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Streit um Tarife in SpanienNachts waschen, tags Strom sparen

In Spanien gelten ab Juni zeitabhängige Stromtarife. Das bedeutet für einige hohe Mehrkosten. Kritik kommt auch von Verbraucherschützern.

Stromleitung in der Provinz Gerona: Ab Juni sollen in Spanien nachts die Stromgebühren sinken Foto: Carlos S. Pereyra/imago

Madrid taz | Rund 11 Millionen Haushalte und Tausende Kleinbetriebe in Spanien werden ab dem 1. Juni tageszeitabhängige Strompreise zahlen müssen. Die Neuerung geht auf ein geändertes Tarifsystem zurück, das die Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez verabschiedet hat.

Das Prinzip: Der Tag wird in sechs Zonen eingeteilt. Außerhalb der Hauptverbrauchszeiten (10–14 und 18–22 Uhr) werden die Gebühren um mindestens 3,4 Prozent sinken, nachts sogar bis zu 95 Prozent. In den Hauptverbrauchzeiten wird es dagegen teurer. Wer den eigenen Stromverbrauch nun gezielt steuert, so rechnet die spanische Presse vor, kann die Stromrechnung um bis zu 300 Euro im Jahr senken. Möglich ist das Ganze dank einer flächendeckenden Installation von intelligenten Stromzählern, sogenannten Smart Meter, in den vergangenen Jahren.

Wer den eigenen Tagesablauf nicht an die neuen, billigen Zeitzonen anpassen will, wird bis zu 10 Prozent mehr zahlen als bisher. Auch Kleinbetriebe sind davon betroffen. So rechnet etwa ein Verband von Landwirten vor, dass ihre Stromrechnungen um bis zu 30 Prozent steigen werden. Denn in heißen, trockenen Sommern sind sie auf Bewässerung angewiesen. Die Folge seien teurere Produkte.

„Die Regierung und die Nationale Marktaufsicht können nicht einfach versuchen, die Gewohnheiten der Menschen radikal zu ändern“, kritisiert Rubén Sánchez, Chef der Verbaucherschutzorganisation Facua. Die Verantwortung für die hohen Stromrechnungen würden auf die Verbraucher abgewälzt.

Hohe Stromkosten in Spanien

Mit dem neuen Tarifsystem solle eine effektivere Nutzung der Infrastruktur und ein bewussterer Umgang der Konsumenten mit der Energie erreicht werden, lautet die Begründung von Regierung und Aufsichtsbehörden für das neue Tarifsystem. Facua-Sprecher Sánchez hat einen anderen Vorschlag. Er verlangt seit Jahren, dass pro Kopf eine Grundversorgung zu günstigeren Preisen bereitgestellt wird, und der Mehrkonsum mit Zuschlägen verrechnet wird. „Im Koalitionsvertrag der regierenden Sozialisten und Linksalternativen steht dies“, sagt Sánchez, doch umgesetzt wird es nicht.

Die Verbraucherschützer beschweren sich seit Jahrzehnten darüber, dass die Stromkosten in Spanien so hoch seien wie in kaum einem anderen EU-Land. Das liegt nicht am Preis der Kilowattstunde, sondern an dem, was alles in die Grundgebühr gepackt wird.

Am meisten schlägt dabei das sogenannte Tarifdefizit zu Buche. Das sind zum Großteil Schulden des Stromversorgungssystems, die die mittlerweile privaten Betreiber aufnehmen und dann auf Kredite mit langen Laufzeiten umlegten durften. Es war einer der Finanztricks, mit denen die konservative Regierung unter José María Aznar einst die notwendigen Eckdaten bei der Staatsverschuldung und der Inflation für den Eurobeitritt erreichten.

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19 Kommentare

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  • Es wäre hilfreich gewesen etwas Näheres über das Wesen des sogenannten "Tarifdefizits" zu schreiben bzw. zu erfahren. Weshalb wurden die erwähnten Schulden überhaupt gemacht? Sind das Fremdkapitalaufnahmen, die für eine technisch dringend erforderliche Erneuerung des Netzes (Indiz häufige Stromausfälle) nötig waren? Falls ja, dann wäre das tolerabel. Und wer weiß, ob nicht die bisherigen Tarife einfach zu niedrig waren, um die Netzertüchtigungsinvestitionen technisch angemessen zu refinanzieren?



