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Streit auf der InnenministerkonferenzFällt der Syrien-Abschiebestopp?

Auf der Innenministerkonferenz wollen Seehofer und die Union durchsetzen, Gefährder wieder nach Syrien abzuschieben. SPD und Pro Asyl warnen.

Georg Meier (SPD), Innenminister von Thüringen und Vorsitzender der Konferenz vor der Konferenz Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz/dpa | Am Donnerstagmorgen hat die Innenministerkonferenz begonnen – und das mit einem großen Streitpunkt: Soll Deutschland den Abschiebestopp nach Syrien kippen? Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und die Unions-Innenminister der Länder drängen genau darauf, die SPD hält bisher dagegen.

Der Abschiebestopp gilt wegen des syrischen Bürgerkriegs seit 2012 und wurde zuletzt halbjährlich verlängert. Nach einer tödlichen Messerattacke eines syrischen Islamisten im Oktober in Dresden kündigte Seehofer aber an, „anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebungen nach Syrien möglich sind“. Diese Position habe Bestand, bekräftigte sein Sprecher vor der Innenministerkonferenz.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Sprecher der Unions-Innenminister, bekräftigte zuletzt: „Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben. Darüber sind sich die Innenminister der Union einig.“

Auch Röttgen für ein Ende des Abschiebestopps

Selbst Norbert Röttgen, der sich momentan als liberaler Kandidat für den CDU-Vorsitz in Stellung bringt, plädierte in der Welt für ein Ende des Abschiebestopps. „Es geht um ein klares politisches Zeichen nach innen und nach außen, dass Deutschland kein Schutzort für terroristische Gefährder ist.“ Durch den Abschiebestopp würden syrische Gefährder momentan eine Garantie genießen, dass sie nicht zurückgeschickt werden. Dies dürfe nicht mehr sein.

Die SPD wies die Forderung nach einem Ende des Abschiebestopps zuletzt vehement zurück. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz, warf der Union und Seehofer Populismus vor. „Er stößt eine Diskussion an, hat aber keine Lösung. Das finde ich unangemessen.“ Auch andere SPD-Innenminister wie der Niedersachse Boris Pistorius (SPD) und der Berliner Andreas Geisel (SPD) wandten sich gegen die Union: Die Lage in Syrien sei weiterhin gefährlich, Abschiebungen dorthin seien praktisch schlicht nicht möglich.

Tatsächlich fehlen dafür bisher alle Möglichkeiten. Deutschland hat in Syrien keine diplomatische Vertretung mehr, ein offizieller Austausch mit dem Assad-Regime existiert nicht. Auch Direktflüge in das Land gibt es nicht. Deutsche Gerichte dürften die Abschiebungen schwerlich absegnen.

Bericht: „landesweit massive Menschenrechtsverletzungen“

Zudem warnt das Auswärtige Amt weiter vor einer „katastrophalen“ Lage in Syrien. In einem aktuellen internen Lagebericht, welcher der taz vorliegt, ist die Rede von „in allen Landesteilen weiterhin massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure“. Im Land herrsche weiter „weitreichende systematische Willkür bis hin zu vollständiger Rechtlosigkeit“.

In keinem Landesteil gebe es Schutz vor politischer Verfolgung, Verhaftung und Folter. „Eine sichere Rückkehr kann derzeit für keine bestimmte Region Syriens und für keine Personengruppe grundsätzlich gewährleistet und überprüft werden.“ Die kritische humanitäre Lage habe sich zudem durch die Coronapandemie noch verschärft.

Menschenrechtsgruppen wie Pro Asyl fordern eindringlich, den Abschiebestopp nach Syrien nicht aufzuheben. „Die Innenminister dürfen nicht nach Gutdünken Recht und Gesetz zurechtbiegen“, sagte deren Geschäftsführer Günter Burkhardt der taz. „In Syrien kann weiter jeden Folter treffen.“ Für Burkhardt wären Abschiebungen dorthin „ein völliger Rechtsbruch“. Offenbar habe die Union schon den Wahlkampf eingeläutet und lasse dafür „rechtstaatliche Standards“ fallen.

Nach bisheriger Planung sollen die Einigungsgespräche auf der Innenministerkonferenz am späten Donnerstagnachmittag zu Ende gehen. Ihre Ergebnisse wollen die Minister am Freitagvormittag verkünden. Auf der Konferenz gilt das Einstimmungskeitsprinzip. In der Frage des Syrien-Abschiebestopps hatten die CDU-Innenminister aus Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg aber bereits beim vergangenen Treffen vor einem halben Jahr zu Protokoll gegeben, dass sie hier für „eine differenzierte Betrachtung“ eintreten.

Ergebnisse werden Freitag verkündet

Horst Seehofer selbst nimmt an der diesmal virtuell stattfindenden Konferenz nicht mehr teil. Er begab sich laut seinem Sprecher am Mittwochabend vorsorglich in Quarantäne, weil er Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Ministeriumsmitarbeiterin hatte. Auf der Konferenz werde er nun von seinem Staatssekretär vertreten.

