Studie zu Corona-Desinformationen: Facebook ist Superspreader
Das Netzwerk Facebook ist das größte Problem bei der Verbreitung von Desinformationen. Leider sind Journalist:innen auf die Plattform angewiesen.
E s ist ja immer wieder schön, wenn das eigene Bauchgefühl wissenschaftlich unterfüttert wird. Weniger schön ist allerdings das Thema. Es geht um Corona und Fake News. Dass hier die sozialen Netzwerke, vor allem Facebook, eine entscheidende Rolle spielen, ist längst nicht mehr nur so eine Ahnung. Laut einer jetzt veröffentlichten Studie des International Center for Journalists (ICFJ) und des Tow Center for Digital Journalism an der Columbia-Universität New York ist Facebook weltweit der Superspreader von Desinformation über Covid-19.
Für die seit April laufende Studie wurden über 1400 auf Englisch veröffentlichende Journalist*innen aus 125 Ländern befragt. 80 Prozent von ihnen sehen sich bei ihrer Arbeit laufend mit Fake News konfrontiert. Für zwei Drittel der Befragten ist Facebook in dieser Hinsicht der schlimmste Finger. Nun könnte man sagen: Weiß doch jedeR. Doch das Problem liegt tiefer. Denn über ein Drittel der Journalist*innen sagt gleichzeitig, sie seien mehr denn je auf Facebook und andere soziale Netzwerke angewiesen, um überhaupt an ihr Publikum heranzukommen.
Diesen Teufelskreis gibt es auch gleich noch doppelt. In der Pandemie ist nämlich die Abhängigkeit der Medien von den Ansagen und Maßnahmen offizieller Stellen, Behörden und der Politik ebenfalls gestiegen. Doch 46 Prozent der Befragten der ICFJ-Studie sagen, ausgerechnet Politiker*innen und andere offizielle Stellen seien „Top-Quellen für Desinformation“. Donald Trump ist also nicht allein. Außerdem sind das sind in erster Linie Ansagen aus einer englischsprachigen Medienwelt, in der die schlimmsten Schurkenstaaten in Sachen Pressefreiheit und Zensur nicht mal vorkommen.
Dazu passt leider auch, dass sich immerhin jedeR fünfte in der ICFJ-Studie befragte Journalist*in im Zusammenhang mit der Pandemie auch heftigeren Online-Angriffen und Hass als Reaktion auf die eigene Berichterstattung ausgesetzt sieht.
Um so dringlicher ist, dass Facebook & Co. endlich ernst machen und selbst energischer gegen Desinformationsspreader und Verschwörungsmaschinen in ihren Diensten vorgehen. Facebook und Instagram haben immerhin letzte Woche angekündigt, künftig alle Seiten und Gruppen zu löschen, die Verbindungen zur rechtsextremen QAnon-Bewegung haben. Das kann aber nur ein Anfang sein und ist wahrscheinlich too little, too late. Facebook und Instagram jetzt auch noch für diese Notbremsung zu loben, ist jedenfalls überhaupt nicht angebracht. Schließlich haben sie die längste Zeit der Verbreitung der absurd-bizarren Verschwörungstheorien Vorschub geleistet. Und zumindest das Baugefühl sagt, sie tun es in viel zu vielen anderen Bereichen immer noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen