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Tennis-Boykott gegen ChinaSportliche Solidarität

Kommentar von Johannes Kopp

Der Weltverband der Tennis-Frauen sagt seine Turniere in China ab. Er stellt sich damit hinter die von Peking bedrängte Spielerin Peng Shuai.

Peng Shuai jubelt nach einem Sieg gegen Venus Williams bei den China Open 2016 Foto: Andy Wong/ap

S pektakulär ist schon die Entscheidung. Die WTA, die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen, setzt ihre Turniere 2022 in China aus. Nicht minder spektakulär ist die Begründung für diesen kostspieligen Boykott, der in der internationalen Sportwelt einiges in Rutschen bringen könnte. „Chinas politische Führung hat der WTA keine andere Wahl gelassen“, heißt es in der Erklärung des WTA-Chefs Steve Simon. Die chinesische Seite habe nicht nachweisen können, dass die Tennisspielerin Peng Shuai frei und unbedroht sprechen könne, nachdem sie dem früheren chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli über die sozialen Netzwerke vorgeworfen hatte, sie vergewaltigt zu haben.

Was sollen wir mit all dem Geld aus China anfangen, wenn die Grundlagen unseres Sports zerstört werden, zu denen auch der Schutz seiner Ak­teu­r:in­nen vor physischer, psychischer und sexueller Gewalt gehört. Es gibt Grenzüberschreitungen, denen man nicht – wie es das IOC für sich beansprucht – mit „stiller Diplomatie“ begegnen kann, sondern nur mit einem lauten Aufschrei. So liest sich das Statement der WTA.

Das Bekenntnis der WTA zur Alternativlosigkeit seiner Entscheidung bringt das Internationale Olympische Komitee in Bedrängnis. Denn im IOC meint man, nach wie vor wählen und abwägen zu können zwischen dem Wohlergehen seiner Sport­le­r:in­nen und dem seiner Geschäfte. Im Zweifelsfall wird den Geschäften größeres Gewicht zugemessen. Dass der Hauptsitz des IOC in Lausanne dann wie die Außenstelle eines chinesischen Propagandaministeriums wirkt, ist in die interne Kosten-Nutzen-Abwägung offenbar eingepreist.

So berichtete IOC-Präsident Thomas Bach nach einem Telefonat mit Peng Shuai, ihr gehe es gut und sie wünsche, dass ihre Privatsphäre respektiert werde. Der Eindruck drängt sich auf, Bach habe mehr störungsfreie Olympische Winterspiele und chinesische Verdienstorden im Sinn als den Schutz und die Rechte von Peng Shuai. Die WTA-Erklärung wirft die wichtige Frage auf, ob und wo das IOC noch Grenzen ziehen will im Zusammenspiel mit autoritären Staaten. Gibt es selbst bei augenscheinlichen Menschenrechtsverletzungen stets eine Alternative zum Boykott?

Bislang hielt sich der olympische Dachverband solche Debatten vom Hals, indem er unter anderem die Sphären Sport und Politik künstlich voneinander getrennt abhandelte. Mit Peng Shuai ist nun aber eine Sportlerin von Zensur, Gewalt und Einschüchterung eines autoritären Regimes bedroht. Wenn die stillen Diplomaten vom IOC nicht bald Ergebnisse liefern, wird es immer mehr Aufschreie geben. Gut, dass die WTA einen Anfang gemacht hat.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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12 Kommentare

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  • Ich bin fast stolz auf die WTA, diese in der Tat alternativlose Entscheidung getroffen zu haben. Jetzt noch schnell die Absage der FIFA an Katar und man dürfte fast hoffen, der internationale Sport könne wieder ehrenhaft werden, die alte Charakterbildungsmaschine.

  • In unseren Medien war nichts darüber zu erfahren, dass die VR China sich zugunsten des zugelosten Pferdes der Reiterin Schleu eingesetzt hätte.

    Selbstverständlich kann jeder aktive Sportler für sich entscheiden, ob sie/er in Katar oder Peking antritt. Man muss dann nur die Konsequenzen aushalten.

