TV-Duell Biden gegen Trump: Die Letzten ihrer Art
Die US-Präsidialdebatte ist geradezu symbolisch für die alternden westlichen Demokratien. Sie wissen sich schon viel zu lange nicht mehr zu erneuern.
D ie Präsidialdebatte 2020 zwischen Donald Trump und Joe Biden war der Anfang vom Ende des Patriarchats. Es ist höchste Zeit für westliche Demokratien, sich nicht mehr an den gealterten Patriarchen festzuklammern, sondern Wege aus der Erstarrung zu suchen.
Biden und Trump repräsentieren mit ihren Worten, Gesten und Geisteshaltungen all das, was nicht mehr in die Zukunft gerettet werden sollte: überkommene Vorstellungen von Stärke, Dominanz und Macht, die krasse Unfähigkeit zum Dialog bei gleichzeitig messianischem Selbstbewusstsein. Auch der Moderator Chris Wallace gehört derselben Generation an: Als Trump die neofaschistische Organisation „Proud Boys“ nicht verurteilt, fragt Wallace nicht nach und offenbart so, wie wenig er dem Wahnsinn, der sich vor ihm abspielt, etwas entgegenzusetzen hat.
Nichts an diesem Schaukampf ist überraschend oder erschreckend. Die Debatte ist geradezu symbolisch für die alternden westlichen Demokratien, die sich schon viel zu lange nicht mehr zu erneuern wissen. Trump und Biden stehen nicht nur für sich. Sie stehen auch für große Teile der Bevölkerung, die nicht von den Bildern ihrer Vergangenheit lassen können. Die etablierte, doch im Denken wesentlich jüngere Elizabeth Warren war der demokratischen Wählerschaft nicht zumutbar, was zeigt: Nicht nur Trumps Wählerschaft ist ein Problem. Warren hätte nicht weiterregiert wie eine alte Patriarchin, wie etwa Hillary Clinton. Warren war mit klugen und innovativen Ideen in den Vorwahlkampf gezogen. Doch Innovation scheint den westlichen Demokratien derzeit nicht zumutbar. Das gilt auch für Deutschland.
Die Ältesten können sich nicht länger als Gestalter unserer Zukunft aufspielen; sie hatten ihre schon. Doch viele Jüngere verstehen zwar Inhalte, wollen aber von Macht nichts wissen. Aktivismus ist kein Ersatz für Teilhabe am politischen System. Wie konnten die Jüngeren zulassen, dass da zwei im Kopf so träge alte Männer stehen und nach dem mächtigsten Amt der Welt streben? Wie wäre es, wenn diese TV-Debatte die letzte ihrer Art wäre?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball