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Streit um Rentenreform in FrankreichMachtwort aus dem Bunker

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Bei seinem TV-Auftritt zeigt sich Frankreichs Präsident Macron selbstherrlich. Im Rentenreformstreit hätten sich viele eine Geste der Besänftigung gewünscht.

Streikende verfolgen den französischen Präsidenten Macron während seiner Fernsehansprache Foto: Christophe Ena/ap

W enn schon autoritär, dann konsequent und bis zum bitteren Ende. Das scheint sich Präsident Emmanuel Macron nach Rücksprache mit seinen Beratern gesagt zu haben, als er sich auf den beiden wichtigsten Fernsehsendern zum Interview einladen ließ. Schon im Voraus sickerte durch, dass er bei diesem Anlass keinerlei Konzessionen machen wollte. Es war für ihn schlicht nicht denkbar, die Regierung zu diskreditieren und die Methoden zu kritisieren, mit denen diese ihre Rentenreform ohne Votum durchgesetzt hat. Das wäre automatisch auf ihn zurückgefallen.

In der Fünften Republik ist der Machthaber im Elysée-Palast ein Rechthaber, das ist so in der Verfassung angelegt. Macron hat im Verlauf des Streits um die Rentenreform die diktatorischen Ungereimtheiten in der Machtverteilung mit einer an Nonchalance grenzenden Selbstverständlichkeit durchgespielt. Dabei stützte er sich lediglich auf die institutionelle Macht der Staatsführung, die am Parlament vorbei regieren kann. Vor allem ignoriert er die Tatsache, dass laut allen Umfragen eine große Mehrheit der Bevölkerung diese Politik als sozial ungerecht ablehnt.

Vielleicht hätten dennoch viele TV-Zuschauer vom Staatschef ein Wort der Einsicht erwartet, eine Geste der Besänftigung in einem Konflikt, der rasch außer Kontrolle geraten könnte. Stattdessen hörten sie selbstgefällige Worte. Das mag vielleicht Beobachter in der Ferne beeindrucken. Nicht aber in Frankreich, wo das autokratische Auftreten des „gewählten Monarchen“ ein öffentliches Ärgernis geworden ist.

Macron spielte die nur allzu bekannte Rolle des selbstherrlichen Staatschefs, der angesichts des Volkszorns unbeirrbar und unnachgiebig „senkrecht in den Stiefeln steht“, wie bei einer anderen Auseinandersetzung um die Renten 1995 der damalige Premier Alain Juppé sagte. Das ging damals nicht gut und wird auch dieses Mal kein Glück bringen. Statt einen Dialog anzubieten, hat Macron mit seinem Auftritt provoziert.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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6 Kommentare

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  • Eine seltsame Demokratie, wo der Polizeiknüppel, Tränengas und Wasserwerfer regieren.

  • Diese Übermacht der Präsidenten ist heute ein Anachronismus; angesichts der ausser Kontrolle geratenden Populismen geradezu brandgefährlich.

    Das mag zu Zeiten de Gaulles noch irgendwie funktioniert haben.

  • Macron ist arrogant und egozentrisch. Bei einer Rede in Burkina Faso war im Saal die Klimaanlage ausgefallen. Als der Präsident von Burkina Faso während der langen Rede von Macron dingend auf die Toilette gehen musste, fragte Macron über das Mirco ob er geht um die Klimaanlage zu reparieren. Die Respektlosigkeit kam in ganz Afrika nicht gut an. Arroganz der Macht mit der er nun die Franzosen auf die Palme bringt.

  • Das mag nicht klug gewesen sein, aber er hat dennoch Recht. Es gibt angesichts der Bevölkerungsentwicklung keine andere gute Möglichkeit zur Regulierung. Die Rentenkassen bluten aus, wenn immer mehr Alte sich früh in die Rente verabschieden, während immer weniger Junge immer schlechter bezahlt werden. Langfristig muss man die Löhne auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und die Menschen motivieren, wieder mehr Kinder zu bekommen...oder mehr Arbeitskräfte von außen reinholen. Kurzfristig bleibt aber nur die Option, Rentner gegen Arbeiter zu tauschen, um die Wirkung zu dämpfen. Die spätere Rente ist ohnehin nur eine Folge der sich stetig verlängernden Lebenserwartung. Bei der Einführung war die Rente eher sowas wie ein Gnadenbrot für die letzten paar Jahre. Inzwischen gibt es durchaus Solche, die länger Bezieher als Einzahler sind, was das System auf Dauer zerfrisst. Im Schnitt werden 10-20 Jahre bezogen. Wer mit 60 geht und mit 90 stirbt ist dann schon bei 30 Jahren. War das ein Akademiker, hatte er/sie 30 Jahre Ausbildung, 30 Jahre Arbeit, 30 Jahre Rente. Wenn das bei einigen so ist, stört das nicht. Wenn das zu viele werden, bricht das System zusammen. Ist schlicht so. Dagegen zu demonstrieren ist absurd, außer man möchte lieber weniger Rente oder eine staatlich begrenzte Lebenserwartung von 80 Jahren...und dann wird man aktiv entsorgt. Herzlichen Glückwunsch!

    • @Hefra1957:

      Ach ja, "ist schlicht so"? Was wäre denn genau das Problem, wenn sich der frz. Staat dazu entschiede, die Renten über öffentliche Defizite zu finanzieren?



      Und "Rentner gegen Arbeiter" tauschen wäre ja mit viel Fantasie verteidigbar, wenn sie frz. Arbeitslosenquote gegen 0 tendierte und Arbeitslose jenseits der 55 noch ne Chance auf Neueinstellung hätten - ist aber beides nicht der Fall.

  • in seiner zweiten und damit letzten Amtszeit macht ein Politiker etwas das er für notwendig hält. Mit den Mitteln, die ihm die Verfassung gibt. Eigentlich werden Politiker für so etwas gewählt: auch mal gegen die Mehrheit etwas durchzusetzen. Wo kämen wir hin, wenn die Politik ständig den Mehrheiten folgen würde? Man frage dazu mal einen Habeck. Man vergleiche Macron aber auch mal mit Merkel, die ihre letzte Regierungszeit überhaupt nicht genutzt hat. Die hat weiterhin vor allem ihre eigene Partei geschont. Ob man die jetzige Rentenreform für richtig oder falsch hält, Macron macht jedenfalls die Drecksarbeit. Das Gesetz wird vermutlich auch nach ihm bleiben.



    Ob man jetzt Macron "Selbstgefälligkeit" attestieren kann oder soll, ist nachrangig. Ob mehr Moderation etwas geändert hätte, "Besänftigung" oder gar "Einsicht" nicht eher sogar geschadet hätte? Das sind französische Rituale und es ist ein Unterschied, ob man die "gewählte Monarchie" selber ablehnt, oder nur die Zumutungen, die von ihr kommen.