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Syrischer Ex-Diktator im ExilAssads armseliger Abgang

Karim El-Gawhary
Kommentar von Karim El-Gawhary

Der Sturz von Assad hat einen entscheidenden Haken. Er wird sich im russischen Exil niemals vor einem Gericht verantworten müssen.

Von dem Diktator bleibt ein zusammengerollter Teppich im Präsidentenpalast von Damaskus Foto: Amr Abdallah Dalsh/reuters

A ls der gestürzte syrische Diktator Baschar al-Assad in Damaskus abhob, flog er nicht nur Richtung Russland, sondern auch seiner eigenen Bedeutungslosigkeit entgegen.

Sein Flugzeug verschwand im wahrsten Sinne des Wortes vom Radar. Er tauchte erst wieder auf, als russische Staatsmedien verkündeten, er sei in Moskau und erhalte dort Asyl.

Nach 24 Jahren brutaler Herrschaft ist es sicherlich nicht einfach zu verdauen, wenn das Selbst so plötzlich in die Bedeutungslosigkeit wandert.

Dafür ist Assad das Schicksal anderer geschasster arabischer Autokraten, wie Muammar al-Gaddafi in Libyen oder Saddam Hussein im Irak, erspart geblieben: Im Gegensatz zu ihnen ist er mit dem Leben davongekommen.

Assad entkommt internationalem Gericht

Doch sein Abgang ins Exil in der Russischen Föderation hat für die Syrerinnen und Syrer, die jetzt ihre Befreiung feiern, einen entscheidenden Haken: Der syrische Diktator a. D. wird sich wohl niemals vor einem internationalen Gericht für seine massenhaften Verbrechen verantworten müssen.

Während er jetzt in Moskau im Exil sitzt, durchsuchen die Rebellen immer noch das berühmt-berüchtigte Sednaya, das größte Gefängnis in der Umgebung von Damaskus, nur etwa 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegen.

Sie suchen nach geheimen unterirdischen Gängen, aus Angst, dass bei der Befreiung aus Assads Kerkern noch Gefangene vergessen worden sein könnten.

Diese Sorgen sind berechtigt: Ein vielfach in den sozialen Medien geteiltes Video soll eine Reihe von Bildschirmen in Sednaya zeigen: Man könne die Gefangenen auf den Überwachungsaufnahmen sehen, wisse aber nicht, wo in dem Komplex sie sich befänden.

Endlich raus aus den Folterzellen

„Hinter der Sonne“, heißt es auf Arabisch, wenn man so lange weggesperrt wird, dass sich kaum mehr jemand an ei­ne:n erinnern kann. Manche der in den letzten Tage Befreiten kannten noch nicht einmal ihren Namen. Niemand weiß, wie viele Menschen von Assad „hinter der Sonne“ vegetiert haben.

Viele von ihnen sind in den Folterzellen des Regimes zu Tode gekommen. Allein in Sednaya, das unter den Syrern auch als „das Schlachthaus“ bekannt ist, sollen zwischen 2011 und 2018 mehr als 30.000 Menschen ermordet worden sein.

Man hätte den Syrerinnen und Syrern gegönnt, dass der oberste Schlächter sich gerichtlich verantworten muss. Für viele wäre es eine Frage der Genugtuung und der Gerechtigkeit, Assad auf einer internationalen Anklagebank sitzen zu sehen. Solange er in Moskau ist, bleibt dieser wichtige Teil der Aufarbeitung und Heilung aber wohl auf die lange (Anklage-)Bank geschoben.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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14 Kommentare

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  • "Im Gegensatz zu ihnen ist er mit dem Leben davongekommen." Abwarten. Der Mann befindet sich in einem Land, in dem auch Freunde sehr plötzlich aus dem Fenster fallen, sobald es Wladimir für opportun hält

  • Abwarten. Putin ist 13 Jahre älter als Assad und wird mit größter Wahrscheinlichkeit deutlich früher sterben als Assad. Ein Putin-Nachfolger hat dann ein Russland zu führen, das vor dem wirtschaftlichen Kollaps steht - Langzeitfolge von Sanktionen und der totalen Abhängigkeit von fossiler Energie, für die die Nachfrage bald sinken wird. Gleichzeitig dürfte ein Putin-Nachfolger keine persönliche moralische Verpflichtung zum Schutz von Assad sehen. Irgendeinen Nutzwert hat der nunmehr machtlose Assad für ihn dann ohnehin nicht mehr zu bieten.

    Ich denke, dass die Chancen dann gut stehen, dass Assad bzw. dessen Auslieferung zur Verhandlungsmasse Russlands gegenüber dem Westen wird.

    • @GuidoH:

      Hoffentlich! Die Nachrichten aus den Folterkerkern des Assad-Regimes verursachen bei mir Albträume...... Man sollte ihn nach Syrien schicken und der Verachtung seiner Landsleute auf Lebenszeit ausliefern. Unter den selben Lebensbedingungen, wie sie seine Landsleute seit Jahren erleben.

