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Streik bei AmazonVerdis aussichtsloser Arbeitskampf

Die Gewerkschaft will bei Amazon einen Tarifvertrag durchsetzen. Doch der Konzern lehnt Verhandlungen ab. Was bleibt, sind Durchhalteparolen.

Das Geschäft brummt, nur die Löhne stimmen nicht Foto: reuters

Es ist der traurigste Arbeitskampf Deutschlands. Aufgerufen von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind mal wieder Beschäftigte des Internetversandhändlers Amazon in den Streik getreten. Ein paar hundert Mitarbeiter sind es diesmal, die noch bis einschließlich Samstag in den beiden Logistikzentren im ost­hessischen Bad Hersfeld ihre Arbeit niedergelegt haben. Doch auch dieser Ausstand wird sie nicht ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag näher bringen. Es ist ein Kampf David gegen Goliath, nur ohne Happy End.

„Amazon feiert weltweit erfolgreichstes Weihnachtsgeschäft“, verkündete der Branchenprimus am Mittwoch stolz. Bundesweit beschäftigt Amazon rund 12.000 fest angestellte Mitarbeiter, davon 4.000 in Bad Hersfeld. Hinzu kommen derzeit noch 13.000 Saisonarbeitskräfte. Der Laden brummt. Daran wird auch der neuerliche Ausstand nichts ändern. „Wir gehen davon aus, dass unsere Aktionen Auswirkungen haben und wir Amazon Schwierigkeiten bereiten“, gibt sich die örtliche Verdi-Sekretärin zwar gewohnt kämpferisch. Mit der Realität hat das jedoch leider wenig zu tun.

Seit rund viereinhalb Jahren versucht Verdi mit einer Strategie der Nadelstiche, tarifvertraglich geschützte Einkommens- und Arbeitsbedingungen bei Amazon durchzusetzen. Immer wieder ruft die Gewerkschaft die Beschäftigten an einzelnen oder mehreren Amazon-Standorten zu temporären Streiks auf. Doch bisher hat die Gewerkschaft nicht einmal die Aufnahme von Gesprächen durchsetzen können. Der Konzern sitzt die Auseinandersetzung einfach aus.

Das verwundert nicht. Es mangelt schlichtweg an einem ausreichenden ökonomischen Druck. Die wiederkehrenden Streiks sorgen zwar für ein konstantes negatives Grundrauschen, führen jedoch nicht zu schmerzhaften Umsatzeinbrüchen – und die Kunden bekommen von den Arbeitsniederlegungen praktisch nichts mit. Auch wenn Verdi trotzig darauf beharrt, dass der Arbeitskampf wirke: Bislang fehlen Belege, wonach es zu spürbaren Lieferverzögerungen oder gar Lieferausfällen gekommen ist.

Lohnberechnung nach Gutsherrenart

Keine Frage, der Arbeitskampf der in Verdi organisierten Amazon-Beschäftigten hat seine guten Gründe. Zu Recht prangert die Gewerkschaft an, dass der US-Konzern, der seine europäische Unternehmenszentrale in Luxemburg hat, gänzlich nach eigenem Gusto über das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen entscheidet. Der manchesterkapitalistische Dogmatismus, mit dem Amazon seiner Belegschaft in Deutschland einen Tarifvertrag verweigert, verträgt sich nicht mit der so gern apostrophierten sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik.

Sozialpartnerschaftsfeindliche Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen wie Gutsherren festlegen, passen weder in die heutige Zeit noch in die hiesigen Verhältnisse. Und auch wenn sich Amazon gerne selbst als „guten Arbeitgeber“ lobt, sieht die Realität für die Beschäftigten anders aus. Kontrolle, Druck und Arbeitshetze bestimmen den Arbeitsalltag. Deswegen wäre es äußerst wünschenswert, wenn der lange Arbeitskampf von Verdi erfolgreich verlaufen würde. Auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Widerspruch erscheinen mag: Trotzdem war es falsch, ihn überhaupt angefangen zu haben. Und so schmerzhaft es ist: Es wäre besser, diesen Arbeitskampf in seiner gegenwärtigen Form schnellstmöglich zu beenden. Denn es reicht eben noch nicht, berechtigte Ansprüche zu haben, um sie auch durchsetzen zu können.

