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Tarifstreit mit Lokführer-GewerkschaftBahn will Streik juristisch stoppen

Die Bahn geht mit einem Eilantrag gegen den Streik der GdL-Lokführer vor. Ein Angebot der Bahn hatten die zuvor abgelehnt. Nur ein Viertel aller Züge fährt derzeit.

Die GDL hatte am Montag den dritten Streik im Tarifstreit mit der Bahn angekündigt Foto: Michele Tantussi/reuters

Berlin afp/rtr | Im festgefahrenen Tarifkonflikt mit den Lokführern geht die Deutsche Bahn nun juristisch gegen die Gewerkschaft GDL vor. Man habe am Donnerstagmorgen vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Streiks der GDL eingereicht, teilte der Staatskonzern mit. „Auch nach den jüngsten Äußerungen der GDL geht es bei diesem Arbeitskampf offenkundig mehr um rechtliche und politische Themen als darum, Lösungen für gute Arbeitsbedingungen am Verhandlungstisch zu finden.“

Zuvor hatte die GDL ein verbessertes Angebot der Bahn als nicht akzeptabel abgelehnt. Seit dem frühen Donnerstagmorgen läuft der Streik im Personenverkehr, der noch bis Dienstagfrüh dauern soll.

GDL-Chef Claus Weselsky hatte am Donnerstag zum Angebot der Bahn gesagt: „Dieses Angebot kann kein Mensch und vor allem keine Gewerkschaft auf dieser Welt annehmen“. Denn das Angebot beinhalte „die Beschränkung des Geltungsbereiches auf den derzeitigen Tarifvertrag“, führte er weiter aus.

In den vergangenen 14 Monaten seien insgesamt 4.000 neue Mitglieder in die GDL eingetreten, sagte Weselsky. „Wir sind bei über 38.000 Mitgliedern“, fügte der GDL-Chef hinzu. „All diese Mitglieder möchten Tarifverträge von der GDL haben und sie möchten vor allen Dingen in 2021 keine Nullrunde fahren.“

Ein Viertel der Züge des normalen Fahrplans

Die Bahn habe ein Angebot in die Welt gesetzt, „in dem die Eisenbahnerschaft gespalten werden soll in Mitglieder der GDL in erster Klasse und in zweiter Klasse“, kritisierte Weselsky. „Nämlich diejenigen, die „einen Tarifvertrag bekommen, und diejenigen die keinen Tarifvertrag bekommen.“

Zudem beinhalte das Angebot „immer noch eine Nullrunde für das Jahr 2021“, fügte Weselsky hinzu. In diesem Jahr solle es weder eine Corona-Prämie noch eine Einkommenserhöhung geben, dafür gebe es weiterhin einen „Angriff auf die Betriebsrente, nämlich die Wegnahme des Zusatzversorgungstarifvertags für alle Eisenbahnerinnen und alle Eisenbahner“. Deshalb sei das Angebot „auch inhaltlich – und das sind unsere Streikziele – nicht annehmbar“.

Am Donnerstagmorgen war die neue Streikrunde der Lokführergewerkschaft GDL auch auf den Personenverkehr ausgeweitet worden. Der Ausstand habe wie angekündigt um 2 Uhr Uhr begonnen, teilte die Bahn mit. Der Güterverkehr wird bereits seit Mittwochnachmittag bestreikt. „Wir bedauern, dass der GDL-Streik trotz des neuen Angebots der DB nun läuft“, sagte eine Konzernsprecherin. Seit dem Beginn des Streiks gelte nun wieder ein Ersatzfahrplan.

Die Bahn will während der Streiktage sicherstellen, dass im Fernverkehr rund ein Viertel der Züge des normalen Fahrplans angeboten wird. Im Regional- und S-Bahnverkehr peilt das Unternehmen ein Angebot von etwa 40 Prozent an. Es gebe aber regionale Unterschiede, sagte die Sprecherin. Die Streik-Schwerpunkte liegen demnach im Osten und in einigen Metropolregionen. Dort sei mit stärkeren Einschränkungen zu rechnen.

Die GDL hatte am Montag den dritten und bislang längsten Streik im Tarifstreit mit der Bahn angekündigt. Der Ausstand soll demnach erst am Dienstag um 02.00 Uhr enden. DB-Personalvorstand Martin Seiler hatte am Mittwoch an die GDL appelliert, zurück an den Verhandlungstisch zu kommen und die „unverantwortlichen Arbeitskampfmaßnahmen“ zu stoppen. „Wir erfüllen zentrale Forderungen der GDL“, sagte er mit Blick auf das neue Tarifangebot der Bahn.

Bahn: „Deutlich verbessertes“ Angebot

Konkret will der Konzern der Lokführergewerkschaft demnach sowohl bei der Corona-Prämie als auch bei der Laufzeit des künftigen Tarifvertrags entgegenkommen. Die Prämie solle in gleicher Höhe wie im Öffentlichen Dienst gezahlt werden, teilte die Bahn mit. Im Organisationsbereich der GDL würden damit je nach Entgeltgruppe 400 oder 600 Euro ausgeschüttet. Bei der Laufzeit würden statt 40 nunmehr 36 Monate von der Bahn angeboten. „Gleichzeitig bieten wir eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent – genau das fordert auch die GDL“, erklärte Seiler.

Vor dem aktuellen und laut Bahn „deutlich verbesserten“ Angebot hatte der Konzern zwar ebenfalls 3,2 Prozent mehr Lohn geboten, aber auf den 40 Monaten Laufzeit des Tarifvertrages bestanden. Zu einer Corona-Prämie hatte das Unternehmen bis dahin zwar Verhandlungen angeboten, jedoch keine konkrete Zahl genannt.

In dem Tarifkonflikt geht es auch um die Position der GDL im Konzern und im Wettbewerb mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Diese hat sich bereits mit der Bahn geeinigt, die Ergebnisse hält die Lokführergewerkschaft jedoch für unzureichend.

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22 Kommentare

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  • Corona Prämie für was? Für die vielen Masken die man in der Lokführerkabine braucht?

    • @globelix:

      Für den Rund-um-die-Uhr-Einsatz aller Bahnbeschäftigten auf den Zügen. In der Schlichtung hatte auch der Vorsitzende der Schlichtungskommission Matthias Platzeck eine Corona-Hilfe zwischen 600 und 800 Euro empfohlen.

  • Was soll'n das für'n Angebot sein? Ein Tarifvertrag, der nur für einen Teil der GDL-Mitglieder gilt. Die alte „teile und herrsche“- Nummer wurde doch schon lange überstrapaziert.



    Die Bahn-Oberen machen in letzter Sekunde vor dem Streik ein Pseudo-Angebot, womit doch letztlich klar ist, dass sie gar nicht auf Verhandlungen setzt, sondern auf Gerichte, Politik und den wachsenden Missmut der Bahnkunden. Man sollte ihr das nicht durchgehen lassen.

  • Tschüss Herr Weseslky.

    Meine Frau muss pünktlich bei der Arbeit sein, so verlangt es der Arbeitgeber. Habe meiner Frau einen schicken Kleinwagen gekauft, das Thema Bahn ist somit für immer erledigt. Tschüss Deutsche Pech- und Pleitebahn, Tschüss Herr Weselsky.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      "Habe meiner Frau einen schicken Kleinwagen gekauft"



      Kann ihre Frau das nicht selbst erledigen?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Könnte sie, aber will sie nicht, wie bei allem wenn es um Technik geht. Und geschenkt war es ihr auch lieber.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Im Sinne einer für alle Beteiligten vorteilhaften Verkehrswende sollte der Bahnverkehr wieder zu einer hoheitlichen Aufgabe werden.



    Damit wären die Eisenbahner zurück im öffentlichen Dienst und eine pseudoprivatwirtschaftliche Arbeitskampfsituation würde sich erübrigen.

  • Man darf sicher gespannt sein...

    Nachdem der Gesetzgeber seinem Staatsbetrieb "Deutsche Bahn" 2014 ja schon durch das Tarifeinheitsgesetz mehr als stützend zur Seite gesprungen war.

    Und damit erst gar keine Mißverständnisee auftauchen:



    DIESER Mist ist mal nicht von Seiten der C*-Parteien eingebracht worden sindern von Andrea Nahles (SPD).

    Und wer es nicht mehr auf dem Schirm hat:



    Die SPD ist die Nachfolgepartei der Sozialdemokratischen Partei - die allerdings nur den Namen beibehalten hat)

    • @Bolzkopf:

      Auf das „Tarifeinheitsgesetz“ wird sich die Bahn hier schon gar nicht mehr berufen können, möchte sie selbst doch keinen einheitlichen Tarifvertrag mit allen GDL-Mitgliedern abschließen.



