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Steuerdebatte zwischen SPD und UnionKeine Denkverbote

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Koalition ringt um die Finanzierung des Sozialstaates. Dass die SPD Steuererhöhungen für Vermögende ins Spiel bringt, ist absolut folgerichtig.

Lars Klingbeil, Bundesfinanzminister SPD und Bundeskanzler Friedrich Merz CDU (r) suchen Geldquellen für den Haushalt Foto: Ipon/imago

D ie schwarz-rote Regierungskoalition diskutiert gerade (streiten will sie nicht mehr), ob wir uns den Sozialstaat noch leisten können. Führende Unionsvertreter fordern „harte Einschnitte“, SPD-Spitzenkräfte nennen das „Bullshit“ und liebäugeln mit Steuern für Hochvermögende. Der Streit mutet an wie die jüngste Verkaufsstrategie eines bekannten Schokoladenherstellers: bunte Verpackung, wenig Inhalt.

Denn weder führen Friedrich Merz oder Markus Söder, die rhetorisch den Kürzungshammer schwingen, an, welche Sozialleistungen sie kappen wollen. Noch erklärt Finanzminister Lars Klingbeil, wie er Milliardäre schröpfen möchte. Alle drei eint zudem die Furcht vor der eigenen Basis. Einschnitte bei der Rente – größter Posten im Haushalt? Bloß nicht, sind alles unsere ­Wäh­le­r:in­nen. Ach ja, die CSU hat den Kuchen mit der Mütterrente gerade vergrößert. Weniger Kassenleistungen für Versicherte? Auch nicht ­populär.

Das unablässig ins Feld geführte Bürgergeld eignet sich vor allem als Fetisch, um den Frust auf eine vergleichsweise kleine Gruppe zu lenken. Bei denen allerdings keine „zweistelligen Milliar­denbeträge“ zu holen sind, wie Merz noch im Wahlkampf propagierte. Denn das Verfassungsgericht hat den Staat auf Einhaltung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet.

Dass die SPD zusätzliche Einnahmen ins Spiel bringt, ist folgerichtig. Die Union jault zwar, dass im Koalitionsvertrag keine Steuererhöhungen vorgesehen sind – allerdings auch nicht ausgeschlossen. Und es wäre ja verrückt, sich ein solches Denkverbot aufzuerlegen, wenn mitten in Europa Krieg herrscht, die Weltordnung wankt, die Demokratie bedroht ist und im Haushalt bis zum Ende der Legislatur ein dreistelliges Milliardendefizit droht.

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Es gehört zum Prinzip des deutschen Sozialstaats, dass jene, die mehr haben, mehr beitragen. Das gilt allerdings nur noch bedingt. Gerade Er­b:in­nen von Millionen- und Milliardenvermögen zahlen kaum Steuern. Schaffte man die Ausnahmen für wenige ab, stünden der Allgemeinheit nach Berechnung des Netzwerks Steuergerechtigkeit jährlich 5 bis 10 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Eine Steuer von unter einem Prozent auf Vermögen über einer halben Million brächte laut Oxfam sogar mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr. Gibt’s nur im Kommunismus? Nein, in der Schweiz.

Es macht ein wenig Hoffnung, dass die SPD zaghaft auch die Reichen in den Blick nimmt und nicht nur die Armen unter Druck setzt. Aber das reicht nicht. Es braucht auch etwas mehr Inhalt. Von allen Parteien.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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17 Kommentare

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  • Die Union tut alles dafür, dass die Bevölkerung noch gespaltener, noch ungleicher wird. Weiter Steuergeschenke für Überreiche und weiter Sparen bei denen, die jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie am Ende des Geldes den Monat überleben sollen.



    Und die SPD steht daneben und weiß nicht was sie tun soll außer alles abzusegnen, was an Asozialem aus Richtung Union kommt.

    Die Union ist mittlerweile so weit weg von der Realität der Mehrheit im Land, dass Merz auf dem Parteitag der CDU sogar den Aufstockern vorgeworfen hat, dass sie sich zu zu niedrigen Löhnen beschäftigen lassen. Als wenn es wirklich in der Macht der Aufstocker liegt, hier große Gehaltsverhandlungen führen zu können.



    Ein Merz, der sicherlich sein Gehalt bei Blackrock aushandeln konnte geht nun wirklich davon aus, dass jeder Arbeitnehmer diese Möglichkeit hat.



    Wie weit weg kann man von der Realität sein?

    Meine Prognose für die nächste Wahl, wenn das so weiter geht, ist ganz klar, die SPD kann sich freuen, wenn sie nochmals in den Bundestag kommt, die Union kann sich freuen, wenn es nochmal über 20% werden. Und schade finde ich das nicht, den beide Parteien beweisen, dass sie nichts verstanden haben!

  • Der Auftritt von Söder beim Lanz gestern raubt mir jetzt teilweise noch die Luft, die ich beim Ausformulieren des Kommentars dringend benötige…bin sprachlos, wie ein Populist ersten Grades (übrigens jemand, der via Gattin ein millionenschweres Unternehmen erben wird und allein schon deswegen gegen die Erbschaftsteuer ist) in einer Fernsehsendung völlig unkommentiert seine Phrasen dreschen darf, teilweise dermassen hanebüchen, dass Einem die Haare zu Berge stehen…



    Und eine Münchner Zeitung träumt heute von einer Rochade vdL nach Bellevue und Söder nach Brüssel, Prosit Wiesn!

  • Statt 1% auf Vermögen ab 500.000 wären 5% auf Vermögen ab 100 Mio.€ besser. Letzteres würde 150 Mrd. € bringen und nur 3900 Personen betreffen, die sich das leisten können.



    Ersteres würde Millionen Menschen betreffen. U.a. die von Söder so oft beschworene Tante Emma mit ihrem Häuschen.



    Ausserdem bräuchte man dafür zugtausend neue Finanzbeamte, während man für due 3900 nur 100 braucht.

  • Es wäre bei der Erbschaft wie Vermögen, dass die Steuer auch faktisch gezahlt würde. Nix zusätzlich, einfach nur angemessene Einbeziehung der Trickser und Lobbyschmierer. Übrigens im Sinne aller Ehrlichen von arm bis reich zu extrem reich.

  • Vermögenssteuer ist ganz logisch und richtig. Maschinensteuer (erinnert sich noch jemand daran) wäre auch super, eine soziale und gerechte Erbschaftssteuer auch von mir aus.



    Aber solange die dicksten Konzerne (Apple, google, tesla, facebook, microsoft...) bei uns Steuern im Bereich von 0,5% bis 2% bezahlen, wirkt das alles doch ein wenig lächerlich.



    Wie wäre es wenn man zuerst einmal die Steuerschlupflöcher schließt?

  • "Können wir uns noch unseren Sozialstaat leisten" orakelt Merz und seine "Mannschaft". Gegenfrage: "Können wir uns noch solch einen Haufen inkompetenter Politiker leisten, die ausser öffentlicher Wurstfresserei, Grünenbashing und Querfeindlichkeit nichts zu bieten haben. Wer hat alle Warnungen in der Wind geschrieben und unsere Energieversorgung an Russland gekoppelt? Wer hat dafür gesorgt, dass die deutsche Autoindustrie den Chinesen dermaßen auf die Sprünge geholfen haben, dass sie heute selbst mit dem Rücken zur Wand stehen und die Chinesen ihre Autos nun hierher exportieren. Wer hat Trump jahrelang unterschätzt und muss sich nun wohlmöglich andere Märkte suchen. Wer hat unser Bildungssystem so runterkommen lassen, dass wir uns heute fragen müssen, ob diese Jugend es überhaupt jemals zu etwas bringen wird. Wer hat diese "Wir schaffen das" runtergebetet, obwohl klar war, dass wir es nicht schaffen werden? Die Aufzählung würde den Rahmen sprengen, deshalb nur soviel: Ihr seid einfach Sch****!

    • @shitstormcowboy:

      Sehr gut zusammengefasst! Gehe bei allen Punkten mit, außer bei der Kritik an "Wir schaffen das".



      Wir hätten das locker geschafft, wenn man nicht ein Steuerschlupfloch nach dem anderen für Überreiche gebaut hätte. Bei den Steuersätzen, die wir noch in den 70ziger Jahren hatten, wäre genug Geld in den Staatskassen, so dass man diese Flüchtlingswelle locker hätte bewältigen können.



      Nach 50 Neoliberalismus haben nun aber leider die oberen 1% genug Geld, dass sie jeden Blödsinn damit machen können, und genau das Geld fehlt dem Gemeinwesen!

  • Die Vermögensteuer, die seit 1997 einfach mal so ausgesetzt wurde und blieb muss wiederkommen. Übrigens, Gas Gerd hat ja im Zuge der Agenda 2010 und Klagen der Beamten es sogar geschafft die Rente zu besteuern. Wer in Deutschland nicht ein Haus oder Vermögen erbt wird es lebenslang schwer haben überhaupt noch auf einen grünen Zweig zu kommen.

    • @KLaus Hartmann:

      Die Vermögenssteuer wurde nicht, wie Sie behaupten, einfach so ausgesetzt. Sie wurde ausgesetzt, weil das BVerfG die damalige Form für verfassungswidrig erklärt hat.



      Es gibt auch einen guten Grund warum sich damals alle einig waren, warum eine Neugestaltung sinnlos wäre. Dieser Grund liegt in dem Beschluss des BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91). Bedauerlicherweise scheinen alle, die jetzt die Vermögenssteuer fordern, diesen Beschluss noch nie gelsen zu haben.

      Das BVerfG hat nämlich einer Belastung durch die Vermögenssteuer klare Grenze aufgezeigt, ab wann diese verfassungswidrig sei. Und wann man diese Punkte berücksichtigt, ist der Erhebungsaufwand für die Steuer vorausichtlich größer, als die Einnahmen aus dieser Steuer.

      So erklärt das BVerfG unter anderem das Folgende:

      "Die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen- und Vermögensteuer begrenzen den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens.



      - Heißt: Der Vermögenstamm darf nicht (!) belastet werden, sondern nur die darauf erzielbaren Einnahmen

      • @Chaos-NRW:

        Und selbst diese Einnahmen dürfen dann unter Einbeziehung der anderen Steuern (insbes. Einkommenssteuer) nur zu 50 % der Steuer unterfallen.

        BVErfG:



        "Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt."

        Ergebnis: Eine verfassungsgemäße Vermögenssteuer nach diesen Grenzen lohnt sich schlicht und ergreifend nicht.

  • Eine Vermögenssteuer ab einer halben Million halte ich nicht für gerecht, sondern für sozialen Sprengstoff. Das betrifft ganz viele Eigentümer von Einfamilienhäusern vor allem (aber nicht nur) in den Metropolen. Deren Vermögen steckt in selbstbewohnten Immobilien, aus denen man nicht einfach so die Vermögenssteuer rausnehmen kann. Alleine die Diskussion schürt Ängste bei den Betroffenen um die eigenen vier Wände. Darum ist selbst die Diskussion gefährlich. Das nutzt am Ende nur wieder der AfD.

    • @MK:

      Naja, eine so bewertete Immobilie ist aber schon auch ein Gegenwert, sei es für die Hypothek oder als schöne Summe nach einem Verkauf. Da kann man noch mal komplett studieren (halbes Elternhaus in der 'Pampa', Fall im Bekanntenkreis).

      Sagen wir's so: Zur Not nähm' ich's oder der Tierschutzverein.

      Die spannenden Fälle liegen aber darüber, und von denen soll gerne abgelenkt werden mit Oma ihr Häusken. Freibetrag ansonsten auch nicht vergessen.

    • @MK:

      Eine Freundin von mir konnte ihr geerbtes Elternhaus nicht behalten wegen der Steuer, meinst du den Effekt?



      Schön fand sie das nicht, aber notleidend ist sie ja auch nicht gerade durch den Zwangsverkauf.

      • @realnessuno:

        Hier ging es um Vermögenssteuer und nicht um Erbschaftssteuer.



        Aber auch das Elternhaus sollte geerbt werden können, ohne dass der Fiskus kräftig hinlangt - selbst wenn die sehr strengen Regelungen für das Familienheim nicht erfüllt sind.



        Das Eigenheim und auch das Elternhaus hat für viele eine große Bedeutung - da hat sich meiner Meinung nach die Steuer rauszuhalten. Es reicht schon die Substanzbesteuerung durch die Grundsteuer.

        • @MK:

          Die Grundsteuer ist ein Witz.

    • @MK:

      Ab welchem Betrag soll die Erbschaftssteuer denn greifen ? 1 Mio., 2 Mio, 5 Mio., 10 Mio. ?

      • @KLaus Hartmann:

        Machen wir es doch wie in Holland: ab 25 Tausend Euro



        mit 10 % Steuer startend, dann ist genug Geld da, dass



        Politiker wie Scheuer u. Habeck Milliarden verbrennen können - rechtfertigen müssen sie sich ja dafür auch nicht.