Gerade mal knapp ein Fünftel der Amazon-Beschäftigten beteiligten sich an Streikaktionen

Ein Streik macht nur dann Sinn, wenn er effektiv ist. Deswegen überlegen sich Gewerkschaften in der Regel vorab ganz genau, wann und wo sie dazu aufrufen. So käme es ihnen nie in den Sinn, die Tageszeitungsjournalisten zum unbefristeten Ausstand aufzurufen: zu gering der Organisationsgrad, zu groß die Angst vor dem Scheitern. Da akzeptiert Verdi lieber Abschlüsse, die entgegen den eigenen Forderungen weit unter denen in anderen Bereichen liegen, beispielsweise im kampffähigeren öffentlichen Dienst. Eine völlig übliche kühle wie pragmatische Abwägung.

Bei Amazon war das offenkundig anders. Entgegen den sonstigen gewerkschaftlichen Gepflogenheiten spielten hier magerer Organisationsgrad und mangelnde Kampfkraft keine Rolle. Im Gegenteil: Über den Streik sollte beides erst hergestellt werden – ein Kamikazeunternehmen. Zwar konnte Verdi im Laufe des Konflikts Mitglieder hinzugewinnen, aber bei Weitem nicht genug, um den Versandriesen in die Bredouille zu bringen. Selbst zu Mobilierungshochphasen beteiligte sich gerade mal knapp ein Fünftel der Beschäftigten an den einzelnen Streikaktionen – wohlwollend gezählt. Bis heute ist es Verdi nicht ein einziges Mal gelungen, alle elf deutschen Amazon-Standorte gleichzeitig in den Arbeitskampf einzubeziehen. An einigen wurde sogar noch nie gestreikt. Vom bislang letzten kollektiven Ausstand anlässlich des „Black Friday“ am 24. November waren ganze sechs Standorte betroffen.

Augenscheinlich fehlte es den Verdi-Funktionären bei ihrer Entscheidung für die Streikstrategie an einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Fahrlässig wurde die Hartleibigkeit der Gegenseite unter- und die eigene Mobilisierungsfähigkeit ebenso wie die negativen Auswirkungen auf die Kunden überschätzt. Ohne sich eine Ausstiegsstrategie zu überlegen, ist Verdi in einen Arbeitskampf gegangen, der unter den gegebenen Bedingungen nicht zu gewinnen ist.

Es fehlt an Ideen

Die Gewerkschaft steckt in einem Dilemma: Sie hat keine Idee mehr, wie sich Amazon zum Einlenken bewegen lässt. Aber sie weiß auch nicht, wie sie ihren Arbeitskampf beenden könnte, ohne als die große Verliererin dazustehen. Was bleibt, sind Durchhalteparolen – und ein paar Meldungen in den Medien, die von Mal zu Mal kürzer werden. Das ist bitter, denn die Beschäftigten hätten Besseres verdient.

Was bleibt Verdi für ein Ausweg? So bitter es ist: Die Gewerkschaft wird irgendwann ihre Niederlage eingestehen müssen. Und zwar am besten so schnell wie möglich. Auch wenn das sicherlich für einigen Frust bei jenen bewundernswerten Beschäftigten sorgen wird, die sich immer noch unverdrossen wie aussichtslos an den Streikaktionen beteiligen. Je länger die Gewerkschaft wartet, desto größer ist ihr Scheitern. Aber ihr wird nichts anderes übrigbleiben, als sich darauf zu besinnen, dass auch für Amazon gilt: Erst die Mitarbeiter organisieren, dann in den Arbeitskampf ziehen. Allerdings gilt auch dann: vorher genau die Kräfteverhältnisse analysieren. Denn es ist gut möglich, dass auch bei einer besseren Organisierung in Deutschland die Chancen, Amazon in die Knie zu zwingen, schlecht bleiben. Denn mittlerweile sind die Logistikzentren des Konzerns europaweit so eng miteinander vernetzt, dass notfalls Aufträge im benachbarten Ausland bearbeitet werden können.

Es gibt allerdings noch eine andere Möglichkeit und die Dienstleistungsgewerkschaft besinnt sich eines Besseren: auf ihren Gründungsmythos. Als Verdi 2001 aus dem Zusammenschluss so verschiedenen Gewerkschaften wie der HBV, der ÖTV, der IG Medien, der DAG und der Deutschen Postgewerkschaft entstanden ist, war die gewaltige Macht beschworen worden, die die Beschäftigten so vieler unterschiedlicher Berufsgruppen und Branchen hätten – wenn sie nur zusammen an einem Strang ziehen. Ein bis heute uneingelöstes Versprechen.