    Oder waren das Fremdkapitalaufnahmen, die von den jetzigen privaten Betreibern für den Kauf der zuvor staatlichen Stromversorgung aufgenommen wurden? Das wäre der schlechtere Deal für die Verbraucher und zugleich ein Beleg für politisches Versagen, weil der Staat seine Daseinsvorsorgeaufgabe gegenüber seinen Bürgern nicht gerecht wurde. Denn die Rendite, die die Privaten einfordern, zahlen die Verbraucher nun auch mit - und diese Renditen fließen endgültig ab!



    Ein staatlicher Versorger, nutzt die evtl. erwirtschafteten Renditen wenigstens wieder für die Allgemeinheit (Kultur, Straßenbau, Bildung...). Bei den privaten Versorgern freuen sich die Aktionäre.



    Ein Grund übrigens, warum ich meinem Stadtwerk treu bleibe, oder allenfalls zu einem anderen kommunalen Versorger wechseln würde, aber niemals zu einem börsengehandelten Versorger wechseln würde.

  • Da gerade in Deutschland der Strommix nachts ganz anders aussieht als tagsüber, nämlich fossil, wäre es gar nicht schlecht bei uns ähnliches zu machen, nur andersrum (hohe CO2 Bepreisung für Nachtstrom).

  • Persönlich betrifft es mich wenig, da tagsüber bei mir maxmal der Wasserkocher angestellt wird.



    Allerdings wird es in manchen Miethäuser mit der Waschküche problematisch, da es nicht wenig EG-MieterInnen gibt, die sich durch zu geringe Kellerdeckendämmung durch schleudernde Waschmaschinen in ihrer Abend- bzw. Nachtruhe gestört fühlen (Erfahrung aus der Berufspraxis). Sollen VermieterInnen halt das Objekt sanieren, mag nun kommen. Bringt allerdings wieder Mehrkosten für MieterInnen, da notwendige Modernisierungen auf die Kaltmiete umgelegt werden können.

    • @Kirsten Tomsen:

      *Mietshäusern

  • Durch smart meters ist es möglich, die Tagesabläufe der Kund/inn/en genau zu durchleuchten. Z.B. wird in DE die Strom demnächst bei allen elektronischen Zählern im 15-Minuten-Takt für bis zu zwei Jahre gespeichert (allerdings derzeit i.d.R. noch nicht transferiert). Ich warte darauf, daß diese Daten mal als Beweismittel in einem Strafverfahren genutzt werden.

    "Huch, Sie hatten ja jeden Tag tagsüber Stromverbrauch, obwohl Sie doch auf der Arbeit waren! Also haben Sie doch die illegalen Flüchtlinge im Keller versteckt!"

    Leider kann man sich gegen diese neue Form der Überwachung kaum wehren. Ich wechsele, wo möglich, von Strom auf Gas, z.B. von der elektrischen Espressomaschine auf eine italienische "Moka" caffetiera. Denn Gas wird nach wie vor nur einmal im Jahr abgelesen. Eine Überwachung des Alltags somit nicht möglich.

    • @Toto Barig:

      Technisch wären tageszeitabhängige Tarife problemlos auch mit weniger "smarten" Messgeräten möglich. Der Zähler müsste nur zeitabhängig die Tarife wechseln, und ansonsten ganz konventionell nur aufaddieren. Aber warum keine Daten abgreifen, wenn man's kann?

    • @Toto Barig:

      Was soll der Quatsch. Sie können automatsch Stromverbaucher ein und ausschalten. Das hat mit Anwesenheit nichts zu tun, und wenn sie genug Platz für Gas haben, können Sie auch einen Speicher hinstellen.

  • Was ist daran ungewöhlich ?

    Auch wir hatten (bzw. haben in Randbereichen noch immer) einen tageszeitabhängigen Tarif.

    Daher kommt der Begriff "Nachtspeicherheizung" !

  • Das im sonnenverwöhnten Spanien ausgerechnet das Zeitfenster von 10 bis 14 Uhr zu den teuren gehört ist für mich unbegreiflich bei den Preisen für pv - hier sollte eigentlich Strom im Überfluss da sein wenn die EU tatsächlich bald null CO2 ausstossen möchte.

    • @niko:

      Hab mich zuerst auch gewundert. Aber vermutlich arbeiten zu dem Zeitpunkt die Klimaanlagen auf der höchsten Stufe und verbrauchen dementsprechend viel Strom.

      • @Martin74:

        Das Problem sind weniger die Klimaanlagen als das fehlen von PV Anlagen. Spanien hat nur ca 9GW PV Leistung installiert, Deutschland zum Vergleich hat über 50 GW. Der Anteil der erneuerbaren am Strommix ist unter 40% allerdings wird seit letztem Jahr massiv ausgebaut mit knapp 4 GW PV und gut 2 GW Wind in einem Jahr. Leider bei PV überwiegend Freiflächenanlagen anstelle ökologisch vernünftigen Aufdachanlagen.

        • @niko:

          4 GW Solarzbau und 2 GW Wind sind bei einer Flächengröße wie Spanien kein "massiver Ausbau", und angesichts der derzeitigen Strompreise war es offenbar nicht genug.



          Freiflächenanlagen sind weitaus preisgünstiger und schneller zu mobilisieren, daher ist schon richtig, wenn diese überwiegen. Dachanlagen kann man langfristiger angehen, wenn sowieso mal etwas am Haus und Dach gemacht wird, ein Gerüst da ist usw.

        • @niko:

          Danke für die Infos. Gewundert hat mich obiger Bericht über die spanische Strompolitik auch.

  • Ihnen ist aber schon klar, daß genau diese Art von Tarifen einen festen Bestandteil aller Modelle zur regenerativen Engergie bildet und unter dem etwas versteckten Begriff "Lastmanagement" Bestandteil des Grünen Parteiprogramms ist?

  • "..Landwirten vor, dass ihre Stromrechnungen um bis zu 30 Prozent steigen werden. Denn in heißen, trockenen Sommern sind sie auf Bewässerung angewiesen.."

    Äh, man bewässert doch bevorzugt nachts. Also sollte es sinken.

    "Die Verantwortung für die hohen Stromrechnungen würden auf die Verbraucher abgewälzt"

    Ja, auf wen denn sonst?

    Im Prinzip scheint ein zeitabhängiger Preis eine gute Massnahme zu sein.

    • @fly:

      Man könnte ja auch auf Pflanzen mit geringerem Wasserbedarf umstellen...

    • @fly:

      Die Landwirte haben immerhin die Flächen für PV Anlagen. eventuell sogar über ihren Pflanzungen. Das sollte man ihnen sagen, dass sie da richtig Geld mit machen können. Solarpanels kann man billig in China bestellen incl Wechselrichter.

  • Mal abgesehen davon, dass Smart-Meter in einer kritischen Infrastruktur für Hacker, ob kriminelle oder in staatlichem Auftrag handelnde ist nebensächlich, nur eine weitere 'Herausforderung' sein werden, die Ursache für die hohen Strompreise in der Privatisierung lagen, oder es eine andere und sozialer Lösung gäbe:



    Die Reaktionen auf notwendige Veränderungen sind überall die gleichen, nicht nur in Spanien: Wir wollen ja Veränderungen, aber es darf sich für mich, meine Branche,... unseren Wirtschaftsstandort nichts ändern. Es darf nicht teurer und nicht unbequemer werden, es muss alte Gewohnheiten berücksichtigen und erst recht darf es niemanden zwingen, sein Verhalten zu ändern.



    Jetzt hat man schon so viele vermeintliche "technologische Lösung" gegen den Klimawandel, aber dem Individuum ist immer noch das Hemd näher als die Hose. Was für traurige Aussichten für die Zukünftigen.

    • @Drabiniok Dieter:

      da bin ich ganz bei ihnen, Haben Sie auch den Roman "Black Out" von Marc Elsberg gelesen, dort geht es genau um das Szenario dass Hacker über Smart-Meter die ganze Sromversorgung Europas lahm legen...,