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Streit über AfD-VerbotSPD-Innenminister zögern trotz Parteitagsbeschluss

Auf dem Parteitag hat sich die SPD dafür ausgesprochen, das AfD-Verbot zu prüfen. Viele SPD-Innenminister bleiben aber zögerlich, wie eine taz-Umfrage zeigt.

SPD-Parteitag und AfD-Verbotsverfahren: viel Beschluss, wenig Bewegung Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Auf ihrem Parteitag am Wochenende haben die Sozialdemokraten einstimmig „sofortige, ernsthafte Vorbereitungen“ für ein AfD-Verbot beschlossen. „Es ist unsere historische Aufgabe, die wieder aus den Parlamenten herauszukriegen“, sagte Vize-Kanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil zum Beschluss zur extrem rechten Partei. Doch jetzt zeigt sich: Die Landesinnenminister der SPD sind erstaunlich zögerlich, was die Umsetzung angeht.

Im Beschluss des SPD-Parteitags heißt es: „Jetzt ist die Zeit, dass die antragsberechtigten Verfassungsorgane die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellen zu können.“ Man wolle auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hinwirken, die mit der Sammlung von Materialien beginnt, Gut­ach­te­r*in­nen sollen das Material prüfen, ob es für ein Verbot ausreicht. Wenn ja, dann soll der Verbotsantrag gestellt werden. Den könnte neben Bundesregierung und Bundestag auch der Bundesrat stellen, wie es etwa beim zweiten NPD-Verbotsverfahren geschehen ist.

Man sollte meinen, das würde auch bedeuten, dass die SPD-geführten Innenbehörden nun beginnen würden, Erkenntnisse und Belege für die Verfassungswidrigkeit der AfD zusammenzutragen. Oder zumindest eine solche Bund-Länder-Gruppe einzufordern. Davon ist in der SPD bislang allerdings noch wenig zu sehen, wie eine Umfrage der taz in den acht Innenbehörden, die von der SPD geleitet werden, ergab.

Aus dem Beschluss folgt erst mal: nicht viel. Die SPD-Innenminister und ihre Behörden, die für Materialsammlung zuständig wären, zeigten sich in der Gesamtschau eher zögerlich. Exemplarisch: Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) etwa will zum Beschluss des SPD-Parteitags nichts sagen. Ob der konkrete Folgen für die Innenbehörde haben würde, wollte die taz wissen. Sinngemäße Antwort: Nö. Oder genauer: „Die allgemeine Diskussion über ein AfD-Verbot kommentiert der Bremer Innensenator derzeit nicht.“

Keine „unmittelbaren Konsequenzen“

Stattdessen verweist Bremen aber auf den Beschluss der Innenministerkonferenz, wo länger über das AfD-Verbot gesprochen wurde, aber formal daraus nichts folgte. Dort wurde lediglich eine Arbeitsgruppe zum Umgang mit AfD-Beamt*innen und Waf­fen­be­sit­ze­r*in­nen nach der Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ beschlossen. „Die Prüfung eines Verbotsverfahrens ist nicht Gegenstand der Arbeitsgruppe“, unterstreicht Bremer Behörde noch einmal. Ähnlich äußerte sich Hamburg. Und auch aus Brandenburg heißt es: „Unmittelbare Konsequenzen hat dieser Beschluss für das Innenministerium des Landes Brandenburg nicht.“ Man solle sich doch an die politischen Entscheidungsträger und damit zunächst die Bundes- und Landesregierung wenden.

Auch Mecklenburg-Vorpommern plant keine konkreten, geschweige denn „unverzügliche“ Schritte und will offenbar noch die Gerichtsverfahren zur Einstufung abwarten: „Die gerichtliche Überprüfung der Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung kann Anhaltspunkte für die Erfolgsaussichten eines etwaigen Parteiverbotsverfahrens liefern. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass ein solches Verfahren in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt (vermutlich zwei bis drei Jahre).“ Allerdings betonten Mecklenburg-Vorpommern und weitere Länder, dass vom Verfassungsschutz natürlich fortlaufend Erkenntnisse gesammelt würden.

Auf Dobrindt-Linie

Damit sind diese SPD-Behörden in dieser Frage im Grunde auf Linie mit dem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der sich vom Antrag des Koalitionspartners gänzlich unbeeindruckt zeigte: „Entscheidungen des Parteitags der SPD sind für den Innenminister noch kein Auftrag“, sagte dieser zu Wochenbeginn im Podcast des Newsletter-Dienstes Table Media.

