Streit über Coronabonds: Von der Leyens Wende
Die EU-Kommissionspräsidentin legt eine Kehrtwende hin. Die Gegnerin von Coronabonds führt ein europaweites Kurzarbeitergeld ein.
B esser spät als nie: Ursula von der Leyen scheint endlich zu verstehen, dass sie jetzt EU-Kommissionspräsidentin ist – und nicht mehr CDU-Ministerin in Berlin. In der Coronakrise trat sie bisher auf, als wollte sie das Klischee einer deutschen Provinzpolitikerin übererfüllen. Statt für europäische Solidarität zu werben, ließ von der Leyen erst kürzlich wissen, dass Coronabonds nur ein „Slogan“ seien. Die Resonanz in Italien und Spanien war verheerend. Es war abzusehen, dass von der Leyen jegliche Autorität in ihrem neuen Amt verlieren würde.
Doch von der Leyen weiß, wie man Konflikte übersteht. Sie ist eine begabte Politikerin, die schnell aus Fehlern lernt. Also hat sie eine blitzschnelle Kehrtwende hingelegt. Die EU-Kommission will jetzt ein europaweites Kurzarbeitergeld einführen, das den schwer getroffenen Ländern zugutekommen soll.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Länder bekämen das Geld nicht geschenkt. Die EU-Kommission würde ihnen die Mittel nur zu einem sehr günstigen Zinssatz leihen. Dieses Konzept ist wirklich gut und hätte zudem den Vorteil, dass es ein Programm für die ganze EU und nicht nur für die Eurozone wäre. Auch Bulgarien oder Rumänien könnten unterstützt werden, falls sie von den Coronakosten überwältigt werden.
Das Programm würde durch Anleihen der EU finanziert. Es wären also faktisch Coronabonds, die aber nicht so heißen dürfen. Stattdessen spricht von der Leyen etwas wolkig von „Garantien“. Allzu offensichtlich soll nicht werden, dass sie sich selbst korrigiert.
Politisch ungeheuer hilfreich
Das neue EU-Programm soll 100 Milliarden Euro umfassen, was niemals reichen dürfte, um die Coronafolgen in Europa zu bekämpfen. Trotzdem ist das Projekt weit mehr als nichts. Politisch ist es ungeheuer hilfreich, dass sich die EU-Kommission jetzt zu Coronabonds bekennt. Dies dürfte den Druck auf Deutschland erhöhen, endlich europaweiten Programmen zuzustimmen, die die Not in den stark betroffenen Ländern umfassend lindern.
Von der Leyen ist nicht die einzige Spitzenpolitikerin, die in der Coronakrise rasant dazulernen musste. Auch EZB-Chefin Christine Lagarde fiel zunächst mit der wenig kundigen Bemerkung auf, die Zentralbank sei nicht dafür da, die Zinsunterschiede zwischen den Euroländern zu korrigieren. Eine Woche später legte die EZB ein Programm von 750 Milliarden Euro auf, um genau diese Zinsunterschiede einzudämmen. Bleibt also die Hoffnung, dass auch Kanzlerin Merkel eine Wende vollzieht – und den Charme der europäischen Solidarität entdeckt.
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