      Stimme Ihnen zu - wer heute immer noch SPD wählt, signalisiert damit nur, dass er sich jederzeit und gerne über'n Tisch ziehen lässt.

  • @JOX, @JIM HAWKINS

    Ja, auch ich fand den Kommentar von Gunnar Hinck... merkwürdig.

  • Eben in den Nachrichten...



    Mietwagen komplett ausgebucht, Lufthansa freut sich und stellt zusätzliche Kurzstreckenflüge bereit, ...

    Die permanente Streikgefahr durch Minigewerkschaften und der resultierende Imageverlust des Bahnverkehrs in der Bevölkerung wird einer der Sargnägel für die Mobilitätswende sein, da bin ich mir sicher...

    • @hderk:

      Ja, Sixt nutzt das gut für Werbung und hat Herrn Weselsky mal wieder als Mitarbeiter des Monats gekürt... Einfach mal googlen.

  • Es gibt hier einen Bericht, der die Seite der Gewerkschaft deutlich unterschiedlich darstellt zum vorherrschenden Bild in vielen Medien:

    www.heise.de/tp/fe...reits-6173271.html

    Da wird u.a. folgendes angeführt:

    - Die Konkurrenzgewerkschaft EVG habe aufgrund der Inflation einer Minusrunde bei Reallöhnen zugestimmt

    - Die GLD fordere nur, was im Öffentlichen Dienst üblich ist.

    Man kann nun vielleicht politisch fordern, dass aufgrund der Privatisierung die Bahn nicht mehr öffentlicher Dienst ist. Dann muss man sich aber auch als Kunde mit einem schlechterem Angebot zufrieden geben - schlechte Arbeitsbedingen und Spardruck kommen früher oder später beim Kunden an. Ein Beispiel ist das völlig unterirdische Angebot beim Fahrradtransport im Fernverkehr.

    - Die EVG habe eine Sonderklausel im Vertrag, die besagt, dass bei einem besseren Tarifabschluss der GDL der Tarif durch Kündigung angepasst wird. Wenn die EVG das nicht tut, steht sie bei den Leuten die sie vertritt, schlecht da, aber Bahn und EVG wollen eine Anpassung verhindern.

    - Die EVG habe der realen Minusrunde ohne Mitgliederbefragung zugestimmt. Sie schlage sich da mehr oder weniger auf die Seite der Arbeitgeber.

    - Die EVG habe zwar 185000 Mitglieder, aber nur 64000 sind noch im Beruf, die anderen sind pensioniert. Die EVG schrumpft.

    - Durch die Aufsplittung der Bahn in zahllose Einzelbetriebe gibt es viele Betriebe, wo die GDL größte Gewerkschaft sei.

    - Die GDL vertrete nicht allein die Lokführer, sondern habe sich geöffnet und vertritt auch andere Berufe

    - Die EVG könne, wenn sie wollte, auch wirksam streiken, weil ohne ihre vielen Angestellten wie z.B. Fahrdienstleiter der Bahnbetrieb nicht funktinieren würde. Das wolle sie aber nicht.

    Ich kann die Lage nicht selbst beurteilen, ich bin nicht bei der Bahn. Ich fände es jedoch gut, wenn die taz als Ausdruck journalistischer Neutralität mal was zu diesen Punkten recherchiert und auch berichtet.

    • @jox:

      Na ja. Ich habe den Heise Artikel gelesen, der auch sehr einseitig ist. Halt zu Gunsten der GDL. So ist z.B. verschwiegen, dass es im öffentlichen Dienst eine Sonderregelung für Flughäfen aufgrund der wirtschaftlichen Situation durch die Corona-Pandemie gibt. Flughäfen dürften mit der Bahn eher vergleichbar sein als Pflegepersonal, dass zusätzlich arbeiten musste und massive Belastungen aushalten musste.

      Richtig ist, dass der Konflikt recht unübersichtlich ist.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @jox:

      dazu möchte ich noch ergänzen, dass ich den Stil der Bahn sehr bedenklich und manipulativ finde. Und dieser wird genau so in den Meisten Medien (die einzige Ausnahme die ich bisher sehe ist der Deutschlandfunk und zumindestens einzelne Artikel bei der taz) übernommen.

      1. Das neue Angebot kommt nen halben Tag vor Streikbeginn, wo dieser logistisch nur noch schwer aufhaltbar ist.

      2. Details wie die Kürzung der Zusatz-Rente oder die Geltung ausschließlich für einen Teil der GdL werden kaum erwähnt.

      3. Wenn jemand behauptet, dass es ein faires Angebot ist, ist dieser Jemand meistens bei der Bahn.

      4. Die EVG hat einer Nullrunde mit Option zugestimmt. Oder anders formuliert: Sie lässt die GdL streiken um davon selbst zu profitieren.

