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Studie des Paritätischen WohlfahrtsverbandsFast ein Drittel lebt in Armut

30 Prozent aller Studierenden in Deutschland sind von Armut betroffen, ihr mittleres Einkommen liegt bei 802 Euro. Der Wohlfahrtsverband fordert eine Bafög-Reform.

Zu viele Studierende leben in Armut Foto: Swen Pförtner/dpa

Berlin afp | Fast ein Drittel aller Studierenden lebt einer Untersuchung zufolge in Armut. Laut einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands sind 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland davon betroffen. Von den allein lebenden Studenten und Studentinnen leben demnach sogar vier von fünf unter der Armutsgrenze.

So liegt das mittlere Einkommen armer Studierender bei 802 Euro. Damit liegen sie 463 Euro unterhalb der Armutsschwelle. Überproportional von Armut betroffen seien dabei nicht nur zu 80 Prozent Einpersonenhaushalte, sondern auch zu 45 Prozent Studierende mit Bafög.

„Die altbackenen Klischees des fröhlichen Studentenlebens bei wenig Geld, aber viel Freizeit sind absolut überholt und haben mit der Lebenswirklichkeit und dem Studiendruck heutzutage nichts mehr zu tun“, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Nötig sei eine weitreichende Bafög-Reform.

Die bisher vorliegenden Reformvorschläge der Bundesregierung, die am Mittwoch im Bundestagsausschuss für Bildung beraten werden, hält der Verband nicht für ausreichend. Gerade angesichts der aktuellen Preissteigerungen drohten weitere harte Belastungen, Verschuldung und Studienabbrüche für viele arme Studierende.

Nötig seien neben der Ausweitung der Reichweite des Bafögs und der Flexibilisierung der Altersgrenzen auch eine Anhebung der Bafög-Sätze sowie eine automatische und regelmäßige Erhöhung der Studienbeihilfe. Die bisher geplante Anhebung der Bafög-Sätze um fünf Prozent auf künftig 449 Euro gleiche nicht einmal die realen Kaufkraftverluste durch die aktuelle Inflation aus, kritisierte der Verband.

Die Analyse stützt sich auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels aus dem Jahr 2020 sowie Erhebungen des Deutschen Studentenwerks zur wirtschaftlichen und sozialen Lage Studierender in Deutschland.

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14 Kommentare

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  • Folgt man dieser (sinnfreien) Argumentation, dann leben auch nahezu alle Azubis in Deutschland in Armut. Wie in anderen Kommentaren schon steht: Es geht hier um die Jahre der Berufsorientierung und -findung und nicht um ein lebenslanges Einkommen!

  • Die Studie halte ich mal für kompletten Blödsinn, auch wenn sie bei der Taz natürlich gerne abgedruckt wird. Schließlich werden Studenten die sich in der Ausbildung befinden mit Berufstätigen verglichen.

    Zu meiner Studienzeit, die gar nicht so lange her ist, haben bei der gefühlten Mehrheit der Studenten (inkl. mir) die Eltern für den Lebensunterhalt gesorgt. Klar haben einige noch parallel ein bisschen in der Gastronomie gejobbt um das Geld weiter aufzubessern (oder lieber an der Uni / einer Firma um erste Berufserfahrung zu gewinnen), einige haben auch Befög bekommen (waren gefühlt in der Minderheit). Für neueste Technik, teure Smartphones und Laptops, rauschende Parties, sowie schicke Städtetrips an den Wochenenden hats bei den meisten trotz Mini-"Gehalt" dann aber gereicht.

    Übrigens bin ich der Meinung, dass in den typischen Studentenstädten (nicht München) die 800 Euro der "Armen" ganz gut zum Studentenleben reichen, etwa in einer WG oder im Studentenheim. Gibt ja auch oft Sondertarife für Studenten, etwa extrem subventionierter Nahverkehr - war ganz schön geschockt als ich nach dem Studium plötzlich 3 Euro für eine 10-minütige Busfahrt und 30 Euro für einen Tagestrip in eine benachbarte Großstadt ausgeben musste, die als Student im Semestersticket für schlappe 30 Euro pro Monat (fürs ganze Bundesland gültig) abgegolten war.

  • RS
    Ria Sauter

    Wenn sie fertig sind mit Studium verdienen sie meistens sehr viel mehr.



    Sie bleiben nicht bis zum Ende ihres Lebens in Armut.



    Anders sieht es bei den Rentner/innen aus



    Bei 48 % Rentezahlung vom Durchschnittsgehalt, gilt für viele, arm bis zum Sarg.

  • Meine Zeit an der Uni ist noch nicht allzu lange her.

    Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten waren mäßig, die technischen sehr gut ausgestattet.



    Wobei erstere auch weniger teure Anschaffungen brauchen.

    Die wenigsten Studenten fühlten sich als arm, auch wenn viele materiell knapp dran waren. Sie oft geringe Wohnkosten durch das Studentenheim, haben viel Zeit, z.B. zum kochen, und sehr gute Gehaltsaussichten.

    Lehrjahre sind keine Herrenjahre.

    Die Armut ist in der EU definiert mit "weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens, bezogen auf die Region".



    Diese Schwelle ist generell problematisch und hier vollkommen untauglich. Das meint z.B. auch der Volkswirt Georg Cremer von der Caritas.



    (Auch der Vorposter "Šarru-kīnu" schrieb das schon weiter unten.)