Doch genau diese Unterstützung der vielen anderen bräuchten jetzt die Amazon-Kolleginnen und Kollegen. Verdi sollte sich endlich intensivere Gedanken machen, wie sie zu realisieren ist. „Dieser Kampf hat die Solidarität der gesamten Organisation“, behauptet der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske unablässig. Es wäre an der Zeit, den schönen Worten auch praktische Taten folgen zu lassen. Dass Amazon alles liefert, nur keinen Tarif, bleibt ein Ärgernis.

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43 Kommentare

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  • Also mal 1., wir haben (und hatten) keine soziale Marktwirtschaft, das ist ein Verblödungslabel, 2. 611 BGB, wenn man keinen Einfluss auf die Verwendung des Ergebnisses (seiner) von Arbeit hat, dann... Tschüss...

  • Das Problem sind die Arbeitsmarktgeschenke an die Arbeitgeber. Wer einen Mindestlohn von knapp über 8,50€ schon toll findet (SPD/CDU/CSU/GRÜNE/AFD), und Arbeitslose durch Hartz4 Sanktionen in solche Jobs presst braucht später nicht über die Machtlosigkeit der Gewerkschaften klagen.

  • Der Artikel klammert völlig die unterschiedlichen Argumente der beiden Seiten aus. Verdi will, dass Amazon nach Einzelhandels- und versandhandelstarif bezahlt. Amazon bezeichnet sich als Logistikunternehmen und verweist darauf, oberhalb des Logistiktarifes zu bezahlen. Warum wird das nicht thematisiert? Warum wird so selten über die Löhne der Logistikbranche gesprochen?

     

    Verdi hat Amazon auch deshalb als Ziel gewählt, weil die Gewerkschaft im Einzelhandel insgesamt kaum was auf die Reihe bekommt. Die schlechten Bedingungen im Textilhandel - viele Teilzeitjobs auf Abruf - schreien geradezu nach Maßnahmen, aber da ist Verdi zu schwach aufgestellt. Wie schön, dass der "böse" US-Konzern als Beispiel herhalten kann, dass man doch nicht ganz untätig ist...

    • @Mark_Sch:

      Und BMW stellt Schokoriegel her. ;-)

    • @Mark_Sch:

      "Die schlechten Bedingungen im Textilhandel - viele Teilzeitjobs auf Abruf - schreien geradezu nach Maßnahmen, aber da ist Verdi zu schwach aufgestellt." (Zitat: Mark_Sch)

      Manche Zeitgenossen neigen hier zu sehr merkwürdigen Vorstellungen. Sie argumentieren als wären Gewerkschaften quasi so etwas wie halbamtliche Gerechtigkeits-Sheriffs, die sich verdammt noch mal um die Verdammten dieser Erde zu kümmern hätten.

      Sie ignorieren dabei nachhaltig die Tatsache, dass es sich stattdessen um die Selbsthilfeorganisationen von organisierten ArbeitnehmerInnen handelt. Und diese kümmern sich nun mal um ihre ureigensten Belange, nämlich die Arbeitsbedingungen in der Branche in der sie arbeiten. - Etwas anderes dürfen sie auch gar nicht. Das ist in Deutschland gesetzlich deutlich reglementiert.

      In Branchen in denen der Organisationsgrad der ArbeitnehmerInnen nur sehr dünn ist, wird folgerichtig genau deswegen auch nicht viel nach vorne gehen. Schuld daran sind ausschließlich die nichtorganisierten Betroffenen selbst. Es geht einfach nicht seine Eigenverantwortung wie ein verwöhntes Kind anderen zuzuschieben. Wer seinen Hintern nicht hochkriegt, der bleibt eben sitzen.

  • Ich halte es von Anfang an so!

    Kaufe nie bei Amazon!!!

  • Das Problem an Amazon ist wohl eher, dass sie Steuern vermeiden und Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten. Der Einzelhandel geht kaputt, weil Online-Vertrieb günstiger ist. Prekäre Arbeitsbedingungen herrschen bei den Lieferdiensten - weniger bei Amazon selbst.

  • Na ja, Ver.di hat offenbar auch keine Aktionen um diesen Streik so recht organisiert. Die Menschen kaufen wie verrückt bei amazon - trotz der Meldungen über Entlohnung und Arbeitsbedingungen.

     

    Als Juso standen einige Freund von mir vor 35 Jahren vor Supermärkten und forderten zum Boykott von Waren aus Chile und Südafrika auf - das wirkte, aber die Ware war ja im Supermarkt und der Kunde stand direkt vor den Jusos.

