Streit um Kleidervorschriften an Schulen: Lieber mündige Individuen
Der Bundeselternrat fordert angemessene Kleidung an Schulen. Die AfD dürfte begeistert sein. Besser wäre es, mal die Jugendlichen selbst zu fragen.
W ie sich jemand in bestimmten Situationen kleidet, kann eine hochpolitische Angelegenheit sein. Das gilt auch für die Frage, ob Kinder in der Schule hierzulande anziehen dürfen, was sie wollen – oder eben nicht. Die Vorsitzende des Bundeselternrats, des Gremiums, das die Belange der gesamten Elternschaft in Deutschland vertreten soll, hat nun Folgendes gesagt: Sie empfehle Schulen, „einen Konsens über eine Kleiderordnung zu schließen“. Das Ziel: „unangemessene, lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung“ von den Schulhöfen zu eliminieren.
„Lottrig“, das Markieren einer vermeintlichen Normabweichung: Wer so redet, nutzt – ob beabsichtigt oder nicht – rechtes Vokabular. Die AfD dürfte über den Vorschlag begeistert sein. Auf X, vormals Twitter, freuen sich die rechten Kommentator*innen. Zumal die Elternvorsitzende auch noch schrieb: Gerade Mütter würden sich morgens freuen, wenn Diskussionen mit den Kindern ausblieben. Also noch eine Schippe Antifeminismus obendrauf gepackt.
Der Verband Bildung und Erziehung sah denn auch einen Eingriff in das „Selbstbestimmungsrecht“ von Kindern und Eltern. Der Deutsche Lehrerverband erinnerte an die jüngere deutsche Geschichte: Freiheit und Mündigkeit des Individuums seien in diesem Land nicht umsonst besonders zu schützende Werte.
Damit ist eigentlich auch alles gesagt. Die Halbwertszeit der aufgeregt geführten Diskussionen bei diesen Themen ist erfahrungsgemäß kurz. Und es gibt ganz sicher drängendere bildungspolitische Probleme, über die man eigentlich reden muss.
Wenn demnächst doch mal wieder jemand nach Kleiderordnung in den Schulen ruft: Es gibt durchaus Argumente, die man ernsthaft abwägen kann. Nimmt man durch Einheitskleidung oder gar eine Schuluniform den sozialen Druck raus für Kinder, deren Eltern nicht so viel verdienen, die sich die neuesten Adidas-Sneaker vielleicht nicht leisten können?
Aber: Wen man bei der ganzen Diskussion eigentlich zuerst fragen könnte: die Kinder und Jugendlichen selbst, sie sollen schließlich mündige Bürger werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben