Studie zu Rassismus in der Polizei: Mehr als nur Einzelfälle
Lange wurde über die Polizeistudie gestritten, seit zwei Jahren geforscht. Nun liegen erste Ergebnisse vor – die teils bedenklich sind.
Nun gibt es erste Ergebnisse der sogenannten „Megavo“-Studie, der Zwischenbericht liegt der taz vor. Und er gibt nur zum Teil Entwarnung. Seit März 2021 hatte ein Forschungsteam um die Strafrechtsprofessorin Anja Schiemann von der Deutschen Hochschule der Polizei teilnehmende Beobachtungen in 26 Dienststellen absolviert, Expert:innen befragt und Onlinefragebögen an alle Polizeibehörden bundesweit verschickt. Exakt 50.825 Fragebögen kamen zurück, was eine Rücklaufquote von 16 Prozent bedeutet – und damit die bisher größte Stichprobe in der Polizeiforschung. Einzig Hamburg und Baden-Württemberg verweigerten eine Teilnahme – Personalräte hatten davon eine Stigmatisierung befürchtet.
Als Motiv der Berufswahl erklärten die meisten Befragten das Gemeinschaftsgefühl und die vielen Tätigkeitsoptionen in der Polizei. Mit ihrer Arbeit zeigt sich die Mehrheit zufrieden. Als Belastungen wurden unplanbare Dienstzeiten, ein Mangel an Ausstattung und Personal sowie die weitere Strafverfolgung durch die Justiz benannt. Auch Gewalt wurde beklagt. So erklärten zehn Prozent der Befragten, schon mehr als drei Mal körperliche Gewalt mit höherem Verletzungsrisiko erfahren zu haben.
Abgefragt wurden auch die Einstellungen der Polizist:innen – was an die Ursprungsidee der Studie anknüpft. Hier ordnen sich die meisten Befragten auf einer Links-rechts-Skala mittig ein, mit Tendenz nach rechts. Bei den abgefragten Einstellungen orientierten sich die Forscher:innen an den bekannten Autoritarismus- und „Mitte“-Studien aus Leipzig und Bielefeld. Und hier zeigen die Polizeikräfte zumindest bei Muslim:innen und Wohnungslosen eine höhere Ablehnung als die Gesamtbevölkerung.
Höhere Ablehnung von Muslimen und Wohnungslosen
Auch die Zustimmung zu einzelnen Aussagen lassen aufhorchen. So stimmten 15 Prozent der befragten Polizist:innen voll oder eher dem Satz zu, dass Demokratie „eher zu faulen Kompromissen“ führe. Ebenso viele erklärten, es lebten „zu viele Ausländer“ in Deutschland. 21 Prozent fanden ganz oder eher, Asylsuchende kämen nur hierher, „um das Sozialsystem auszunutzen“. Und 17 Prozent fühlten sich ganz oder eher „durch die vielen Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“.
Ein geschlossenes, menschenfeindliches Weltbild sehen die Forscher:innen indes nur bei einer „sehr kleinen Gruppe“ von unter einem Prozent der befragten Polizist:innen. Gleichzeitig betonen aber auch sie, dass es „mehr als nur Einzelfälle“ seien, die Einstellungen zeigten, die „kaum mit den Leitbildern der Polizei in Einklang zu bringen“ seien.
Viele Polizist:innen äußerten sich indifferent
Als problematisch wird auch der große Graubereich von 40 Prozent der Befragten bezeichnet, der sich in Teils-teils-Angaben flüchtete, statt klar demokratische Positionen zu vertreten. Zudem berichteten etliche Befragte auch von internem Fehlverhalten. So erklärten 42 Prozent, dass sie im Dienst sexistische Äußerungen erlebten. Ein Drittel notierte diskriminierende, ausgrenzende oder rassistische Aussagen.
Endgültige Ergebnisse will die Studie bis Ende August 2024 vorlegen. Schiemann hatte zu Studienbeginn im taz-Interview betont, dass ihre Forschung unabhängig sei, auch wenn das Projekt vom Innenministerium gefördert wird. Auch der Zwischenbericht soll dem Ministerium nur vorgelegt worden sein, ohne dass dieses zuvor Einfluss nahm. Seehofer hatte in der damaligen Diskussion bereits betont, dass für ihn klar sei, dass 99 Prozent der Polizeikräfte verfassungstreu seien.
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