     

    Bei Amazon läuft es eben so nicht - plakative Aktionen fallen schwer, wenn die Pakete in einem Berg von anderen Paketen liegen und die Kunden eigentlich ganz zufrieden sind mit amazon (nun sie arbeiten dort ja auch nicht, es geht nicht um ihren Lohn).

     

    Für mich ist Ver.di keine tolle Gewerkschaft, aber das waren die DPG und ÖTV auch nicht - Fusionieren ist besser als langsam dahinsiechen, keine Ahnung, die Losung für die Gründung von Ver.di ist nicht aufgegangen.

     

    Die Dienstleistungsbranche ist für Gewerkschaften schwer zugänglich. Wahrscheinlich haben Gewerkschaften nur in den Verwaltungen von Industriebetrieben hohe Organisationsraten, weil dort die Tarifverträge eine ganze andere Bedeutung haben als in einem Ortsamt, einer Zeitung oder gar einem Pflegedienst.

     

    Wie sich das bei einer hohen Arbeitslosigkeit ändern lässt, hat noch kein Gewerkschafter herausbekommen und viel spricht dafür, dass es so bleibt, leider. Die Politik muss gegen diese Unternehmen mit ihren regelrecht kriminellen, aber legalen Steuervermeidungspraktiken vorgehen. Anders wird es nicht gehen. Dann ist wenigstens etwas Amazon-Geld in öffentlicher Hand.

  • Grundsätzlich haben verschiedene Gewerkschaften mit dem Problem einer völlig veränderten Arbeitswelt zu tun. Sich gewerkschaftlich zu organisieren, hat offensichtlich heute etwas mit Bildung zu tun. Es bedarf der Erkenntnis, wie kollektive Bedürfnisse und Interessen der Arbeit gegen das Kapital durchgesetzt werden können. Hier scheint der große weiße Fleck in unserer Gesellschaft sich in den vergangenen 30 Jahren deutlich vergrößert zu haben. Anscheinend ist hier eine große Leerstelle in Schule, Studium und anderen Bildungs-agenturen. Gleichzeitig lässt sich nachweisen, dass in Bereichen mit hohem Organisationsgrad tarifliche Verbesserungen auch von verdi durchgesetzt wurden. Am Anfang steht aber das Bewusstsein, auf welcher Seite mann/frau sich gesellschaftlich befindet.

    • @Karl Sasserath:

      Richtig!

  • Schlimm, was sich dieser Ami-Laden hier in Deutschland erlaubt.

    Zahlt hier keine Unternehmenssteuern und macht fette Gewinne hier im Lande.

    Es wird höchste Zeit diesen Ami-Laden zu reglementieren und die gesetzl. Vorschriften für eine faire Besteuerung in Deutscchland zu schaffen.

    Kein Mensch braucht diesen Ami-Laden. Einkaufen, persönlich, vor Ort ist angesagt.

  • Das Problem sind abwegige Forderungen, das Amazon nach Einzelhandeltarif bezahlen soll. Nur ist keiner der Beschäftigten ein Einzelhändler. Es sind zumeist ungelernte Kistenschieber, und gehen dann mit irgendwas zwischen 1600-2000€ nach Hause.

    Ehrlich gesagt finde ich das Gehalt vollkommen angemessen.

     

    Verdi kämpft da auch nur noch, um sich selbst ne gute Presse machen zu können. Allerdings hätte ihnen klar sein müssen, daß es Amazon einen xxxxx interessiert. Verlierer ist die Gewerkschaft, und das zu Recht! Sie haben die letzten 20 Jahre nur für eigenes Ego gekämpft und nicht für Mitglieder. Ich habe selbst nach einem gewonnen Kampf beim Arbeitgeber vergebens das vereinbarte verlangt, und die feinen Gewerkschaftsvertreter kamen dann mit dem Spruch "ja wenn die nicht wollen, können wir auch nichts machen." ..... der ganze Haufen kämpft nur noch für sich selbst, und hat zudem die Globalisierung verpennt und kämpft nun an verlorener Front.

    • @F. Tee:

      Es geht um den Versandhandels Tarif. Warum sollte Amazon besser gestellt sein als Otto, Klingel, Wenz, Neckermann etc.

    • @F. Tee:

      Ja, was fällt Ihnen denn ein? Woher nehmen Sie sich die Kompetenz und das Recht heraus darüber zu befinden wieviel Andere mit welcher Arbeit zu verdienen haben?

      Und ausgerechnet so ein selbstgerechter Egomane wie Sie bezichtigt Andere des Egoismus? Geht's noch?

