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Syrien-KonferenzDeutsche Doppelstandards

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Westen stellt Syrien eine Reihe von Forderungen, dabei braucht das Land erst mal das Nötigste. Die Sanktionen müssen endlich fallen.

In einem Vergnügungspark im syrischen Douma am 2. Januar Foto: Zohra Bensemra/reuters

D eutschland unterstützt in Syrien einen friedlichen Übergang hin zu einem inklusiven politischen System, das allen Gruppen der syrischen Gesellschaft Rechte und Teilhabe einräumt. Das erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Sonntag am Rande der internationalen Syrien-Konferenz. Die Konferenz fand in Saudi-Arabien statt – nicht gerade bekannt für ein inklusives politisches System, das allen Gruppen Rechte und Teilhabe einräumt.

Saudi-Arabiens fundamental-islamische Monarchie erhält von Deutschland nicht mahnende Worte, sondern Kampfjets. Ohne Gegenstimme wurde ihr sogar im Dezember von der Fifa die Fußball-WM 2034 zugesprochen. Syrien hingegen wartet weiter auf ein Ende der internationalen Sanktionen, die einst verhängt wurden, weil Diktator Baschar al-Assad die syrische Bevölkerung massakrierte. Assad wurde im Dezember gestürzt, womit die Grundlage für die Sanktionen entfallen ist, aber egal, dann gibt es eben eine neue.

„Jetzt ist es an der Zeit für Syriens neue Führung, die Hoffnungen einzulösen, die sie geschaffen hat, mit einem friedlichen und inklusiven Übergang, der alle Minderheiten schützt“, erklärte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Saudi-Arabien. Die Menschen in Syrien verbinden das Einlösen der Hoffnungen zunächst einmal damit, dass sie jetzt ohne Angst leben können.

Warum wird diese Errungenschaft der Befreiung nicht gewürdigt? Sie brauchen Strom und erschwingliches Essen. Wie soll das gehen, ohne Importe und Investitionen? Die USA haben immerhin einige Sanktionen ausgesetzt. Deutschland windet sich: Die Zivilbevölkerung brauche „Erleichterungen“, heißt es, aber die Sanktionen „müssen bleiben“.

Statt ein Staatswesen nach westlichem Vorbild zu gründen, um westliches Geld zu bekommen, könnte Syriens Regierung auch ein Staatswesen nach saudischem Vorbild gründen und dafür saudisches Geld bekommen. Wahrscheinlich bekäme sie sogar mehr. Europa kann diesen Wettbewerb nicht gewinnen. Es sollte ihn gar nicht erst starten. Die Sanktionen müssen fallen. Bedingungslos und sofort.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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3 Kommentare

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  • Warum nicht mal noch weiter fragen, ob die Sanktionen also 13 Jahre lang die (Zivil-)Bevölkerung getroffen haben? Assad musste nie etwas entbehren - und leidet wohl auch keine Not in Moskau.



    Die Syrerinnen und Syrer aber wurden seit 2011 bestraft für die „falsche“ Regierung (dass Geopolitik amoralisch ist, wäre mal noch ein eigenes Kapitel). De facto wurde alles getan, um den ganz normalen Menschen dort zu schaden, wo es ging.

    • @Earl Offa:

      Das sehe ich genauso und zahlreiche Studien haben nachgewisen das Sanktionen nicht viel bringen und oft sogar eine kollektive Bestrafung darstellen, weil sie häufig die Bevölkerung treffen und nicht wirklich die Machthaber.



      Hier mal eine das Ergebnis von 30 Studien zusammengefasst: cepr.net/publicati...nomic-sanctions-2/



      Und die Doppelmoral der deutschen Regierung ist doch schon seit langem Standard v.a. im Nahen Osten und man hat hier zumindest in meinen Augen jegliches Vertrauen oder auch Integrität verloren. Aber für die Wirtschaft ist man eben bereit das zu verkaufen. Ich frag mich ja immer noch wo denn die feministische und wertegeleitete Aussenpolitik ist, die Frau Baerbock versprochen hat. Was ich in den letzten Monaten gesehen habe, ist dass deutsche Politiker wieder das Leben und die Sicherheit von einer Gruppe höher schätzen als das von anderen, das sie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kleinreden oder leugnen und internationales Recht scheinbar nur für andere gilt nicht aber für uns und unsere westl. Verbündeten- nein wir folgen der regelbasierten Weltordnung-Regeln für uns und Regeln für die andere.