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8 Kommentare

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  • Das darf auf keinen Fall passieren!



    Erstens ist Winter und zweitens wurden die Syrerinnen und Syrer, die seit Jahren gegen das Regime kämpften weil sie seit 1970 darunter litten, von der Welt im Stich gelassen.

  • // Was ist das bitte für eine Logik? Hier im Lande begehen die potentiellen Gefährder Straftaten, gefährden Menschenleben, kurz - sie verhalten sich zutiefst inhuman - und dann gibt es ein Problem mit der Sicherheitslage?



    Ich bin ganz bestimmt nicht rechtslastig gepolt, im Gegenteil, aber für mich hört an einem bestimmten Punkt die Humanität auf. //

    Ich bin total bei ihnen. Wahrscheinlich sind wir aber hier in der Minderheit.

  • Ich zitiere mal:



    "[...]anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebungen nach Syrien möglich sind“

    Hier geht es ja um Einzelfallprüfungen und um die Tatsache, daß Personen abgeschoben werden sollen, die hier in D potentielle Gefährder und Straftäter sind.

    Dann zitiere ich nochmal:



    "In keinem Landesteil gebe es Schutz vor politischer Verfolgung, Verhaftung und Folter. „Eine sichere Rückkehr kann derzeit für keine bestimmte Region Syriens und für keine Personengruppe grundsätzlich gewährleistet und überprüft werden.“

    Was ist das bitte für eine Logik? Hier im Lande begehen die potentiellen Gefährder Straftaten, gefährden Menschenleben, kurz - sie verhalten sich zutiefst inhuman - und dann gibt es ein Problem mit der Sicherheitslage?

    Ich bin ganz bestimmt nicht rechtslastig gepolt, im Gegenteil, aber für mich hört an einem bestimmten Punkt die Humanität auf.



    ????

    • @Juhmandra:

      Straftäter begehen Straftaten und sind rechtskräftig verurteilt.



      Straftäter kommen ist Gefängniss.



      Auch hierzulande.

      Sie behaupten "potentielle Gefährder" begehen Straftaten und gefährden Menschenleben - aber warum sitzen die dann nicht hier im Gefängnis ?

      Der Grund ist einfach: Jemanden etwas anzudichten reicht in unserem Rechtsstaat nicht aus fürs Gefängnis - im Gegensatz zu Syrien...

    • @Juhmandra:

      Sie sind "nicht rechtslastig gepolt", befürworten aber entgegen der Rechtslage in diesem Land eine Abschiebung in Kriegs- bzw. Krisengebiete?



      Da scheint es bei Ihnen eine ziemliche Diskrepanz zwischen der gefühlten politischen Positionierung und der realen zu geben.

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Juhmandra:

      Ich sags mal vorsichtig: kein Problem damit haben, dass Leute dahin abgeschoben werden, wo sie dann gefoltert werden, ist jetzt kein dezidiert linker Standpunkt. Wir haben die allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben. Da gibt es keinen Punkt, wo "die Humanität aufhört".

      • @164 (Profil gelöscht):

        Korrekt.



        Ebenfalls sehr bedenklich scheint Zielgruppendefinition "Straftäter und Gefährder". Straftäter sind rechtskräftig verurteilt, es müsste also auch möglich sein sie zu inhaftieren, bei andauernder Gefährlichkeit auch in Sicherungsverwahrung. Demgegenüber ist die Kategorie 'Gefährder' lediglich die Vermutung der Polizei, dass jemand möglicherweise eine Tat begehen könnte. Die Innenminister der Union wollen also tatsächlich Leute allein auf Grundlage von mehr oder weniger spekulativen Vermutungen in ein Kriegsgebiet abschieben, ohne dass diese auch nur konkrete Pläne oder Vorbereitungen für eine Tat getroffen hätten, denn die wären wiederum strafbar.

        • @Ingo Bernable:

          Die Hürden für eine Sicherheitsverwahrung sind zu Recht sehr hoch, so einfach ist es also nicht, jemand nach Verbüßung der Tat weiter in Haft zu behalten. Gleichzeitig ist bei dem Täter von Dresden (taz.de/Messerattac...Dresden/!5724638/) mutmaßlich nicht davon auszugehen, dass eine weitere zu erwartende Haftstrafe hier zu einer Resozialisierung führt. Ich möchte kein Strafrecht, dass eine Inhaftierung ohne Tat und Urteil zulässt, gleichzeitig finde ich es schwer hinnehmbar Leuten Schutz zu gewähren, die schwer erkämpfte Freiheiten und Rechte so deutlich ablehnen. Gleiches gilt für den Youtuber, der die Macron-Aktion in Kreuzberg durchgezogen hat - evtl. können sie mir hier erklären, bis zu welchem Punkt man die Intoleranz tolerieren muss.