  • Interessant wäre in dem Zusammenhang, sich die Entwicklung des Lebensstandards von Studenten im Vergleich mit vor 10, 20, 30 oder 40 Jahren anzuschauen: wie hoch ist der Prozentsatz von Studenten, die allein, in einer WG, in einem Wohnheim, bei den Eltern leben? Wieviele Studenten teilen sich im Durchschnitt ein Bad, eine Küche? Wie hoch ist der Anteil an Studenten, die nebenher arbeiten, wieviel verdienen sie dabei durchschnittlich? Wie oft gehen Studenten ins Kino, Theater, Restaurant, wievielt verreisen Studenten? Wie hoch ist der Anteil der Autobesitzer? ...?

    Meine Vermutung ist, dass der Lebensstandard und auch die Ansprüche ziemlich gestiegen sind. Neue Wohnheime und Wohngebäude für Studenten werden zum Beispiel nicht mehr als WGs sondern mit separaten eigenen Apartments gebaut.

  • 1. Studierende haben GAR kein "Einkommen", weil Ihre Arbeit aus Studieren besteht. Das zahlen üblicherweise die Eltern und die Studierenden gehören implizit noch zum Elternhaushalt.



    2. Studierjahre sind keine Herrenjahre (das ist schon länger so) und auch nur ein begrenzter Zeitraum, an dessen Ende - so der Deal - ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen steht.



    3. Dies ist NICHT der Lebensabschnitt um sich Träume zu erfüllen.



    Das ist aber der Anspruch der Armutsgrenze, die sich auf einen lebenslangen Zustand bezieht.



    Man hat üblicherweise auch noch keine Familie.



    3. Es ist aus meiner Sicht völlig o.k., wenn Studierende unter der Armutsschwelle für "Dauerarme" bleiben, denn sie sollen da ja nicht dauerhaft bleiben. Ich war damals auch "arm".

    Natürlich ist der Bafög Höchstsatz zu niedrig und die Einschränkungen bez. Elterneinkommen viel zu eng.



    Das ist ja allgemein akzeptiert inakzeptabel.

    Aber die Argumentation mit der Armutsgrenze ist trotzdem falsch.

  • Mein Sohn studiert in Freiburg, wohnt im Wohnheim und bekommt seit Beginn (long ago :-)) 750€ im Monat. er hat zu Weihnachten eine angebotene Erhöhung für unnötig erklärt.

    Klar, wenn er aus dem Wohnheim raus muss müssen wir wohl einen Hunderter drauflegen.

    Nur mal so als Wert aus der Realität...

  • Ist das Ergebnis der Studie überhaupt richtig? Bafög ist weder Einkommen noch Einkommenersatzleistung und kann daher in den genannten 463 Eur nicht enthalten sein. Wenn dem dann so ist, dann würde sich eine Erhöhung des Bafög-Satzes nicht bemerkbar machen.

    Das Studium mit der Zielsetzung eines wirtschaftlich auskömmlichen Berufes sollte grundsätzlich ermöglicht werden. Problematisch ist dabei, dass es viele neue Studiengänge gibt, bei denen das überwiegend nicht er Fall sein dürfte. In solchen Fällen ist Bafög dann lediglich raus geschmissenes Geld.

    • @DiMa:

      Die neuen Studiengänge? Sie können Ihren Zwangsutilitarismus auch auf viele alte geisteswissenschaftliche Studiengänge ausdehnen. Philosoph ist schließlich kein Beruf und was ein Altphilologe macht, weiß meist nur er selbst.

      Ihr Fehler ist, dass Sie glauben, eine Ausbildung müsse wirtschaftlich nützlich sein um förderungswürdig zu sein.

  • Das Übliche seit Jahrzehnten.



    Studies müssen darben, ebenso ist viel zu wenig Geld für die Unis vorhanden.

    Ein Bonussystem für einen guten Abschluss hat sich bewährt, ist aber durchaus ausbaufähig. Gibt es das überhaupt noch?

    Die Wohnungssituation ist für alle, die nicht mehr bei Mami und Papi wohnen, ein Riesenproblem. Deshalb baut Studentenwerke anstatt Luxushütten für Gutbetuchte.



    Die jungen Leute sind unsere Zukunft und denen tritt man nicht in....

    Aber 100 Milliarden für die Bundeswehr. Das ist idiotisch!!!!!!!

  • Die in Deutschland verwendete Definition von Armut als einem relativen Wert von einem fiktiven Durchschnittseinkommen ist hier problematisch. Es wäre statistisch am einfachsten die Armut in Deutschland zu reduzieren in dem das Durchschnittsgehalt gesenkt würde.

    • @Šarru-kīnu:

      Wow, fast so pfiffig wie Arbeitslose die Krank sind oder Fortbildungen machen aus der Statistik zu nehmen. Ändert nix, sieht aber gut aus. Nur die Statistik ändern und schon gibt es keine Armut mehr. Muss man studieren um auf sowas zu kommen? Übrigens Durchschnitt ist der Mittelwert. Um ihn zu senken müssten Einkommen oberhalb des Durchschnitts gesenkt werden.

      • @Andreas J:

        Ich wollte ja nur darauf hinweisen, dass die Definition von Armut in Deutschland untauglich ist. Sarkasmus ist im Internet manchmal schwierig.

    • @Šarru-kīnu:

      Das Durchschnittsgehalt sinkt von Monat zu Monat bereits, nämlich real aufgrund des Kaufkraftverlustes. Denn die nominalen Steigerungen gleichen den erheblichen Kaufkraftverlust nicht annähernd mehr aus!