    • @GuidoH:

      Realistische Einschätzung.

      Der ICC, Syrien, Deutschland (Universale Gerichtbarkeit) können Assad belangen. Dann braucht es dort nur ein Regimewechsel, oder Opportunität der Machthabenden in Russland.

  • Es ist, bei aller berechtigten Abscheu gegen Assad, ein sinnvolles Momentum der internationalen Politik, dass Diktatoren bei Machtverlust irgendwohin gesichert abhauen können, damit keine weiteren Bürgerkriegsszenarien entstehen. So auch hier.

  • Das ist immer das Problem der Realität:



    - Kann sich ein Diktator irgendwohin zurückziehen, dann hat er einerseits keine Strafe zu fürchten. Gerechtigkeit leidet.



    - Andererseits kann es gerade das sein, was den Diktator und seine Umgebung dazu bringt, nicht bis zum Letzten zu kämpfen. Und dadurch viele Leben retten.

  • "Der Sturz von Assad hat einen entscheidenden Haken. Er wird sich im russischen Exil niemals vor einem Gericht verantworten müssen."



    Das ist bitter, aber das haben viele andere auch nicht. Das Leben ist ungerecht. Hauptfokus sollte darauf liegen, Syrien zu einem lebenswerten Staat zu machen.

  • Die Rebellen machen alles chaotisch und lassen Archive und Behörden unbewacht. Dass einige von denen abbrennen, deutet wohl eher darauf hin, dass die Leute, die da gearbeitet haben, das vielleicht anzünden.

    Assad gehört vor Gericht, aber er wird nicht vorgeführt, sondern er kann sich entziehen. Er weiß auch sehr viel, Russland behält den lieber unter Aufsicht ....

    Bleiben wir positiv: Teheran könnte auch fallen. Iran ist stark geschwächt und im Libanon könnte die Hizbullah ihren Sonderstatus verlieren. Es könnte deutlich friedlicher werden, auch wenn Assad davon kommt.

  • "Der syrische Diktator a. D. wird sich wohl niemals vor einem internationalen Gericht für seine massenhaften Verbrechen verantworten müssen."

    Warum?

    Hängt der Puppenspieler, hängt die Marionette.

  • "Man hätte den Syrerinnen und Syrern gegönnt, dass der oberste Schlächter sich gerichtlich verantworten muss. Für viele wäre es eine Frage der Genugtuung und der Gerechtigkeit, Assad auf einer internationalen Anklagebank sitzen zu sehen. "

    Trauen wir den Menschen in Syrien nicht zu selbst Gericht über ihn halten zu können? Warum muss das eine internationales Gericht sein? Selbst Saddam Hussein wurde von irakischen Gericht verurteilt, trauen wir ähnliches den Syrischen Menschen nicht zu, oder ist es nur für uns selbst dass wir uns dann gut fühlen können, weil wir auch was getan haben während unsere Unterstützung davor "gering" gewesen ist?

  • Gemach, gemach! Erstens ist auch das Putin-Regime wackeliger als man im Westen denkt. Zweitens sind Flugtickets nach Moskau günstig zu haben, arabische Clans recht nachtragend und Waffen in Russland leicht zu bekommen. Und drittens weiss Assad genug zu viel, um jederzeit aus dem Fenster fallen zu können, wenn's dem Führer des russischen Faschismus so gefällt. In Sicherheit leben wird der niemals wieder.

  • "Er wird sich im russischen Exil niemals vor einem Gericht verantworten müssen."

    Der Autor scheint die Zukunft ja sehr genau zu kennen. Wir sehen ja derzeit, wie schnell es mit sicher geglaubten Systemen vorbei ist und selbst wenn Herr Putin an der Macht bleiben sollte ist nicht sicher, dass das Asyl auf Lebzeiten gewährt wird. Richtig sicher wird Herr Assad nie sein können.

  • Man kann wirklich nur hoffen, dass dieser Verbrecher-Clan seine gerechte Strafe bekommt, aber wie soll diese bei der Unzahl von Verbrecher, Morden, Verfolgungen Unschuldiger wohl aussehen? Man sollte ihn nach Syrien schicken und der Verachtung seiner Landsleute aussetzen.

  • A propos Radar: Putin hat doch bestimmt schon einer ganzen Sammlung abgehalfterter Potentaten wie Janukowitsch und Assad Asyl gespendet, wobei Leute wie Janukowitsch noch ein gewisses Drohpotenzial darstellen nach dem Motto "Wehe den Besiegten", mit dem Putin der Ukraine einen bösonders perfiden Sieg androht, mit Rückkehr seines Asylanten an die Macht. Auch in Syrien gibt Putin seine Militärpräsenz nicht auf, und wehe die neue Regierung duldet sie nicht, denn dann wird Putin drohen, Assad zurück an die Macht zu bringen. Ein Vorrat potenzieller Marionetten - für die "pax rossia", einem System drakonischer Völkerknechtung!