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Stellenabbau bei ThyssenkruppKommen jetzt die stahlharten Zeiten?

Der größte deutsche Stahlhersteller Thyssenkrupp leidet unter der Misere der Autoindustrie. Tausende Stellen werden gestrichen. Was sagt die Politik?

Heiß und dreckig: Stahl­produktion im Werk von Thyssenkrupp in Duisburg Foto: Friedmann Vogel/epa

Das Management von Thyssenkrupp will im großen Stil Stellen abbauen. Warum?

Die schwache Konjunktur, billige Konkurrenz und hohe Energiekosten machen der Stahlsparte von Thysssenkrupp zu schaffen. Das Management will die Produktion von Stahl deshalb von 11,5 Millionen Tonnen auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen im Jahr zurückfahren. Vor diesem Hintergrund hat das Management angekündigt, in den kommenden sechs Jahren 11.000 Arbeitsplätze abzubauen. Dafür sollen 5.000 Stellen gestrichen und weitere 6.000 Jobs etwa durch den Verkauf von Firmenteilen ausgelagert werden. Außerdem soll der Standort Kreuztal-Eichen geschlossen werden.

Bislang arbeiten in der Stahlsparte von Thyssenkrupp 27.000 Leute, davon 13.750 in Duisburg. Für die Stadt wäre der Stellenabbau ein harter Schlag. Sie hat den Strukturwandel weg von der traditionellen Bergbau- und Kohleindustrie noch immer nicht bewältigt. Die Arbeitslosenquote ist mit 12,7 Prozent im Oktober 2024 schon heute doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, der bei 6 Prozent liegt. Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat haben Widerstand gegen den Stellenabbau angekündigt. „Wir verhandeln das erst gar nicht“, sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW. Aufgrund der Montanmitbestimmung hat die IG Metall eine starke Stellung bei den jetzt anstehenden Verhandlungen. Offiziell streiken können die Beschäftigten vorerst nicht. Wegen des laufenden Tarifvertrags herrscht bis 2026 Friedenspflicht.

Wieso drosselt das Unternehmen die Stahlproduktion?

Rauchende Köpfe: Wie umgehen mit der Krise bei Thyssenkrupp?

Etwa die Hälfte des von Thyssenkrupp hergestellten Stahls geht in die Autoindustrie. Doch die leidet unter Absatzproblemen und produziert weniger. Deshalb ist ihr Stahlbedarf geringer. Auch die Baubranche verarbeitet viel Stahl und ist ebenfalls in der Krise. Mindestens genauso gravierend: Auf dem globalen Stahlmarkt gibt es seit Jahren erhebliche Überkapazitäten. Aus Asien kommen Billigimporte. China subventioniert die Stahlproduktion. Weil auch dort der Bedarf aufgrund der Konjunkturschwäche zurückgeht, fließt mehr Stahl auf den Weltmarkt. Länder, in die mehr chinesischer Stahl kommt, verstärken ihre Exporte nach Europa.

Gibt es auch hausgemachte Probleme bei Thyssenkrupp?

Ja. Das Unternehmen hat die Modernisierung der Stahlsparte vernachlässigt. Im August traten der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und weitere Mitglieder des Aufsichtsrats der Thyssenkrupp Stahltochter im Streit mit der Konzernspitze um die künftige Ausrichtung zurück. Sie werfen dem Management vor, nicht genug Geld in die Stahlsparte zu stecken, damit die überlebensfähig ist. Zuvor hatte das Management den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský ins Boot geholt, der eine der größten Unternehmensgruppen im Energiesektor in Europa führt. Der Milliardär ist umstritten, er gilt als Klimawandelleugner. Er besitzt jetzt einen Anteil von 20 Prozent an der Stahltochter, der auf 50 Prozent erhöht werden soll. Das Management verspricht sich viel von der „Energieexpertise“ von Daniel Křetínskýs Unternehmen. Die Ver­tre­te­r:in­nen der Beschäftigten fürchteten von Anfang an, dass mit Křetínskýs Einstieg und der damit verbundenen Umstrukturierung Arbeitsplätze abgebaut werden.

Wenn es so viel Stahl auf dem Weltmarkt gibt: Warum muss überhaupt noch welcher in Deutschland hergestellt werden?