  • Es ist wie überall. Der Kunde hat die Macht. Würde der Konsument entsprechend reagieren, hätte Amazon schnell ein Problem. Das wird nicht passieren. Auf dem Sofa den Hintern platt drücken und nach der Bestellung, mit Blitzlieferung das Paket in den 5. Stock trinkgeldlos liefern lassen. Das ist Ursprung allen Übels

    • @Norbert Wentz:

      "Es ist wie überall. Der Kunde hat die Macht."

      Es gibt da schon Einschränkungen durch: mangelnde Transparenz, eingeschränkten Zugang zu Informationen, Bildungsmangel, geringes Einkommen (!)... In Zeiten zuspitzender Verarmung nimmt auch die Konsumautonomie ab.

      Mensch mag woanders bestellen oder direkt in Läden kaufen können - solches Vorgehen geht aber nur begrenzt. Mit HartzIV wird mensch sich schwerlich Bio-FairTrade leisten können. Wobei FairTrade dann auch nur wenige Waren betrifft.

      "Das ist Ursprung allen Übels"

      Gier der Konsument_innen - das ist mir zu vereinfacht und trifft letztlich nicht das Problem. >Kapitalismus! Was sich auch als System umschreiben lässt, in dem die Menschen als Konkurrent_innen gegeneinander gestellt werden/sich stellen. Solidarität wird erschwert.

    • @Norbert Wentz:

      Der Kunde bräuchte sein Verhalten im Grunde nicht verändern - nur nicht mehr über Amazon bestellen reicht. Am besten direkt bei den Produzenten.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Norbert Wentz:

      Stimmt, wenn der Konsument ökologisch, ethisch und sozial korrekt handeln würde, dann gäbe es keine Massentierhaltung, keine Kinderarbeit bei der Herstellung von iphones/Smartphones, keine Dumpinglöhne in der Textilindustrie, keine Umweltverschmutzung und nur noch Bio und Fairtrade, es gäbe nur noch Veganer! Solch einen Konsumenten hatten wir bisher allerdings noch nie mehrheitlich. Ist irgendwie eine kleine elitäre Gruppe. Daher bleibt wohl der Belegschaft nichts anderes übrig, als Betriebsräte, Gerwerkschaften und eine wirklich sozial agierende Partei zu stärken. Wer hauptsächlich auf den Konsumenten hofft, hat bereits verloren! Wer weder in einer Gewerkschaft ist, weder Betriebsräte oder nicht mal eine Partei wählt, die sich für eine Stärkung von Betriebsräten und Gewerkschaften einsetzt, hat bereits ebenso verloren! Ein Geschichtsbuch kann da tatsächlich helfen!

      • @2097 (Profil gelöscht):

        "Stimmt, wenn der Konsument ökologisch, ethisch und sozial korrekt handeln würde", sich organisieren würde und eine radikale Position vertreten würde, dann gäbe es keinen Kapitalismus ;)

    • @Norbert Wentz:

      Vollkommen richtig, lieber Herr Wenz!

      Bei mir landen sämtliche Amazon-mails seit einiger Zeit im Spam-Ordner. Ich bestelle dort nichts mehr, solange Amazon sich derart übel aufführt. Und: Ich teile dies Amazon unregelmäßig auch via Antwort-Funktion mit, damit die auch registrieren wieso sie mit mir kein Geschäft mehr machen.

      Mal abgesehen davon, dass Versandhandel generell ziemlich überflüssiger Luxus ist (Es gab auch ein Leben vor Amazon!), kann jeder ohne großen Aufwand auf andere Versandhäuser ausweichen. Das ist auch für den bequemen Couchpotato kein Problem - wenn er denn so will.

      Ich denke, dass wir als Verbraucher unseren gewichtigen Sofaarsch ruhig mal in die Waagschale werfen und Solidarität mit den Streikenden üben sollten. Vom ewigen Rumraisonieren alleine wird diese Welt keinen Deut besser.

      Obendrein: Jeder Euro, der Versandhändlern in den Rachen geworfen wird, schwächt den Einzelhandel und vernichtet dadurch Ausbildungs-und Arbeitsplätze unmittelbar vor Ort. Wenn also Eure Kinder keinen Job mehr im Städtchen finden, dann auch deshalb weil Ihr die örtlichen Strukturen durch Eure Bequemlichkeit zerstört.

  • Verloren

     

    Wer sich nicht organisiert,

    der verliert!

     

    ...

     

    Da hilft ein Blick ins Geschichtsbuch. Wenn man denn eins hätte...

