Südkoreas Präsident Lee Jae Myung: Trump erfolgreich zugeschleimt
Südkoreas Präsident hat Donald Trump im Weißen Haus mit dessen eigenen Waffen geschlagen – und ihn bis zum Fremdschämen über alle Maßen gelobt.

Schlimmer hätten die Ausgangsvoraussetzungen für den Washington-Besuch von Lee wohl kaum ausfallen können. „Meine Mitarbeiter waren besorgt, dass wir eine Art Selenski-Moment erleben könnten“, sagte er nach dem Gipfeltreffen in Anspielung auf die Demütigung, die der ukrainische Staatschef im Frühjahr im Weißen Haus erdulden musste.
Doch Lee blieb locker, denn er hatte laut eigener Aussage seine Hausaufgaben gemacht – und Trumps 1987 erschienene Memoiren „The Art of the Deal“ gründlich studiert. Es folgte ein schamloses Einschmeicheln, das wohl kein Staatschef zuvor so extrem auf die Spitze trieb.
Lee lobte Trump für die „glänzende“ Einrichtung seines Oval Office. Für die Rekordwerte des Dow Jones. Für den Wiederaufbau der Industrie in den USA. Und dafür, als Friedensmacher etliche globale Konflikte gelöst zu haben. „Unter den vielen Staats- und Regierungschefs der Welt sind Sie meiner Meinung nach der Einzige, der solche Erfolge vorweisen kann“, sagte Lee mit strahlendem Lächeln.
Wie wär’s mit Trump Tower und Golfplatz in Pjöngjang?
Mit derselben Strategie versuchte er auch Trump für seine Annäherungspolitik gegenüber Nordkorea einzuwickeln. Denn der Immobilien-Tycoon könne ja, so Lee, in Pjöngjang einen Trump Tower errichten, ja sogar einen Golfplatz.
Ohne Frage war die heuchlerische Einschmeichelungstaktik des Gasts aus Südkorea teilweise zum Fremdschämen. In seiner Heimat ist Lee schließlich unter Konservativen als „anti-amerikanisch“ verschrien. Doch ging die Strategie des netten Herrn Lee auf.
Denn Trump vermied auf einmal sämtliche Streitthemen zwischen den Alliierten: Etwa, dass Südkorea plant, seine Handelsbeziehungen mit China auszubauen. Dass Washington von seinem Verbündeten fordert, mehr für die Sicherheitsgarantien und die dort 28.500 stationierten US-Soldaten zu zahlen. Oder, dass Seoul jedes Jahr einen riesigen Handelsüberschuss gegenüber den USA erzielt. Am Ende wurde sämtlicher Zwist einfach weggelächelt.
Doch werden sich die schwelenden Konflikte wohl nicht auf ewig übertünchen lassen. Tatsächlich steht die „eiserne Allianz“ zwischen Südkorea und den USA, die bis in den Koreakrieg (1950-53) zurückreicht, vor einer Neuausrichtung. Südkorea konnte einst unter der US-Schutzmacht vom bitterarmen Agrarstaat zur führenden High-Tech-Nation aufsteigen.
Doch hat Trump nicht nur die Südkoreaner mit 15-prozentigen Strafzöllen verschreckt, sondern möchte, dass sie stärker für ihre eigene Sicherheit sorgen. Derzeit liegen ihre Verteidigungsausgaben bei 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Trump: China auch mit US-Truppen in Südkorea eindämmen
Zudem möchte Trump das in Südkorea stationierte US-Militär nicht mehr nur darauf beschränken, Nordkorea abzuschrecken, sondern sich vor allem auf die Eindämmung Chinas fokussieren. US-Verteidigungspolitik-Untersekretär Elbridge Colby erklärte kürzlich: „Ein Konflikt mit China ist nicht unvermeidbar, aber sehr wahrscheinlich.“
Doch insbesondere Südkoreas Linke, zu der Präsident Lee gehört, möchte nicht in einen Konflikt der Weltmächte hineingezogen werden. Lee fährt deshalb mehrgleisig: Er hält die USA als Sicherheitspartner bei der Stange, versucht den Handel mit China auszubauen, sich gleichzeitig an Japan anzunähern und dazu noch eine Friedensinitiative mit Nordkorea zu starten. Eine diplomatische Quadratur des Kreises, die wegen der hoch polarisierten geopolitischen Großwetterlage kaum aufgehen dürfte.
Zumindest in Washington hat Lee es geschafft, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Als Trump am Ende der gemeinsamen Pressekonferenz noch einmal auf sein wütendes Online-Posting angesprochen wurde, nach dem in Südkorea derzeit „eine Säuberung stattfinden“ würde, winkte er nur gleichgültig ab: Es habe sich offenbar bei dem „Gerücht“ nur um ein „Missverständnis“ gehandelt.
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