    Dass sich hier ein Verband aufspielt, halte ich für unangemessen.

    • @M.Wistrach:

      "Selbstverständlich kann jeder aktive Sportler für sich entscheiden, ob sie/er in Katar oder Peking antritt. Man muss dann nur die Konsequenzen aushalten.

      Dass sich hier ein Verband aufspielt, halte ich für unangemessen."

      Klingt nach dem Tonfall chinesicher Propaganda.

    • @M.Wistrach:

      Vergleichen Sie gerade Peng Shuai mit einem Pferd? Nicht, dass ich etwas gegen die Abschaffung von Tierschindersport hätte, aber das ist abstrus, was Sie schreiben.

      • @Karl Kraus:

        Es geht um "Sport" (Verbandsstrukturen, Abhängigkeitsverhältnisse, Kommerz, Traditionen, Doping usw.) und Politik (hier: Einmischung von außen, statt vor der eigenen Tür zu kehren).

        Bleiben Sie unaufgeregt.

        • @M.Wistrach:

          Hm. Sie klingen tatsächlich wie die chinesische Propaganda. Vielleicht kann ich helfen: Dass der hochkommerzialisierte "Sport" eine ziemlich widerliche Angelegenheit sein kann, führt nach Ihrer Logik dazu, dass man sich als Sportverband mit Peng Shuai erst dann solidarisieren und deutlichen Protest praktizieren darf, wenn man keine Pferde mehr schlägt.



          Oder dass man sich nur dann solidarisieren usw. darf, wenn China gegen die Misshandlung von Pferden protestiert. (Hab ich mir nicht ausgedacht. Hab nur gelesen, was Sie schrieben.)



          Das ist leider abstrus.

  • Tennis interessiert mich persönlich nicht, aber diese Entscheidung schon, denn sie weist in die richtige Richtung. Zugleich werden damit zukünftige ähnliche Situationen logischerweise eine ähnliche Maßnahme erfordern. Das gilt auch für die Kommerzveranstaltungen wie die Fußball-WM.

  • Man muss WTA loben und jetzt mehr schützen gegen den Shitstorm und die Drohungen aus China.....

    Statt wie Deutsche Ministerien oder Regierung oder deutsche Firmen den Mund gegen China still zu halten (es geht um viel €€€ $$$) hat WTA mindestens was konkretes gemacht....



    So viel Druck und Isolation erlebt sie in China, zeigt dass Ihre Aussage sehr wahrscheinlich korrekt sind....



    Jetzt wird China wahrscheinlich versuchen so ein Theater-Gerichstverfahren zu starten..Wir wissen am Ende wie Unabhängig(!) die Diktatur-Strukturen sind...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    ERSTAUNLICH!



    Endlich unternimmt mal jemand was.



    Ein Thomas Bach ist die absolut falsche Person an der Spitze des Sports.

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Dass man das noch erleben darf.

  • " ihr gehe es gut und sie wünsche, dass ihre Privatsphäre respektiert werde."

    Das soll dann übersetzt heissen "fragen Sie bitte nicht weiter nach"?

    Das wäre dann wohl kaum eine Äusserung einer Sportlerin, die einen hohen Funktionär der Vergewaltigung bezichtigt. Diese würde doch wohl weiterhin an die Öffentlichkeit gehen wollen und nicht wünschen, dass man sie in Ruhe liesse.

    Also hat die KP da Druck gemacht, dass sie den Ball SEHR flach halten soll. Mindestens. Oder mehr.

  • Respekt für diese Entscheidung, da es um viel Geld geht und das IOC in solchen Fällen in der Regel großen Druck auf die Sportler ausübt. Das endlich ein Verband der dem chinesischen Regime die Stirn bietet. Eine vorbildhafte, Vertrauen bildende Maßnahme.



    Scheinbar gibt es doch noch Menschen mit politischen demokratischem Rückrat auf unserer Welt - und das ohne "stille Diplomatie" (Korruption vom Feinsten ! )