    • @Hartz:

      Kann man ganz einfach bei Amazon bestellen

      • @RedPars:

        Hat man schon in der Schule gekriegt...

  • Einfach...

     

    Solidarität ist nicht mehr gefragt!

    Es regiert der Egoismus zuungunsten der Arbeitnehmer. So ist das in der Ellenbogengesellschaft. Und die wenigen Reichen lachen sich scheckig.

    Ganz einfache Sache...

    Mal schauen, wie lange das noch gutgeht.

  • Sicherlich verträgt sich das Agieren von Amazon mit dem wirtschaftlichen Rahmen hier. Prekarisierung ist das Ergebnis von Politik - auch von der der SPD. Prekarisierung hemmt natürlich auch Arbeitnehmer_innen darin sich zu organisieren. Andere AN wiederum üben sich ganz neoliberal im kurzsichtigen Egoismus.

    • @Uranus:

      Wo verorten sich die Gewerkschaften eigentlich im gegenwärtigen Regierungssondierungspoker und wo waren sie im Wahlkampf?

       

      Mir scheint, die Kollegen sind total abgetaucht

      • @duscholux:

        Gewerkschaften im Wahlkampf ??? Gewerkschaften beim Koalitionspoker ???

        Wenn hier jemand abgetaucht ist, dann doch wohl Ihre politische Allgemeinbildung. Also kommen Sie endlich mal raus aus Ihrer Dusche bevor Sie noch ganz aufweichen.

        • @LittleRedRooster:

          Grundsätzlich erscheint mir meine implizite Forderung danach, dass die Gewerkschaften auch in Wahlkampf- und Regierungsbildungszeiten ihre Erwartungen formulieren und Fehlentwicklungen anprangern, nicht abwegig.

           

          Das hat nichts mit politischer Allgemeinbildung zu tun, man schaue nur einmal auf das Verhältnis britischer Gewekschaften zu Labour.

          • @duscholux:

            OK - angekommen! War wohl schon ein wenig missverständlich formuliert, gell.

            Nun, offiziell halten sich deutsche Gewerkschaften als Organisation parteipolitisch eher bedeckt. Was jedoch den einzelnen Gewerkschafter nicht daran hindert sich in einer Partei zu engagieren. Bei uns hat man sich allerdings auf das Prinzip der Einheitsgewerkschaft eingeschworen, welches u.a. auch besagt, dass (fast) jeder aufgenommen wird, egal welcher Partei er anhängen mag. So werden parteipolitische Differenzen innerhalb der Organisation versucht zu vermeiden.

            Das ist in Frankreich z.Bsp. anders. Dort zeigen Gewerkschaften eigenes politisches Profil und ziemlich deutlich ihre parteipolitischen Präferenzen. Das hat, aus meiner Sicht, den Nachteil dass es dann eben oft mehrere konkurrierende Gewerkschaften in ein und dem selben Betrieb gibt. Allerdings hat es auch den Vorteil, dass diese auch politisch kampfbereiter zu sein scheinen obwohl sie personell eigentlich schwächer sind. Sich "zur Fahne bekennen" bringt scheinbar mit sich, dass sich jeweils nur Gleichgesinnte anschliessen.

            Wie das nun speziell in England ist, also da habe ich nun ein paar Bildungslücken. Es scheint sich aber ähnlich wie in Frankreich zu verhalten.

            Ich stimme Ihnen aber zu: Die deutschen Gewerkschaften sollten mal aufhören ihr ohnehin nicht vorhandenes parteipolitisches Jungfernhäutchen zu verteidigen. Sauereien wie Hartz IV und Rentenkürzungen müssten via politischer Streiks bekämpft werden. Aber: In Deutschland geht ja die nicht tot zu kriegende Mär um, politische Streiks wären verboten, was natürlich kompletter Unsinn ist.

  • Anständiger Artikel. Zur Vollständigkeit hätte ich mir darin noch die Darlegung der derzeitigen Arbeitsbedingungen bei Amazon und der von Verdi angestrebten tarifvertraglichen Regelungen gewünscht.

  • Man kann nicht erst viele Jahre lang sämtliche Zumutungen der neoliberalen Politik nach ein bisschen Verbalgeplänkel (für die Mitglieder) brav abnicken und sich dann wundern, wenn Arbeitskämpfe angesichts der gestiegenen und gefestigten Macht der Konzerne und des mangelnden gesellschaftlichen Rückhalts der Streikenden zur Farce werden.

