Facebook verbannt QAnon-Gruppen: Das Hausrecht zu spät genutzt

Facebook will in Zukunft stärker gegen Anhänger*innen der QAnon-Verschwörungsbewegung vorgehen. Das wird nicht ausreichen.

Eine Menschenmenge mit Trump- und QAnon-Fanbekleidung

Trump-Anhänger tragen QAnon Foto: Elijah Nouvelage/Reuters

Der Megakonzern Facebook ist endlich einen längst überfälligen Schritt gegangen: Seit Dienstag löscht das Unternehmen Facebook-Seiten und -Gruppen, sowie Instagram-Kanäle, die zur rechtsextremen, verschwörungsmythenhörigen, gewaltbereiten und menschenverachtenden Gruppe QAnon gehören. Wäre die Social-Media-Plattform eine Kneipe, könnte man ab jetzt sehen, wie der Inhaber langsam durch die schmalen Gänge streift und Nazis rausschmeißt, die sich dort zum Stammtisch treffen und sich regelmäßig an andere Gäste ranwanzen, um ihnen etwas vom Deep State, vom Messias Donald Trump und von kinderschändenden Demokrat*innen zu erzählen. Aber der Wirt macht zu spät von seinem Hausrecht Gebrauch.

Der Ursprung der QAnon-Bewegung liegt drei Jahre zurück. Im Oktober 2017 postete ein User im Internetforum 4chan vermeintliche Insider-Informationen zu einem bevorstehenden Staatsputsch. Für Rechte wurde der Unbekannte, fortan „QAnon“ genannt, ein Prophet. Er predigte vom Putsch, der von Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft geplant werde, um die USA zu einer Diktatur zu machen. Und er predigte von Trump dem Helden, der alles stoppen könne, und von Gewalt. QAnon wurde zu einem Kult, der sich an rechten Verschwörungserzählungen bediente wie an einem Baukasten: ein bisschen Frauenhass, ein bisschen Deep State, seit 2020 ein bisschen Coronaleugnung und ganz wichtig: eine große Portion Antisemitismus.

Seit Mitte August geht Facebook bereits gegen QAnon-Grup­pen und -Seiten vor, die Gewalt androhen oder sich ­darüber austauschen. Insgesamt entfern­te Facebook innerhalb eines Monats nach eigenen Angaben 6.500 Seiten und Gruppen, 1.500 davon zählt es zu QAnon. Doch das allein hat offensichtlich nicht genützt. „Während wir QAnon-Inhalte entfernt haben, die Gewalt feiern oder unterstützten“, schreibt Facebook in dem Blogbeitrag, in dem auch die neuen Regelungen vorgestellt werden, „haben wir andere ­QAn­on-Inhalte gesehen, die in Zusammenhang stehen mit anderen Schäden in der realen Welt.“

Mit „realer Welt“ meint Facebook eigentlich die analoge, die ebenso real ist wie die außerhalb des Bildschirms. Sie befinden sich in einem steten Austausch, in einer Wechselwirkung. Als Beispiel führt Facebook die Waldbrände an der US-Westküste an, während derer teilweise wegen Verschwörungserzählungen von QAnon Löscharbeiten und die Rettung von Menschen behindert worden seien.

Neue rechte Strategien

Jedoch: Kein Wort über Drohschreiben an angebliche Anführer der erlogenen Verschwörung wie George Soros, Bill Gates, Barack Obama. Kein Wort über Familien, die auseinanderbrechen, weil Mitglieder ins Rechtsextreme abrutschen. Kein Wort über Attentäter, die QAnon-Jünger gewesen sind und Menschen getötet haben. Und auch kein Wort über die aktuellsten Versuche von QAnon den US-Wahlkampf zu beeinflussen.

Der Grund, warum Facebook nun stärker handelt: Die bisherigen Maßnahmen haben nicht geholfen. Auch weil QAnon, genauso wie andere gefährliche Akteure, sehr schnell begreift, wie sie Regeln umgehen können. Posts, die in kurzer Zeit ein großes Zielpublikum erreichen und dann gelöscht oder geändert werden, werden wenig später durch einen nächsten Post ersetzt. Und diese Strategie kann auch in Zukunft funktionieren.

Wenn die Nazis aus der Kneipe fliegen, werden sie sich mit Pappnasen und Trenchcoat im Schutz einer großen Gruppe hineinschleichen. Sie werden vielleicht nicht mehr ihre Flugzettel auf dem Tresen deponieren, aber sie werden uns ansprechen, sobald sie uns kurz alleine auf der Toilette treffen. Auf Facebook werden sie flüstern, neue Codes entwickeln, sich tarnen. So erreichen sie zwar weniger Menschen als bisher, aber auch wenn diese sich radikalisieren, ist das fatal.

Sich auf Facebook zu verlassen, auf die quasi Nazisonderermittler, das ist nicht drin. Wir müssen selbst widersprechen. Und das auch auf anderen digitalen Verbreitungswegen. Der größte deutsche Te­le­gram-­Kanal von QAnon hat 120.000 Abon­nen­t*innen. Nicht wenige von ihnen verstehen sich als Krieger im Kampf gegen die Verschwörer. Sie werden ihre Waffen nicht ablegen, nur weil Facebook sich eine neue Regel überlegt hat.

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