Wahlempfehlung von Zeitung „USA Today“: Jetzt mit Arsch in der Hose
Noch nie hat die Tageszeitung „USA Today“ eine Wahlempfehlung gegeben, obwohl das dort üblich ist. Nun bricht das Blatt mit seiner Tradition.
D ie Tageszeitung USA Today ist ein Unikum. Sie wurde erst 1982 gegründet und ist strenggenommen das einzige vom Konzept her landesweite Blatt der Vereinigten Staaten. Da gehört es zum guten Ton, sich nicht eindeutig festzulegen, um „nationwide“ anzukommen und sich in allen politischen Lagern zu verkaufen.
Daher gab es bei USA Today auch kein „endorsement“ bei Wahlen. Eigentlich ist das in der angelsächsischen Presse üblich. Doch 2020 ist auch bei USA Today alles anders. „Elect Joe Biden. Reject Donald Trump“, betitelt das Blatt das erste „endorsement“ seiner Geschichte. „Wenn es hier eine Wahl zwischen zwei geeigneten Kandidat*innen zweier Parteien gäbe, die bloß unterschiedliche politische Ansichten hätten, würden wir uns nicht festlegen“, schreibt das Herausgebergremium der Zeitung. „Aber das hier ist keine normale Wahl, und dies sind auch keine normalen Zeiten.“
Endlich. Bei den letzten Wahlen war Trump USA Today zwar auch schon reichlich suspekt. Aber zu einem klaren Bekenntnis fehlte es 2016 noch an Arsch in der Hose. Damals reichte es immerhin zu einem „Dis-endorsement“. USA Today empfahl also, Trump nicht zu wählen. Auch jetzt bleibt USA Today ein bisschen seiner Sowohl-als-auch-Haltung treu und hat ein Trostpflaster für Trumps Anhang: In der „Endorsement-Ausgabe“ darf auch Vizepräsident Mike Pence einen Artikel schreiben und Trump und sich „great“ finden.
Wenn es nach den „endorsements“ geht, steht Trumps Herausforderer Joe Biden ein Wahlsieg in astronomischem Ausmaß bevor. Die international bekannten und relevanten Titel sind eh alle auf seiner Seite. Nur das Wall Street Journal hat sich bislang nicht festgelegt. Was damit zusammenhängen könnte, dass sein Besitzer Rupert Murdoch heißt und Trump ohne Murdochs TV-Kanal Fox News kaum denkbar wäre. Pro Trump trommeln laut einschlägigen Listen im Netz gerade mal das Las Vegas Review-Journal und die kalifornische Santa Barbara News-Press.
Nun geht es bei der Bewertung von Trumps erster Amtszeit auch um seinen Umgang mit der Coronapandemie. Daher gibt es neben USA Today noch eine ganze Reihe weiterer Titel, die sich zum ersten Mal in ihrer oft langen und ehrwürdigen Geschichte zu einem „endorsement“ veranlasst sehen. Die Wissenschaftszeitschriften Scientific American, Nature und Lancet Oncology rufen zur Wahl von Biden auf. Dass sich das renommierte New England Journal of Medicine in seiner 208-jährigen Geschichte mit einem klaren „endorsement“ schwertut und sich an der Strategie von USA Today 2016 orientiert, geht da schon in Ordnung. Schließlich empfiehlt es klar, „nicht Donald Trump“ zu wählen.
Steffen Grimberg bringt hier jede Woche Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt. Er ist Medienprofi und Vorsitzender des Journalistenverbands DJV Berlin – JVBB.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?