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Stuckrad-Barres #MeToo-RomanPrivilegiertheit, dient der Sache

Ariane Lemme
Kommentar von Ariane Lemme

Patriarchale Machtstrukturen existieren noch. Deshalb hilft es, wenn mächtige Autoren wie Benjamin von Stuckrad-Barre dies anprangern.

Literatur hat die Macht zur gesellschaftlichen Veränderung, weil sie Zustände nacherfahrbar macht Foto: Alexander Pohl/imago

K lar, eigentlich war schon vor Beginn der Woche alles gesagt zu „Noch wach?“, dem neuen Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre. Lange war er erwartet, gut choreografiert die Werbung vorab: vom Autor auf Instagram, aber auch durch den zeitlich günstigen Leak peinlicher Nachrichten von Mathias Döpfner an Ex-Bild-Chef Julian Reichelt, zwei reale Personen, mit denen die fiktionalen im Roman durchaus Ähnlichkeiten haben. Und dann natürlich die Rezensionen.

Aber wie immer, wenn’s diskursiv brisant wird, liest man am besten nicht nur Sekundärliteratur, sondern den Originaltext.

Und der wird seine Wirkung über die Woche nach seinem Erscheinen hinaus weiterhin entfalten. Ja, es ist ein Roman, wenn auch einer, der unübersehbare Ähnlichkeiten mit der Realität aufweist – einer Reali­tät, die vielen Medienschaffenden wohlvertraut ist. Darum liegt es nahe, dass mehr als bei anderen Romanen über die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion und über den Wahrheitsgehalt geredet wurde. Und ja, beim Lesen schleicht sich immer wieder so eine Gala-und-Bunte-Schauderlust ins Hirn, die sich aus der vermeintlichen Echtheit der ausgebreiteten Unsäglichkeiten speist. Und ja, die Vorlagen in der Realität sind da.

Diese literarische Nähe zum Leben kann man blöd finden: Ist es ein Verpetzen auf juristisch sicherer, weil ja am Ende doch fiktiver Seite? Ist es amoralisch, „sich“ literarisch als Beobachter zu gerieren, wenn „man“ in Wahrheit doch Teil des ausbeuterischen Systems ist? Das Buch handelt vom ekligen Verhalten mächtiger Männer gegenüber Frauen. Und warum zum Teufel muss überhaupt ein Mann über ebendiesen Machtmissbrauch schreiben?

Na ja, Kunst kommt am Ende immer von Machen. Klar erfordert es sehr viel weniger Mut, sich mit dem Anprangern mächtiger Männer zu exponieren, wenn man, wie der Autor selbst, finanziell nicht allzu prekär dasteht.

Am Ende aber ist es Stuckrad-Barres Prominenz, seine Privilegiertheit, die der Sache dient – weil er schlicht mehr Leser erreicht. Und weil Literatur subtiler und nachhaltiger als Journalismus die Realität verändern kann: Sie hat die Macht zur gesellschaftlichen Veränderung, weil sie Zustände nach-erfahrbar macht. Deshalb spielt es am Ende gar keine Rolle, ob der „Freund“ im Roman tatsächlich Döpfner ist. Wichtig ist, dass sehr viel mehr Menschen, die nie von Machtmissbrauch betroffen waren, vielleicht auch ein paar Bros aus der Branche, mitkriegen, wovon bei #MeToo wirklich geredet wird. Teil des Systems zu sein reicht da ja eben nicht. Zur letzten Erkenntnis braucht es das Brennglas der Literatur: die Verdichtung, Dramatisierung, Skandalisierung.

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Ariane Lemme
Redakteurin
schreibt vor allem zu den Themen Nahost, Antisemitismus, Gesellschaft und Soziales
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Nur wer selbst unter Machtmissbrauch gelitten hat, kann die gesellschaftliche Relevanz und Sprengkraft dieses Romans erfassen. BSB hat hier mit diesem Werk ein Zeichen gesetzt, das nicht nur die feministisch geprägte Debattenkultur in unserem Land verändern wird.