Stahl ist für viele Produktionsprozesse ein wichtiges Ausgangsmaterial. Deutschland ist nach Angaben des Branchenverbandes in der EU der größte Stahlproduzent und der siebtgrößte der Welt. Sich auf Importe zu verlassen, könnte sich rächen, wenn Lieferketten etwa aufgrund geopolitischer Ereignisse unter Druck geraten. Das hätte dann Folgen für große Teile der industriellen Produktion in Deutschland. Zwar sind in der Stahlbranche mit direkt 80.000 Mit­ar­bei­te­r:in­nen vergleichsweise wenig beschäftigt. Weil der Wirtschaftszweig aber einen wichtigen Basisstoff herstellt, sind weitaus mehr Arbeitsplätze indirekt daran gebunden. Rund vier Millionen Menschen arbeiten in einer stahlintensiven Branche. Und: Die klassische Stahlproduktion ist sehr klimaschädlich. Die Herstellung von „grünem Stahl“ statt eines Imports von konventionellem Stahlaus anderen Ländern ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz.

Was ist „grüner Stahl“?

Dunkle Aussicht für die Deutsche Industrie: Thyssenkrupp will tausende Stellen abbauen

Die gesamte Stahlbranche muss bis 2045 klimaneutral werden – zu diesem Zeitpunkt will Deutschland insgesamt klimaneutral sein. Bis dahin soll Stahl ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe hergestellt werden. Als Ersatz dienen soll Wasserstoff. Der Aufbau eines entsprechenden Netzes ist geplant. Thyssenkrupp selbst baut eine große Pilotanlage für die Herstellung von grünem Stahl und hat deshalb Leuchtturmcharakter. Der Staat bezuschusst das Projekt mit 2 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat angekündigt, dass es trotz Stellenstreichung dabei bleibt. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht davon aus, dass die Anlage gebaut wird.

Wie reagiert die Politik?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Landesregierung erwarte von dem Unternehmen, dass es „zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt“, so NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Bitter und bedrückend“ seien die Pläne, sagt NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne): „Ich will, dass das Herz aus Stahl auch weiterhin in Nordrhein-Westfalen schlägt.“ Um der energieintensiven Industrie zu helfen, will Wirtschaftsminister Habeck die Stromkosten noch in diesem Jahr senken. Das wäre möglich durch einen Bundeszuschuss zu den Netzentgelten, den Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes. Geld dafür wäre vorhanden. Habeck will dafür die Milliarden nutzen, mit denen die verschobene Ansiedlung der Intel-Chipfabrik in Magdeburg subventioniert werden sollte. Doch dazu wäre ein Nachtragshaushalt nötig – es ist ungewiss, ob es dafür die nötige Mehrheit im Bundestag gibt. Auf jeden Fall dürfte die Krise bei Thyssenkrupp ein großes Thema im anstehenden Bundestagswahlkampf werden. Extrem rechte oder populistische Parteien wie die AfD oder das BSW werden sie nutzen und die Angst vor einer Deindustrialisierung Deutschlands schüren.

Sind die Vorgänge bei Thyssen­krupp und anderen Industrieunternehmen denn Vorboten einer Deindustrialisierung?

Deutschland ist weit von einer Deindustrialisierung entfernt und international nach wie vor wettbewerbsfähig. Das heißt aber nicht, dass es keine Probleme gibt. Deutschland ist das zweite Jahr in Folge in einer Rezession. Weil die deutsche Wirtschaft extrem exportabhängig ist, schlägt die momentan nachlassende Nachfrage auf den globalen Märkten unmittelbar durch. Problematisch ist auch, dass der Staat und Unternehmen nicht mehr so viel wie früher in Deutschland investieren. Das ist aber nötig, um die Betriebe klimaneutral umzubauen und um konkurrenzfähig zu bleiben. Doch gerade Aktiengesellschaften schütten lieber Mil­liarden an ihre Ak­tio­nä­r:in­nen aus, als das Geld in die Modernisierung der eigenen Produktion zu stecken. Das gilt auch für Thyssenkrupp.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Man hätte ja die letzten zehn Jahre nutzen können um die nötige militärische Hardware für Europa bestellen zu können. Dann ginge es der Stahlbranche vielleicht nicht ganz so schlecht. Aber Sicherheit ist ja seit dreißig Jahren out. Und staatliche Ausgaben auch.