      5. Der Großteil der Medien hinterfragt nicht die Forderungen der GdL, sondern eine angebliche Großmachtsucht des GdL-Chefs. Von Fakten und Zahlen hin zum persönlichen.

    • @jox:

      Sie glauben ernsthaft Privatunternehmen bedeutet automatisch schlechterer Service als ÖD? Hatten Sie in Ihrem Leben mal direkten Kontakt mit dem ÖD? Um übrigens die gleiche Bezahlung wie im aktuellen Tarifbertrag im ÖD zu bekommen müssten die Lokführer mindestens in Tarifgruppe 11 oder 12 einsteigen also etwa wie Lehrer. Da diese Tarifgruppe eigentlich Hochschulabsolventen vorbehalten ist, sehe ich da eher schwarz.

      • @Šarru-kīnu:

        > "Hatten Sie in Ihrem Leben mal direkten Kontakt mit dem ÖD?"

        *prust* Ich kannte die Bahn, als sie noch öffentlicher Dienst war und Schaffner noch Beamte. Da konnte man die Uhr nach den Zügen stellen. Es gab auch erheblich mehr davon, besonders auf den Nebenstrecken, wo heute zum Teil nichts mehr fährt. Das waren fast Schweizer Verhältnisse.

        Und auf der anderen Seite kenne ich auch das Bahnnetz in Großbritannien, wo alles privatisiert ist. Extrem teuer wenn man kurzfristig eine Fahrkarte braucht, und ebenso unzuverlässig wie hier. Die Nordostlinien werden übrigens teilweise gerade wieder für eine Weile öffentlich finanziert weil die Virgin Linien genug Gewinner herausgezogen haben, und man mal wieder was investieren muss. Aber das machen die Privaten nicht, kostet ja Geld.

        • @jox:

          Die Bahn war aber hoch defizitär mit fast 400000 Mitarbeitern und besonders deren Pensionsansprüche waren ein Mühlstein um den Hals des Finanzministers. Nach der Eingliederung der ostdeutschen Reichsbahn die noch mal 10mal ineffizienter aufgestellt war Anfang der 90er, blieb zur Privatisierung keine Alternative. Ich erinnere mich auch noch an die Zeit vor 94. Unbeheizte Züge mit vollgeschissenen Toiletten, das unfreundlichste Personal der Welt (typisch ÖD), sehr umständliche Verbindungen, Null Service usw. . Ich gebe aber zu die Perspektive ist eher ostdeutsch. Wir haben hier bei uns übrigens einen privaten Anbieter die ODEG mit der ich eigentlich sehr zufrieden bin und die mich zuverlässig und pünktlich ins Büro bringt. Es gibt also immer solche und solche Beispiele wie eine Privatisierung laufen kann.

    • @jox:

      Danke für Ihre Fleißarbeit.

      In diesem Land wird so wenig gestreikt. Geschieht dann doch einmal, sagen die Arbeitgeber, der Streik wäre unpassend und käme zur falschen Zeit.

      Und es wird behauptet, der Streik hätte einen anderen Zweck, als der angegebene.

      Ein Gutteil der Medien und der Öffentlichkeit plappert das dann nach.

      Es darf also nur noch gestreikt werden, wenn es für die Arbeitgeber OK ist.

      Vielleicht sollte das Forum aus Solidarität mit der GDL auch streiken. Das merkt dann zwar keiner, wäre aber vielleicht ein gutes Gefühl.

  • Neben der, von der Bahn, gekündigten Betriebsrente, soll in Zukunft nur noch ein Tarifvertrag gelten, der mit der jeweils größten Gewerkschaft, hier EVG, abgeschlossen wurde. Diese nahm die Kündigung der Betriebsrente einfach hin.... Dieses "Tarifeinheitsgesetz" muss die Regierung anpassen.

    • @Guruji:

      Das stimmt nicht. Die EVG hat in ihrer Tarifeinigung mit der Bahn für dieses Thema eine Lösung gefunden. Das wird leider bei dem ganzen EVG-Bashing vergessen.

  • Ich vermisse den sehr wichtigen Hinweis, dass die Bahn zum 1.1.2021 die Betriebsrenten gekündigt hat. Dafür würde ich auch streiken.