     

    Nennt man Appeasementpolitik, ging bislang immer nach hinten los. Nur weil die SPD die neoliberale Wende mit allen Konsequenzen vollzogen hat, mussten die DGB-Gewerkschaften ja noch lange nicht treudoof mitzuziehen, ham se aber…

  • Hier braucht es Gesetze, die für große Unternehmen Tarifverträge vorschreiben...

  • Bei aller berechtigter Kritik an Amazon darf man schlicht auch nicht vergessen, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort für die Tätigkeit als Lageristen ungewöhnlich gut bezahlt werden. Andernorts ist Mindestlohn mit routinemäßiger Überschreitung der Arbeitszeit ohne Vergütung gängig.

    Verdi arbeitet sich seit Jahren erfolglos an Amazon ab, anstatt sich um die große Masse von Angestellten zu kümmern, die gerade im medialen Bereich fernab von Tarifverträgen arbeiten. Keiner meiner Bekannten in der Internetbranche arbeitet in einem Betrieb mit Tarifverträgen. Das sind teils Startups, teils Ableger etablierter Betriebe, und die meisten haben nicht einmal Betriebsräte.

    Also, Verdi - mal weg vom Global Player, back to the roots und wieder ran an die Arbeitnehmer, die sich von euch nicht vertreten fühlen.

    • @Frida Gold:

      "Keiner meiner (Frida Golds] Bekannten in der Internetbranche arbeitet in einem Betrieb mit Tarifverträgen. Das sind teils Startups, teils Ableger etablierter Betriebe, und die meisten haben nicht einmal Betriebsräte."

       

      Sind die Bekannten denn gewerkschaftlich organisiert? Daran hapert es doch, der Organisationsgrad ist in vielen Branchen und vielen Betrieben viel zu gering, um nennenswert etwas zu bewirken.

       

      Ganz abgesehen von den Situationen, in denen sich nichtorganisierte Kollegen gegen organisierte ausspielen lassen.

    • @Frida Gold:

      Liebe Frau Gold!

      Gewerkschaften sind keine Quasi-Weihnachtsmänner, die nach Belieben oder Bedarf Wohltaten zu verteilen haben, sondern die Selbstorganisation von ArbeitnehmerInnern jeweils jener Branche oder Betriebe in der die in ihr Organisierten gerade arbeiten und haben auch nur dort die Möglichkeit aktiv zu werden. Dies unterliegt in Deutschland einer sehr strengen rechtlichen Reglementierung von Seiten des Staates.

      Deshalb geht Ihr Vorwurf Verdi würde quasi willkürlich nur für bestimmte Gruppen von ArbeitnehmerInnen etwas unternehmen ins Leere, weil Ursache und Wirkung komplett verkannt werden.

      Wer sich darüber beklagt, dass eine Gewerkschaft für ihn nichts tun würde und sich auch nicht in ihr organisieren will, der hat hier also etwas gründlich mißverstanden und greint wie ein kleines Kind über den vermeintlich ungerechten Weihnachtsmann, der das ersehnte Geschenk nicht bringen will.

      Selbst(organisiert) ist der Mann (und die Frau)!

    • @Frida Gold:

      Bitter - aber absolute Realität.

    • @Frida Gold:

      Auch im IT-Bereich ist der Organisationsgrad ungeheuer niedrig.

       

      Meiner Meinung nach könnte dem Abhilfe geschaffen werden, wenn nur Mitglieder einer Gewerkschaft auch an den Lohnerhöhungen und sonstigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen teilhaben können.

       

      Man sieht es doch am Beispiel der Friseure und Krankenpfleger/schwestern. In den 70er Jahren waren die Verdienste beider Berufsgruppen noch fast gleich. Heute verdienen Krankenschwestern fast das Doppelte und haben 50% mehr Urlaub.

       

      Nun raten Sie einmal, welche Gruppe gewerkschaftlich besser organisiert ist?

       

      Die Schuld würde ich hier nicht an Verdi verteilen wollen, sondern an die ArbeitnehmerInnen, die sich nicht organisieren und die KundInnen, die so einen Konzern reich machen und an die Politik, die nicht dafür Sorge trägt, dass die Global-Player auch Steuern in dem Land zahlen, indem sie ihre Gewinne produzieren.

       

      Solange jedenfalls wird mich Amazon nicht als Kunden registrieren können

      • @Thomas Elias:

        "(...) könnte Abhilfe geschaffen werden, wenn nur Mitglieder einer Gewerkschaft an den Lohnerhöhungen und sonstigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen teilhaben können." (Zitat T. Elias)

        Das mag sein. Es würde auch meinem Gerechtigkeitsempfinden entsprechen und die ewigen Trittbrettfahrer, Egotripper und Liberallalas verdient abstrafen. Von solidarischer Aktion sollte auch nur der profitieren der Solidarität übt. Rein rechtlich könnten Arbeitgeber dies ja auch so handhaben. (Zumindest solange ein Tarifvertrag nicht für allgemeingültig erklärt worden ist).

