Studie zu Rassismus in der Polizei: Thema glatt verfehlt
CSU-Innenminister Seehofer will in Studien die Polizei durchleuchten lassen. Dabei stellt er aber die falschen Fragen.
D ie SPD hat versucht, einen Erfolg zu verkünden: Die Regierung werde nun endlich den Rassismus in der Polizei untersuchen lassen, sagte Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Montagabend. Er habe CSU-Innenminister Seehofer überzeugt, der sich lange geweigert hatte. Es fehle nur noch eine schöne Überschrift für die Studie. Gut verhandelt also? Wohl kaum. Denn das Vorhaben, das Horst Seehofer selbst einen Tag später ankündigte, ist nicht besonders neu, verfehlt das Thema und ist noch dazu frei von einem erkennbaren Erkenntnisinteresse.
Warum hält sich denn die Forderung nach einer Polizeistudie schon seit Monaten? Weil teils im Wochentakt Fälle von Rechtsextremismus und Rassismus in Polizeibehörden bekannt werden und sich daraus ungeklärte Fragen ergeben, wenn man das Problem tatsächlich angehen möchte. Zuvörderst würde man gern wissen: Wie weit verbreitet sind solche Einstellungen in der Polizei?
Seehofers Vorhaben wird darauf keine Antwort liefern. Er will erstens noch mal genauer auf die Motive rechtsextremer Polizist*innen schauen, die bereits aufgeflogen sind. Das ist löblich, taugt aber nicht dazu, die Dunkelziffer aufzuklären. Seehofer will zweitens eine Studie zum Rechtsextremismus in der Gesamtgesellschaft in Auftrag geben. Da es solche Studien bereits gibt, könnte man darauf eigentlich verzichten – es sei denn, man möchte mit dem Verweis auf Rassist*innen in anderen Berufen das Polizeiproblem relativieren.
In einer weiteren Studie will Seehofer drittens untersuchen, welchen Härten Polizist*innen im Alltag ausgeliefert sind und – unter ferner liefen – wie man Rechtsextremismus in der Polizei verhindern könne. Diese beiden Aspekte zusammenzubringen kann natürlich sinnvoll sein: nämlich um zu prüfen, ob Praxiserfahrungen im Polizeiberuf dazu beitragen könnten, dass rassistische Einstellungen entstehen oder zunehmen. Eine offene Fragestellung sieht allerdings anders aus. Sie würde sich nicht auf eine mögliche Ursache beschränken, sondern auch andere, möglicherweise strukturelle Gründe in Betracht ziehen.
Seehofer ist an einer gründlichen Studie jedoch nicht interessiert. Er glaubt ja, schon Bescheid zu wissen: Aus dem Fehlverhalten Einzelner könne man kein strukturelles Problem ableiten, sagte er am Dienstag. Und 99 Prozent der Polizist*innen hätten mit Rechtsextremismus nichts am Hut. Woher er das wissen will? Aus einer Studie wohl kaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe