Strafverfolgung im Internet der Dinge: Verbrecher fangen mit Kühlschrank?!
Können Elektronikgeräte zur Verbrechensaufklärung beitragen? Das erforscht Niedersachsens Polizei mit Wissenschaftler:innen.
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Wie man all das, was in WLANs, Bewegungsmeldern oder Stromzählern anfällt, für die Aufklärung von Verbrechen nutzbar machen kann, soll in den kommenden zwei Jahren ein gemeinsames Forschungsprojekt des „Innovation Hub“ der niedersächsischen Polizei und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften im östlichen Niedersachsen herausfinden. Das gab die Hochschule Anfang Dezember bekannt. Knapp 400.000 Euro gibt es für das Projekt „Smarthome Forensics“ vom Land und der EU.
Die Möglichkeiten, digitale Zeugen zu befragen, sind nämlich vielfältig. Die Daten eines WLAN-Routers könnten zeigen, wer zum Zeitpunkt einer Straftat eingeloggt und also am Tatort war. Bewegungsmelder könnten Aufschluss darüber geben, wie viele Personen vor Ort waren. Und wenn zum Beispiel „der Stromverbrauch plötzlich nachts ansteigt“, erklärt Projektleiter Felix Büsching von der Ostfalia, „ist das zumindest ein Hinweis auf irgendeine Aktivität zum betreffenden Zeitraum“. Sein Kollege Thorsten Uelzen geht noch weiter: „Allein durch die Betätigung von Lichtschaltern oder das Auslösen von Bewegungssensoren könnte ein Tathergang in einem Haus zeitlich perfekt rekonstruiert werden.“
Nutzer:innen haben angeblich schon zugestimmt
Dass bei dem Projekt der Datenschutz und rechtliche Aspekte „eine wesentliche Rolle“ spielen, ist den Verantwortlichen bewusst. Die Auswertung der Daten orientiere sich „stets an den bereits vorhandenen Regelungen“, sagt Kathleen Arnhold, Vizepräsidentin der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen. Das heißt, die Auswertung muss richterlich angeordnet werden. Zusätzliche Geräte würden nicht installiert, betont Büsching.
„Anfälligkeiten für Manipulationen oder Spionage“ durch möglicherweise böswillige andere Akteure solle das Projekt erkennen und „Möglichkeiten zum Melden oder Schließen der entdeckten Lücken“ etablieren. Und der Verwendung der Daten hätten die Nutzer:innen ja „bei der Installation der smarten Geräte bereits ex- oder implizit zugestimmt“, so Büsching.
Zunächst solle es aber laut der Ostfalia darum gehen, herauszufinden, welche smarten Haushaltsgeräte überhaupt Daten speichern, die später interessante Zusatzinformationen liefern können, und wie diese Geräte an einem Tatort ausfindig gemacht werden. Herauskommen solle unter anderem eine Handlungsempfehlung an die Ermittelnden, ob es jeweils besser ist, die Geräte vom Tatort mitzunehmen oder sie vor Ort auszuwerten, damit möglichst wenig Daten zum Beispiel durch Stromverlust verloren gehen.
Außerdem sollen Szenarien entwickelt werden, „die sich an der tatsächlichen Ermittlungsarbeit von Polizei, Kriminaltechnik und Forensik orientieren“. Dafür sollen Forschende und Studierende bei der Polizei hospitieren, um „die Szenarien und Lösungen innerhalb des Projekts möglichst praxisnah und praxistauglich gestalten zu können“.
Die Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten in einen Zusammenhang zu stellen, sei „eine Mammutaufgabe“, die in zwei Jahren Projektlaufzeit nicht „vollumfänglich“ gelöst werden könne, schätzt Büsching, „aber wir können anhand von Beispielen aufzeigen, wo die Reise hingehen kann“.
Vorläuferprojekt fand Sicherrheitsprobleme
Ein ähnliches Projekt zu polizeilichen Ermittlungen im „Internet der Dinge“ gab es von 2018 bis 2021 in Mecklenburg-Vorpommern. Das Kooperationsprojekt „Emerge IoT“ von der Uni Rostock und dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern hatte zum Ziel „die Entwicklung von Kompetenzen, Methoden und Werkzeugen für zukunftsorientierte Ermittlungen und Ermittlungsunterstützung im „Internet of Things“ (IoT)“. Herausgekommen war dabei unter anderem auch, wie viele Sicherheitsprobleme es bei smarten Geräten zu Hause gibt.
Das Thema polizeiliche Ermittlungen im Internet der Dinge sorgt immer mal wieder für Aufregung. 2019 hatte es vor der Innenministerkonferenz Gerüchte gegeben, die Innenminister wollten Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf Alexa und Co geben. „Wir wollen keine Kinderzimmer überwachen“, beschwichtigte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Niedersachsens damaliger Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Weder Alexa noch Google Home sollten und dürfen abgehört werden.“
Daten eines intelligenten Kühlschranks zu beschlagnahmen und auszuwerten, war aber auch damals schon möglich, nämlich immer dann, wenn es bei einem traditionellen Kommunikationsmittel oder Speichermedium oder Gerät auch erlaubt wäre, merkte das Online-Portal netzpolitik.org an. Die Bundesregierung hatte 2017 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP nämlich längst klargestellt, dass smarte Geräte nichts anderes als informationstechnische Systeme sind, für die es Regeln gibt. Es sei deshalb „gar kein spezifischer strafprozessualer Regelungsbedarf ersichtlich“.
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