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Dubioser Terrorverdacht in Berlin„Es geht nicht mit rechten Dingen zu“

Ein Flüchtling aus Berlin-Schöneberg sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Dafür gibt es keine Gründe, sagt sein Anwalt.

Haus in Schöneberg, in dem ein angeblich Terrorverdächtiger festgenommen wurde Foto: dpa
Interview von Alke Wierth

taz: Herr Burmeister, vor elf Tagen wurde Ihr Mandant in Berlin-Schöneberg wegen Terrorverdachts festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft – nicht wegen der Terrorvorwürfe, sondern wegen Urkundenfälschung. Was hat sich seither getan?

Jonathan Burmeister: Nichts. Mein Mandant ist seit der Haftentscheidung vergangenen Donnerstag nicht mehr vernommen worden, neue Beweise gegen ihn wurden nicht vorgelegt. Er wurde aber kürzlich aus der Justizvollzugsanstalt Moabit in das Vollzugs-Krankenhaus Plötzensee verlegt, was ihm gut tut. Es ist ja eine ziemliche Belastung, wenn man in einem Land, in dem man Schutz sucht, plötzlich unter Terrorverdacht steht.

Am Montag findet der von Ihnen beantragte Haftprüfungstermin statt. Rechnen Sie mit einer Freilassung?

Ich bin pessimistisch. Wenn es in dieser Sache mit rechten Dingen zuginge, dürfte er gar nicht in Untersuchungshaft sitzen.

Warum?

Mein Mandant ist als Flüchtling aus Syrien mit gefälschten syrischen Papieren eingereist – wie Tausende andere Geflüchtete auch, von denen keiner deshalb in U-Haft sitzt. Denn es gibt für diesen Rechtsverstoß nachvollziehbare Gründe. Zudem ist er in dieser Hinsicht voll geständig. Da dürfte es eigentlich keine U-Haft geben. Die wurde bislang mit möglichen hohen Haftstrafen begründet – aber die sind gar nicht zu erwarten.

Was vermuten Sie als Grund für die U-Haft?

Ich vermute sogenannte apokryphe Haftgründe, also verborgene Gründe, die hinter den offiziell angegebenen Gründen versteckt werden. Es wird ja gegen ihn auch noch wegen des Terrorverdachts ermittelt.

Im Interview: Jonathan Burmeister

ist Anwalt mit den Schwerpunkten Straf-, Migrations- und Mietrecht

Welche Gründe könnten am Montag für eine Verlängerung der U-Haft wegen Urkundenfälschung sprechen?

Wenn es rechtsstaatlich zugeht, eigentlich keine. Es sei denn, es werden neue Ermittlungsergebnisse vorgelegt, die den Verdacht des geplanten Terrorattentats stützen. Dann würde allerdings nicht die bisherige U-Haft fortgesetzt, mein Mandant müsste mit einem Haftbefehl neu verhaftet werden.

Die Verdächtigung, er habe einen Terroranschlag mit einem Messer geplant, weist Ihr Mandant zurück.

Ja, und ich bin mir auch persönlich recht sicher, dass sie den Falschen erwischt haben. Mein Mandant stammt aus Syrien, was Arabischkundige leicht hören können. Der Terrorverdacht richtet sich aber gegen eine Person aus Tunesien.

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1 Kommentar

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  • lieber herr burmeister, wenn sie unseren mitbürgern nun noch erläutern, was "apokryphe haftgründe" sind, die ja nicht in der stpo zu finden sind. sie hätten auch sagen können, dieser innenminister braucht jede woche einen terrorverdächtigen oder eine sonstige nachricht zur "inneren sicherheit" - siehe heute "zitis" -, um die arbeit seines verfassungsschutzes nach den post- und nsu-skandalen und seine eigene ministerielle existenz zu rechtfertigen, selbst wenn heute feststeht, dass nicht einmal bei der immer wieder zitierten "sauerlandgruppe" eine eigentliche terrorgefahr bestand und es dort auch wieder der hilfe "apokrypher mächte" bedurfte, um unseren staatsschutz überhaupt auf trab zu bringen. viel erfolg!