  • Erst traf es die Autoindustrie und nun ist es die seit langem marode Stahlindustrie, die die Krise im Automobilbau mit in die Tiefe reißt. Schwere Fehler in der Führung der Unternehmen werden sichtbar, aber auch verheerende Einfluss der Politik. Hier wurden, machtpolitischen Kalkül folgend, zukunftsorientierte Weichenstellungen bewusst blockiert, und unter der Fahne angeblicher Technologieoffenheit segelnd wurde propagiert, dass man die Zukunft mit den Rezepten der Vergangenheit meistern könne.



    Die Anpassung, die jetzt auch der Stahlindustrie bevorsteht, wird fraglos hart werden. Sie wird viele Arbeitsplätze kosten. Aber das alles ist ja nicht neu, denn tiefgreifende Veränderungen, die durch technischen Fortschritt ausgelöst wurden, hat es schon immer gegeben. Die Frage ist nur, ob Politik und Politiker in der Lage sind, den Wandel so zu moderieren, dass Demokratie und Freiheit keinen Schaden nehmen. Zweifel sind angebracht, wenn man auf das aktuelle politische Geschehen blickt .

  • Damit in Duisburg Schornstein raucht,



    Ist wichtig, dass Stahl wird gebraucht,



    Ich wende meinen Blick nun hin:



    Im Panzer ist doch viel Stahl drin.



    So kommt es dann zu diesem Fall,



    "Salvator Thyssen": Rheinmetall.



    Joint Ventures hier bei uns am Rhein



    Dürften bei Profit Standard sein.



    Bevor jetzt wir zurück geschossen:



    Ironie ist nicht ausgeschlossen.



    /



    www.thyssenkrupp-r...litary-engineering

  • Wenn wir Vorreiter in der Transformation werden und bleiben wollen, müssen wir auch noch was zu transformieren haben, insofern sei allen Helden der reinen Lehre, von linksökologisch bis Lindner mal ein wenig mehr Einblick in die betriebliche Praxis empfohlen. Dann verstehen Sie vielleicht auch den Ansatz des Wirtschaftsministers.

  • Warum muss in Deutschland Stahl hergestellt werden?



    Ganz einfach: Weil das Knowhow und die Fähigkeit, Stahl in ausreichender Menge herzustellen, zum Kern von strategischen Interessen gehört. Wer das nicht beherrscht, begibt sich in Abhängigkeiten, die in bestimmten Situationen existenzbedrohend sind.

  • "Das verhandeln wir erst gar nicht..." sagt der IG-Metall Funktionär. Vermutlich gibt es auch nichts zu verhandeln, denn die Pläne der Firmenleitung kommen so wie angekündigt. An der ganzen Front wandern Firmen ins Ausland aus. ZF (Friedrichshafen) kündigt an in die Türkei umzuziehen. Der Industriestandort D ist schlicht zu teuer. VW in Wolfsburg braucht doppelt so viele Mitarbeiter wie Toyota um ein Fahrzeug herzustellen. Und zu ineffizient, Man hat der Wirtschaft mit irren Wahnvorstellungen zur CO2 Reduktion und Verwaltungskram den Hals abgeschnuert. Dabei produziert D insgesamt nur 1,8% der Weltproduktion CO2. Und die Hälfte des BIP geht sowieso ins Ausland. Wenn erst Mal die Wertschöpfung in D zum erliegen kommt, kann man durch Schuldenmachen und Umverteilung zwar den unmittelbaren Druck rausnehmen, draufzahlen tut am Ende der Verbraucher mit einer galoppierenden Inflation.

  • Die angedachten Antworten der Politik sind gut gemeint, aber leider an den Ursachen vorbei. Es gibt eine mangelnde Nachfrage, wie im Text erwähnt schwächelt die Autoindustrie, das ist einer der Gründe.



    Es wird weniger Stahl nachgefragt, es gibt Überkapazitäten.



