Terroranschlag in Barcelona: Transporter fährt in Menschenmenge
Ein Lieferwagen tötet in Barcelona 13 Menschen und verletzt 80. Die Polizei meldet zwei Festnahmen. Der IS reklamiert die Tat für sich.
Kurz nach 20 Uhr bestätigte die Polizei die Festnahme eines Verdächtigen. Zur Identität des Mannes machte sie keine Angaben. Sie widersprach aber über ihr Twitter-Konto Medienberichten, wonach einer oder mehrere Verdächtige in einer Bar nahe den Ramblas Zuflucht gesucht hätten. „Niemand hat sich in einer Bar im Zentrum Barcelonas verschanzt.“ Die Polizei gab aber vorerst keine Entwarnung. Im Gegenteil, sie ordnete eine Räumung aller Lokale und Läden rund um die Ramblas an.
Um 21.30 Uhr meldete der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont eine weitere Festnahme. Einer der Festgenommenen wurde als Driss Oukabir identifiziert, wie ein Sprecher der Polizeigewerkschaft sagte. Es sei weiter unklar, wie viele Angreifer beteiligt waren.
Die IS-Terrormiliz hat laut ihrem Sprachrohr Amak den Terroranschlag mit einem Lieferwagen in Barcelona für sich reklamiert. Einer „der Soldaten des Islamischen Staates“ habe die Tat ausgeführt, meldete Amak am Donnerstagabend im Internet unter Berufung auf nicht näher genannte Sicherheitsquellen.
Suche nach Lieferwagen
Die Ermittler suchten einen weiteren Transporter, den der oder die Täter als Fluchtfahrzeug angemietet haben sollen. Er wurde schließlich in Vic, einer Kleinstadt 70 Kilometer nördlich von Barcelona gefunden. Dies legt nahe, das der oder die Täter weitere Komplizen hatte.
Beide Lieferwagen wurden – so erste Ermittlungsergebnisse – in der spanischen Exklave Melilla an der marokkanischen Nordküste angemietet. Im Tatfahrzeug fand die Polizei einen spanischen Ausweis, ausgestellt auf einen Mann mit nordafrikanischem Namen.
Augenzeugen schilderten, wie das Tatfahrzeug gegen 17 Uhr einen halben Kilometer die Ramblas auf dem in der Mitte der Straße gelegenen breiten Fußgängerweg mit seinen Kiosken und Gartenkneipen in Schlangenlinie entlang raste. Dabei überfuhr der Wagen alles, was ihm in den Weg kam, bis er vor dem bekannten Theater Liceu zum Stehen kam. Zum Zeitpunkt des Anschlages befanden sich, wie jeden Tag, tausende von Einheimischen und Besuchern auf der Flaniermeile.
Mehrere Überlebende berichteten von zahlreichen dumpfen Aufprallgeräuschen und durch die Luft geschleuderten Menschen. Erste Bilder zeigten einen weißen Lieferwagen, dessen Front eingedrückt war. Der Kühler und die Motorhaube wurden bei der Terrorfahrt völlig zerstört. Videos in den sozialen Netzwerken zeigten schreckliche Szenen von blutüberströmten Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern. Unversehrte Passanten halfen ihnen spontan.
Polizei: Altstadt meiden
Die Polizei forderte die Bevölkerung auf, die Altstadt zu meiden. U-Bahn und Nahverkehrszüge fuhren die innerstädtischen Haltestellen nicht mehr an. Ein nahegelegenes Kaufhaus wurde geräumt. Das Fremdenverkehrsamt der Stadt Barcelona brachte diejenigen Urlauber in Hotels ausserhalb der Innenstadt unter, die wegen der Polizeisperren nicht in ihre Unterkunft zurückkehren konnten.
Taxifahrer boten kostenlose Fahrten für die Betroffenen an. Die Krankenhäuser in Barcelona forderten die Bevölkerung zum Blutspenden auf. Alle kulturellen Aktivitäten und das derzeit stattfindende Stadtfest wurden abgesagt. Auch in der spanischen Hauptstadt Madrid wurden auf mehreren Zufahrtsstraßen und breiten Avenidas Polizeikontrollen eingerichtet.
Zumindest für die spanischen und katalanischen Behörden kam die Tat nicht völlig überraschend. Laut El Periódico soll der US-amerikanische Geheimdienst CIA die spanischen Kollegen bereits vor zwei Monaten gewarnt haben, dass Barcelona und ganz besonders die Ramblas zum Ziel radikaler Islamisten werden könnte. Diese Nachricht wurde allerdings nicht öffentlich gemacht.
Das Attentat trifft Spanien und Katalonien in einem denkbar kritischen Augenblick. Die katalanische Autonomieregierung bereitet für den 1. Oktober ein Referendum über die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region vor. Madrid will dies unterbinden.
Schock und Betroffenheit
Politiker weltweit reagierten geschockt und betroffen: Die Bundesregierung hat sich erschüttert über den Terroranschlag in Spanien gezeigt. „In tiefer Trauer sind wir bei den Opfern des widerwärtigen Anschlags in Barcelona“, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Man stehe in Solidarität und Freundschaft an der Seite der Spanier.
US-Präsident Donald Trump sagte, man werde alles tun, was nötig sei, um zu helfen. „Seid zäh und stark, wir lieben Euch!“ schrieb Trump. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte: „Wir stehen vereint im Kampf gegen den Terrorismus.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte: „All meine Gedanken und die Solidarität Frankreichs für die Opfer der tragischen Attacke in Barcelona. Wir bleiben vereint und entschlossen.“ EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani bekannte, die EU sei vereint in der Verteidigung des Friedens.
„Bin tief erschüttert über Nachrichten aus Barcelona. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Freunden und Angehörigen“, teilte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einem „feigen Anschlag auf unsere Werte“.
Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts
Das Auswärtige Amt aktualisierte seine Sicherheitshinweise für Spanien: „Reisenden wird geraten, den Bereich weiträumig zu meiden, den Anweisungen der Sicherheitskräfte Folge zu leisten und sich über die lokalen Medien zu informieren“, teilte das Auswärtige Amt mit.
Der bisher blutigste Terroranschlag in Spanien ereignete sich am 11. März 2004. Damals hatten islamistische Attentäter in Madrid Bomben in Pendlerzügen gezündet und 191 Menschen getötet. Rund 1.500 weitere wurden verletzt.
Seit vergangenem Sommer war es in Europa wiederholt zu Anschlägen mit Fahrzeugen gekommen. Im Juli 2016 raste ein Attentäter mit einem Lkw auf dem Strandboulevard von Nizza in eine Menschenmenge. 86 Menschen starben. Beim Anschlag mit einem gekaperten Laster auf den Berliner Weihnachtsmarkt wurden im Dezember zwölf Menschen getötet. Im Frühjahr 2017 gab es zudem tödliche Attacken mit Fahrzeugen in London und Stockholm.
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