.

     

    Jemanden, der sich fälschlich als Syrer ausgibt in d zu belassen, würde im Ergebnis dazu führen, dass man auf die Prüfung von Asylgründen ganz verzichten kann.

     

    Einen Anspruch auf die Durchführung eines "rechtsstaatlichen Strafverfahrens" in d hat T. sicher nicht.

    • @A. Müllermilch:

      "Einen Anspruch auf die Durchführung eines "rechtsstaatlichen Strafverfahrens" in d hat T. sicher nicht."

       

      Warum nicht? Verstehe ich nicht!

      • @Age Krüger:

        Strafrecht ist g e g e n den Straftäter gerichtet. Es gilt - in gewissen Grenzen - das Oppurtunitätsprinzip. Der Staatsanwalt/ das Gericht können in gewissen Grenzen auf eine Strafverfolgung verzichten. Gerade bei Ausländern ist das manchmal sinnvoll. Statt Strafverfahren Ausweisung.

         

        Wenn die angebliche Mitgliedschaft beim IS Tunesier vor Ausweisung schützen würde, hätten wir einen rapiden Zuwachs von bekennenden IS-Kämpfern zu erwarten.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Er hat seine Papiere gefälscht, wie Tausende andere auc!

    Das interessiert anscheinend niemanden und soll mit einem Augenzwinkern abgetan werden.

    Diese Argumentation verstehe ich nicht.

    Gilt bei Flüchtlingen das Rechrsystem nicht mehr?

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Habe ich Ihre drollige Einstellung richtig verstanden ? Also, tausende fahren mit dem Auto zu schnell, oder mal über eine "dunkelstgelbe" Ampel. Warum sollte also ich, dummerweise geblitzt, einen Strafzettel bezahlen ? Wo bleibt da der Rechtsstaat ? War es das, was Sie meinten ?

    • @36855 (Profil gelöscht):

      Schließe mich Ihrer Frage an.

  • Leider wird im Artikel nichts zum Aufenthaltsstatus geschrieben. Soweit kein Aufenthaltstitel vorliegt, ist die Abschiebung nicht zu beanstanden. Welches Interesse sollte die Bundesrepublik an der Durchführung eines Strafverfahrens haben?

  • Die Unschuldsvermutung gilt. Jeder Mensch hat Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Auch ein Geflüchteter.

  • Welche Aufenthaltsberechtigung hat der Mann? Ist er anerkannter Asylbewerber? Läuft sein Verfahren noch?

     

    Warum soll er freigelassen werden? Er hat zumindest Urkundenfälschung zugegeben.