    Die Antwort der Politik die Angebotsseite zu stützen, durch Subventionen auf Strom etc. hilft da nicht. Was nicht benötigt wird, wird nicht gekauft, auch wenn es günstiger ist nicht.



    Es braucht gesamtwirtschafliche Anreize zur Nachfrageerhöhung.



    Soll die Stahlsparte in D erhalten bleiben braucht es andere Antworten. Nachfragepolitik wäre die richtige Antwort und würde uns allen nützen, nicht nur der Stahlindustrie.

  • Was nun?



    Sind Meldungen über die erfolgreiche Deindustrialisierung Deutschlands zur Rettung des Weltklimas nun gute oder schlechte Nachrichten?

    • @Benzo:

      Was für eine Frage? Natürlich gute!

      Ulrike H. : "Ich öffne jetzt meine letzte Flasche original Rotkäppchensekt und stoße mit mir selbst auf die baldige Erreichung der Wirtschaftsleistung aus den 1970ern an."

    • @Benzo:

      Fragen wir doch mal doch Beleuchter in der Berliner Kunstszene, dessen Gehalt nicht von zahlenden Publikum subventioniert wird.

    • @Benzo:

      Die Deindustrialisierung Deutschlands ist gleichzeitig die Industrialisierung anderswo und damit im besten Fall co2 neutral, sehr wahrscheinlich aber verbunden mit höheren co2 Emissionen. So einfach ist das alles leider nicht. Dann ist da noch die Sache mit der Aufrüstung, die überall gerade in Mode kommt. Auch eher co2 intensiv. Läuft nicht gut für co2 Einsparungen.

    • @Benzo:

      Das Weltklima wird nicht gerettet, wenn man Arbeitspläte und CO2 Ausstoss nach China verlagert. Dort wird 60 % Strom aus Kohle produziert. Und da immer mehr Konzerne dahin auswanderm, Zb. BASF,Stahlproduktion, usw. braucht man da ganz viel Energie und hat 100 neue Kohlekraftwerke geplant. Und dann die Krönung, der Stahl wird dann auf Dieselfrachtern 10000 KM weit nach Deutschland gebracht.

  • "Etwa die Hälfte des von Thyssenkrupp hergestellten Stahls geht in die Autoindustrie. Doch die leidet unter Absatzproblemen und produziert weniger. Deshalb ist ihr Stahlbedarf geringer."



    Das ist so nur bedingt richtig - die deutschen Autobauer leiden unter Absatzproblemen und benötigen weniger Stahl. Insgesamt werden nach wie vor etwa jährlich 6% mehr Autos zugelassen als im Vorjahr - der Markt boomt ungebrochen, Stahl wird benötigt - Thyssenkrupp leidet wie die Autobauer unter den hohen Lohnkosten, mehr noch unter den irrwitzigen Strompreisen - dazu kommt, dass der Stahl der Billiganbieter mittlerweile qualitativ mithalten kann.



    "Auch die Baubranche verarbeitet viel Stahl und ist ebenfalls in der Krise."



    Auch hier kann global gesehen nicht von Krise gesprochen werden, China und Teile Europas hängen in der Kurve, ein guter Leitindex für die globale Baubranche ist aber die Verfügbarkeit von großen Kränen 🏗️ - und die Wartezeiten für Turm/Kletterkräne sind länger denn je...

  • Die Stahlindustrie in Deutschland muss unbedingt erhalten bleiben. Dazu sind notfalls auch staatliche Subventionen erforderlich. Wir machen uns sonst in der Rüstungsindustrie zu stark von ausländischen Zulieferern abhängig. Das wäre ein massives Sicherheitsrisiko.

    • @PeterArt:

      Man hat Thysen Krupp aus der EU und aus Deutschland zwei Milliarden € Subventionen für "grünen" Stahl zugesagt. Nur hat Thyssen das Projekt abgesagt.

      www.tagesschau.de/...ssenkrupp-100.html



      Für den Bau einer Anlage zur grünen Stahlproduktion soll Thyssenkrupp bis zu zwei Milliarden Euro erhalten.

      www.heise.de/hinte...orgen-7243606.html



      Zur Herstellung von Stahl werden Eisenerze benötigt, diesen Rohstoff muss Deutschland vollständig importieren.