Anders als ihre Ge­nos­s*in­nen sieht das die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge, die auch in der letzten Legislatur bereits eine Bundestagsinitiative zum Verbot startete. Sie sagte der taz: „Der SPD-Parteitagsbeschluss beinhaltet den klaren Auftrag an alle SPD-Mitglieder, die Teil der antragsberechtigten Gremien sind, sich für den nächsten Schritt auf dem Weg hin zu einer Überprüfung der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht einzusetzen. Dazu gehören auch die SPD-Innenminister*innen.“

Wegge selbst werde nun auch im Bundestag offiziell die Gespräche mit dem Koalitionspartner wieder aufnehmen, sagte sie: „Es ist unsere demokratische Pflicht, die uns zur Verfügung stehenden Mittel unserer Mütter und Väter des Grundgesetzes zu nutzen, sollte unsere Demokratie in Gefahr sein.“

Etwas tatkräftiger äußerten sich immerhin die In­nen­mi­nis­te­rien in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. So forderte Daniela Behrens (Niedersachsen) angesichts der Hetze der AfD gegen Geflüchtete und Mi­gran­t*in­nen: „Ich erwarte vom Bundesinnenminister, dass er das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergebnisoffen analysiert und intensiv prüft, ob und inwieweit sich daraus die juristischen Grundlagen für ein mögliches Verbotsverfahren ableiten lassen.“

Und aus dem Ministerium von Michael Ebling in Rheinland-Pfalz ist sogar zu hören, dass man dort bereits daran arbeite, „belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen und rechtsextreme Netzwerke zusammenzutragen“. Ein Verbotsantrag aber dürfe nicht scheitern, dafür brauche es eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit auf Bundes- und Länderebene. „Vor diesem Hintergrund befürworten wir ausdrücklich die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Informationen und Erkenntnisse strukturiert zusammenführt und prüft, ob die Voraussetzungen für einen Antrag zur Einleitung eines Parteiverbots gegeben sind.“

Bereits länger fordert das bereits Thüringens Innenminister Georg Maier, in dessen Bundesland der AfD-Landesverband mit Björn Höcke besonders radikal aufgestellt ist. Er forderte auf taz-Anfrage erneut eine schnelle Einrichtung einer Bund-Länder-Gruppe zum Thema und die möglichst rasche Einleitung eines Verbotsverfahrens: „Die Radikalität der Partei ist offen zu sehen, man sollte sich in dieser Frage nicht nur auf den Verfassungsschutz fokussieren“.

Allerdings könne Maier verstehen, wenn die SPD-Innenminister es in Ländern mit weniger radikalen Landesverbänden anders sähen. Er sehe nach den Diskussionen auf der Innenministerkonferenz aber durchaus Bewegung in SPD und sogar der Union, aus der sich zuletzt etwa der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins Daniel Günther für einen Verbotsantrag ausgesprochen habe: „Der Beschluss wird von der Union aufmerksam wahrgenommen, auch dort gebe es mehr Diskussionen zum Umgang mit der AfD.“

Die üblichen Ausflüchte von Innenminister Dobrindt, die AfD wegregieren zu wollen, ließ er nicht gelten: „Die Gegner des Verbots wollen nicht wahrhaben, dass die AfD nicht auf unserem Feld spielt, sie lügt und will die Demokratie von innen aushöhlen – politisch bekommt man das nicht klein, wie man in den USA beobachten kann.“

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11 Kommentare

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  • Denke, dass die Innenminister schon wissen, weshalb sie zurückhaltend sind.

  • Es zeigt sich einmal mehr, es zeigt sich immer wieder:



    Demokraten können sich auf die SPD einfach nicht verlassen.



    Anstatt mutig wie Willy Brandt gegen den Faschismus vorzugehen, kuschen die Mandatsträger der SPD vor dem Faschismus.



    Einzig die Linken und die Grünen zeigen Rückgrat und Verantwortung.



    Wer wird uns immer wieder verraten - die rückgratlosen Sozialdemokraten!

  • „Es ist unsere demokratische Pflicht, die uns zur Verfügung stehenden Mittel unserer Mütter und Väter des Grundgesetzes zu nutzen, sollte unsere Demokratie in Gefahr sein.“

    Ich finde jetzt eher verfassungswidrige Eingriffe der SPD-Innenministerin in die Pressefreiheit eine Gefahr für unsere Demokratie.



    Ich wähle keine AfD, aber wenn sie im Westen klar zweitstärkste Partei ist und im Ostern klar die bei den Bürgern beliebteste, sind diese Wahlergebnisse eben elementarer Ausdruck von freien Wahlen und Demokratie.

  • Mir scheint, dass hier aus Angst vor dem Tod Selbstmord begangen wird.

  • "Ein Verbotsantrag aber dürfe nicht scheitern..", eine derartige Haltung führt dann auch dazu, dass die Entscheidungsträger aus Angst vor der eigenen Courage im Nichtstun verharren.

    Die Anrufung eines Gerichts kann aus mehreren Gründen erfolgen. Der häufigste ist die Überzeugung zu gewinnen u.a durch eine lückenlose Beweisführung.

