Tag der offenen Tür bei Schinkel: Neugotisches Kleinod ist gerettet
Nach acht Jahren Reparaturzeit öffnet die Friedrichwerdersche Kirche, die durch Bauarbeiten beschädigt wurde, ihre Tore wieder.
Von einem „großen Freudentag“ spricht Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, und das ist gewiss nicht übertrieben. Denn die Friedrichswerdersche Kirche von Karl Friedrich Schinkel, von den Nobelbauten an ihrer Seite arg in Mitleidenschaft gezogen, ist nach acht Jahren Bauzeit wieder repariert.
Am Wochenende laden die Staatlichen Museen zu Berlin, die die Schinkelkirche als Museumskirche betreiben, zu Tagen der offenen Tür. Im September soll das Museum dann wieder regulär geöffnet sein. Später wird dann auch die „Prinzessinnengruppe“ von Johann Gottfried Schadow zurück kommen. Der berühmte Gipsabdruck zeigt Königin Luise und ihre Schwester Friederike von Preußen als junge Prinzessinnen.
Die Freude über die Wiedereröffnung der von 1824 bis 1830 gebauten einschiffigen Kirche mit ihren beiden Türmen ist so groß wie das Entsetzen gewesen war, als vor acht Jahren der Bau von Luxusapartments der Bauwert-Gruppe zu schweren Schäden im Fundament der Kirche geführt hatten. Fingerdicke Risse gingen damals bis zum Gewölbe, das einzustürzen drohte.
Bei seinem Amtsantritt hatte der für den Denkmalschutz zuständige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) von einer „Vollkatastrophe“ gesprochen, für die „eine rücksichtslose Verkaufs- und Baugenehmigungspolitik“ der Behörden verantwortlich gewesen sei. Zeitweilig stand sogar zu befürchten, dass die Schäden so groß sind, dass die Kirche dauerhaft geschlossen bleiben müsste. „Ein Teil des Gebäudes hatte sich abgesenkt wie in einem Erdbebengebiet“, sagt Ralph Gleis.
Die zwischen 1824 und 1830 nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel gebaute Friedrichswerdersche Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt. Von 1979 an wurde sie einschließlich der Innenräume restauriert und zur 750-Jahr-Feier in Ostberlin wiedereröffnet. Seitdem ist sie auch Museumskirche.
Sie ist die einzige Kirche Schinkels, deren Innenraum dem ehemaligen Erscheinungsbild entspricht. Im Jahr 2012 wurden Fundament und Gewölbe durch Bauarbeiten an den Nachbargrundstücken beschädigt. (wera)
„Die Statik ist wiederhergestellt“
Zu diesem GAU ist es nicht gekommen. Stattdessen gab es die größte anzunehmende Rettung. „Die Statik ist wiederhergestellt“, versichert Museumsleiter Gleis. Die Sanierungsarbeiten, die nun nach acht Jahren abgeschlossen sind, wurden von der Bauwert finanziert. Auf welche Summe sie sich belaufen, konnte Gleis am Dienstag bei der Vorbesichtigung für die Presse nicht nennen. Bei der Sanierung habe auch der Konservator mitgewirkt, der die Kirche 1987 zur 750-Jahr-Feier in Ostberlin restauriert habe.
Die ursprünglich klassizistisch geplante, dann aber auf Wunsch des preußischen Hofes „altdeutsch“, also neogotisch gebaute Kirche, ist die einzige Kirche Schinkels, deren Innenraum im Original erhalten ist. Und sie steht auch für das besondere Verhältnis zwischen Architektur und Bildhauerei, sagt Yvette Deseyve, die als Kuratorin für die künftige Skulpturenausstellung verantwortlich ist. „Beide Schwesternkünste beschäftigen sich mit dem Raum“, sagt sie, „die Architektur als raumgebend, die Bildhauerei als raumfordernd.“ Schinkel habe sich intensiv mit dem Thema der Präsentation von Skulpturen und den Lichtverhältnissen in der Kirche auseinandergesetzt.
Deseyve legt aber Wert darauf, dass die neue Ausstellung nicht identisch sei mit der, die bis 2012 in der Kirche zu sehen war. „Wir wollen zeitlich etwas zurückgehen und zeigen, dass die Berliner Bildhauerschule um Schadow auf französische, aber auch auf römische und antike Einflüsse zurückgriff“, sagt die Kuratorin. Nach Schinkels Zeit solle darüber hinaus gezeigt werden, welche Wege von der Berliner Schule in Richtung der Moderne führen.
Klassizistischer Kontrast zum Hohenzollernschloss
Schon jetzt ist dagegen die Ausstellung auf der Galerie der Kirche zu sehen, die dem Berliner Werk Schinkels gewidmet ist. Neben unrealisierten Entwürfen wie dem eines Kaufhauses werden dort auch jene Bauten gezeigt, die die nähere Umgebung der Kirche prägen: die Neue Wache und das Alte Museum. Wenn dann auch noch die Bauakademie – in welcher Form auch immer – errichtet sein wird, ist das Schinkel-Quartier in der Berliner Mitte perfekt und ein angenehmer klassizistischer Kontrast zum wiederaufgebauten Hohenzollernschloss.
Auch bei den Lichtverhältnissen können die Staatlichen Museen zu Berlin Entwarnung geben. „Wir hatten die Befürchtung, dass die Nachbargebäude die Fenster der Kirche beschatten“, sagt Ralph Gleis. Weil der Neubau daraufhin im obersten Stock etwas zurücktrat, seien diese Befürchtungen nicht eingetreten. Gleis spricht von einem „Erweckungserlebnis“, das er hatte, als er vor zweieinhalb Jahren sein Amt angetreten hatte und erstmals auf das Baugerüst gestiegen war. „Es war ein sonniger Tag, und ich sah, wie das Licht in die Kirche fiel.“
Noch bis 2025 läuft der Pachtvertrag zwischen der Alten Nationalgalerie und der evangelischen Kirche. „Danach müssen wir sehen, wie es weitergeht“, sagt Ralph Gleis. Aber immerhin wissen wir nun: Es geht weiter.
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