Tagebuch aus Lützerath (2): Schluss mit Gute-Laune-Aktivismus
Der Energiekonzern RWE will den Weiler Lützerath abreißen. Die Polizei kommt gefühlt immer näher. Barrikaden werden gebaut.
G estern habe ich noch drüber nachgedacht, was ich tue, wenn die Polizei das besetzte Dorf, in dem ich seit ein paar Tagen lebe, stürmt. Die Frage schien mir da noch weit weg, am Montag fühlt sie sich schon realer an.
Am Abend zuvor hatte Greenpeace um Hilfe gebeten, weil sie fürchteten, dass ihre Container an den Holztoren von Lützerath geräumt werden. Meine Mitbewohner:innen wollten sich darum kümmern, dass Greenpeace bleiben kann und RWE nicht schon vor der geplanten Räumung in gut einer Woche Vorbereitungen treffen und „schweres Gerät“ vor dem Camp aufbauen kann. Was auch immer das heißen mag.
„Bullen im Camp!“, rief vorhin jemand vor dem Holztor auf der Straße. Die gehört zwar RWE, ist aber gleichzeitig auch der Eingang zum Dorf. Und genau jetzt muss der Bagger seine Schaufel direkt in Richtung des Hauses richten, in dem ich schlafe. Eine vermummte Person deutet auf mich, beginnt zu lachen, und ich merke, dass es Zeit wird, meinen Mund zu schließen.
Kompromiss klingt wie Schoki für Bahnverpätung
Ein Polizist stellt sich zwischen die Aktivist:innen und bittet um Aufmerksamkeit. „Ihr habt uns gar nichts zu sagen!“, schreit ein Maleranzug ihm entgegen. Irgendwie führt dieses Gespräch zu nichts, denke ich. Der nette Polizist probiert es noch einmal und redet jetzt wie ein ambitionierter Fundraiser. „Folgender Vorschlag“, sagt er. „Ihr zieht euch zurück, wir auch ein Stück und wenn ihr kooperiert, haben wir im Idealfall nachher die Straße frei.“ Dort liegen im Moment Barrikaden aus Holz und Pflastersteinen.
Guter Versuch, aber das klingt bei dieser Besetzung ungefähr so reizvoll wie ein Stück „Lieblingsgast“-Schokolade der Deutschen Bahn, wenn man drei Stunden vor Kassel-Wilhelmshöhe im Zug feststeckt. Oder um es mit den Worten des Maleranzugs zu sagen: „Euer Idealfall ist unser Worst Case!“
Später am Vormittag kommt die Info, dass die Polizei das ganze Dorf heute noch nicht räumen wird. Auf der Straße bricht eine Holzbarrikade und ich ziehe mich in den Greenpeace-Container zurück. „Jetzt ist hier Schluss mit Gute-Laune-Aktivismus“, sagte jemand auf der Straße. Kurz darauf brennt eine Barrikade. Eine Reihe Polizist:innen ist dann doch mit Schildern und Knüppeln ein kleines Stück vorgerückt.
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