  • Ein Kommentar ist eine Meinungsäußerung - die überzeugen will. Sorry aber das gelingt hier nicht.



    "Privilegiertheit dient der Sache"



    Aber der Kommentar spricht werbend für die Lektüre des Buches nur in "reklamehafter" Art:



    Diese Privilegiertheit dient der Sache - drum müssen wir gleich alle mit Stucki nach L.A.-Kentucky fahren. Leute, das ist jetzt sooo wichtig.



    Mir geht es nicht um den meinetwegen "Promi-Autor und sein Buch.



    Der Kommentar müht sich nämlich durch seine ebenso bemüht wirkende Kritik an Autor und Literaturbetrieb um ihn und um ihn herum, dass er am Schluss als "Real-Beweis" für Arno Franks Satire "Der Relevanzliterat" endet und krachend scheitert. Er bleibt am Ende ein Teil dessen, was er selbst am Literaturbetriebt kritisiert, ohne was zu merken: Die Erschaffung eines Kunstproduktes in „Lebendform“.



    Er schaut kritisch auf die Macht, die Autoren und Autorinnen tatsächlich haben können, Einfluss z. B. Er schaut kritisch auf die Art, wie ein Buch in die Öffentlichkeit und dort zum Verkauf gebracht wird. Und dann unterliegt er der Versuchung: Da hat ein Autor also Privilegien, hat Einfluss und versteht es, sein Buch zu marketingmäßig anzukündigen. Aber… Was "Aber"?



    Ob da ein Autor ein gutes Buch geschrieben hat, damit beschäftigt sich der Kommentar doch eher oberflächlich. "Am Ende kommt Kunst von *machen*" Soll man jetzt darüber nachdenken?



    „Ja, es ist ein Roman, wenn auch einer, der unübersehbare Ähnlichkeiten mit der Realität aufweist“



    Aber sicher doch. John Steinbeck: „Früchte des Zorns“, dt. Titel, weißt die auch auf. Auf unübertroffene Art. Was ist so schlimm oder schwierig daran?



    Am Schluss bleibt dann auch in diesem Fall, was der Kommentar nicht wollte: Ein mitbasteln an der Erschaffung des "Relevanzliteraten", wie es zig fach und alle Jahre wieder auf Buchmessen geschieht.



    Deshalb fahre ich nicht nach L.A. und schon gar nicht nach Kentucky.



    Hier in der Taz: Der Relevanzliterat. Abteilung: Die Wahrheit.

  • Der Til Schweiger der Selbstrechtfertigung.

  • Hä? Geht’s noch?! Rudi Ratlos in der Surkuskuppel.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      "Mächtige Autoren". - Schnell geht ein Kommentar verloren.



      Doch Akzeptanz von Firlefanz



      führt wieder mal zu Relevanz.

    • @Lowandorder:

      Hier ist noch ein Rudi ratlos. Da war doch eben noch was in der Kommentarreihe hier? Ein Kommentar? Ratlos.

      • @Moon:

        kl. Tipp - Lowandorder - anklicken!



        & Däh



        Da sinnse!;) - 🙀📕🥳 -

  • Da will wohl jemand seine Privilegiertheit nicht verlieren. Fähnchen im Wind.

  • Ich stelle die Motivation des früheren poster-boys von Springer in Frage.

    • @resto:

      Die Motivation ist eindeutig: Geld. Und wenn es mehr vom selbigen bringt, wird er behaupten, dass er schon immer im falschen Körper geboren wurde um dann anschließend die Rolle rückwärts zu machen, sollte diese einträglicher sein. Interessant ist dabei, dass ihm ausgerechnet eine Frau auf den Leim geht.

    • @resto:

      Korrekt. Alles andere wäre - mächtig -



      Naiv •