        Nur: Das würde die Leute ja in die Gewerkschaften treiben. Und aus exakt diesem Grunde werden sich Arbeitgeber auch davor hüten dies zu tun.

        Für uns Unbeteiligte bleibt aber als eigene Möglichkeit Solidarität zu üben: Gut überlegen wo man einkauft - und wo erst mal nicht (mehr).

      • @Thomas Elias:

        Natürlich müssten sich die Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisieren, nur um mal einen Kumpel zu zitieren: "Ich nehme an, unsere Gewerkschaft wäre Verdi. Aber von denen höre ich immer nur Einzelhandel, öffentlicher Dienst und Amazon." Keiner meiner Bekannten ist Gewerkschaftsmitglied - man tritt schlicht nicht in einen Verein ein, der andere Interessen hat.

        Solange Verdi mit nebulösen Gruppierungen wie "Medien, Kunst und Industrie" arbeitet, werden Menschen sich nicht vertreten fühlen, zumal dieser Bereich traditionell Journalisten, Schriftsteller und Drucker vertritt - und nicht z.B. Webdesigner, Online Marketing-Experten oder Shop-Programmierer. Entweder werden hier krass unterschiedlichste Berufsgruppen munter vermischt - oder die letztgenannten "modernen" Berufe sind schlicht nicht mit gemeint, weil nicht in der Verdi-Realität verankert.

        Letzteres ist der Eindruck, den Angestellte dieser Berufsfelder haben: Verdi weiß entweder nichts von ihnen oder hat kein Interesse.

      • @Thomas Elias:

        Ein guter Beitrag.

         

        Ich bin NGG-Mitglied und die Gewerkschaft ist relativ stark in unserem Betrieb. Doch anstatt sich bewusst zu machen, warum "der Arbeiter" bei uns eine Stimme hat, nehmen dies sogar einige zum Anlass, aus der Gewerkschaft auszutreten um Gebühren zu sparen. Gibt ja genug andere, die sich einbringen!

         

        Sowas finde ich noch viel trauriger, als das Beispiel Amazon. Dort gibt es häufig "Befristete", die leider gewisse Konsequenzen befürchten müssen, wenn sie sich organisieren...deren Vorsicht ist in dieser Situation leider nicht feige, sondern der Situation geschuldet.

         

        Wie in einem anderen Post beschrieben geht es allerdings nicht nur ums prominente Beispiel Amazon. "Der Arbeiter" überall ausgebeutet, wo der Gesetzgeber nicht wirksam einschreitet.

         

        P.S: Was macht die SPD eigenlich so? In der Werkshalle lange nichts mehr von denen gehört.

  • Das nennt man Freiheit: Ausbeuten, wen man will und wie man will. Hätte Amazon die Möglichkeit, in Sweatshops Menschen gleich ganz zu versklaven, würde es das auch machen. Markt hat eben weder mit Menschlichkeit noch mit Anstand zu tun.

    • @Karl Kraus:

      Amazon hat diese Möglichkeit, tut es aber nicht. Die Bedingungen bei Amazon sind besser, als Verdi uns glauben machen will - warum wohl? Um an die Fleischtöpfe des Verhandlungstisches zu kommen! Nur wenige Angestellte streiken mit - warum wohl? Aus Angst vor Jobverlust bei Amazon und dann schlechtere Bedingungen bei anderen Unternehmen.

      In Deutschland kümmern sich Gewerkschaften und gewerkschaftsgetragene Betriebsräte zunehmend um sich selbst und die eigenen Privilegien und immer seltener um Fachkräfte und den wirklich arbeitenden Teil der Belegschaft..

      • @TazTiz:

        "Die Bedingungen bei Amazon sind besser, als Verdi uns glauben machen will" (Zitat Tazti)

        Da scheinen aber die streikenden Amazon-Angestellten grundlegend anderer Meinung zu sein. Wie kommt das denn nun?

        Und was soll diese dummdreiste und beleidigende Bemerkung von dem "wirklich arbeitenden Teil der Belegschaft"? Sind ausgerechnet Sie nun derjenige der Lohnarbeit erfunden und deshalb auch darüber zu befinden hat wer "wirklich arbeitet"?