    Darüber hinaus gibt es aber auch den Vorgang, einer Gewissheit eine juristische Bestätigung zu verschaffen. Bedeutet nichts anderes, als das eine Ansicht oder Anschauung zu einem bestimmten Sachverhalt in Form eines richterlichen Urteils Rechtsgültigkeit erlangt. Hier steht die juristische Entscheidungsfindung im Vordergrund.

    Vor dem Hintergrund, dass 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund permanter Hetze und Verachtung ausgesetzt sind und viele davon sich sicherlich fragen, warum eine derartige Partei überhaupt in den Parlamenten vertreten sein darf und sich u.a. durch Steuergelder finanziert, sollten die Entscheidungsträger besser ihre Perspektive wechseln und nicht nach dem Motto "wir dürfen nicht verlieren" sondern nach "wir sind es diesen Bürgern schuldig" handeln, heißt das Material auswerten und auf dessen Basis einen Antrag stellen.

    • @Sam Spade:

      Ich stimme zu, nur das Wort "Courage" in Zusammenhang mit der SPD halte ich für gewagt.

  • BefürworterInnen eines AfD-Verbots sollten sich fragen, wie sie sich eine „wehrhafte Demokratie“ vorstellen? Als Chimäre einer politischen Mitte, die mit zunehmend repressiven Maßnahmen die Meinungsfreiheit immer weiter einengt? Als Placebo für eine Regierung, die die gesellschaftliche Ordnung und Zukunft den Marktkräften überlässt? Als unendliche Fortsetzung der Herrschaft einer elitären Parteienoligarchie, die vorgibt eine diverse Bevölkerung zu repräsentieren und n zum Wohle des ganzen Volkes, der Wirtschaft und des Staates die stets beste Politik zu machen? Als toxische Mischung aus Hedonismus, Leistungswahn und Nationalismus?

    Vielleicht mal mehr Demokratie wagen, statt durch Ausschluss und Nivellierung immer nur auf Stabilität zu setzen? Mehr Demokratie in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft würde (i) mit Reformen und (ii) mit dem Risiko von Veränderungen einhergehen. Letztere sind unvermeidlich, sie kommen so oder so; wir könnten sie aber auch als demokratischere Gesellschaft mitgestalten.

  • Ja, und ich denke, die wissen auch warum sie so skeptisch sind. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass die Mehrheit mindestens aber ein sehr hoher Anteil der AFD Funktionäre V-Leute irgendeines Verfassungschutzamtes sind, ob nun Bund, Länder oder MAD, sei dahin gestellt. Diese Quellen können Sie zwar in "Gutachten" einer Bundesoberbehörde verwenden, nicht aber bei einem Parteiverbotsverfahren

  • Einige der im Artikel wiedergegebenen Ideen und Erwartungen scheinen mir sehr fragwürdig. Bin freilich kein Jurist.

    Dass SPD-geführte Innenbehörden (Exekutive) auf der Grundlage eines Parteitagsbeschlusses (nicht eines Parlamentsbeschlusses) damit beginnen, zielgerichtet Material zu sammeln, um die politische Konkurrenz verbieten zu lassen, entspricht nun wahrlich nicht meinem Verständnis von Gewaltenteilung.

    Dass man die AfD politisch nicht klein bekomme und deshalb polizeistaatlich bekämpfen müsse, ist eigentlich eine demokratische Bankrotterklärung, ein Eingeständnis eines sehr substantiellen Scheiterns an den Realitäten. Man schaue dagegen nach Brasilien: Da ist ein echter Rechtsextremist sogar vorübergehend in den Präsidentensessel gelangt, vier Jahre später aber wieder vom Hof gejagt worden. Offenbar wird die brasilianische Demokratie für resilienter gehalten als die deutsche. Was wieder einige Frage aufwirft ...

  • Das hat Sigmar Gabriel treffend kommentiert. Die SPD macht auf Therapiesitzung statt sich zu fragen, warum die klassischen Arbeitnehmerinnen der Partei den Rücken gekehrt haben. Die Innenminister sind zögerlich, weil sie wissen, dass ein AFD-Verbotsverfahren keine Chance hat. Das Thema ist durch. Wenn die SPD nicht bald anfängt sich inhaltlich mit der AFD auseinander zu setzen, dann wird sie zwischen Grünen, Linken und einer sozialdemokatisierten CDU (bitte die CDU 2025 mal mit der CDU 1985 vergleichen) zerrieben. Die Partei bietet für den kleinen Arbeitnehmer keine Politik mehr.

  • Ein Parteiverbot wäre der falsche Weg um die SPD wieder nach oben zu bringen. Daher begrüße ich das zögern der SPD landesinnenminister