Steigende Öl- und Gaspreise: EU empfiehlt Energiehilfe
Die Kommission erwartet, dass die Mitgliedsstaaten bei sozialen Härtefällen eingreifen. Der Gaspreis steigt innerhalb eines Jahres um 451 Prozent.
Empfohlen wird etwa, einkommensschwachen Familien mit Gutscheinen unter die Arme zu greifen, damit sich die „Energiearmut“ nicht ausbreitet. Die EU-Länder könnten auch die Energiesteuern vorübergehend senken oder zusätzliche Einnahmen, etwa aus dem Emissionshandel, an Bürger und Unternehmen weitergeben. Die Maßnahmen müssten aber gezielt und zeitlich begrenzt sein, so Simson.
Die aktuelle Preisspitze erfordere eine rasche und koordinierte Reaktion, erklärte die Kommissarin. Dass die Preise explodieren, liege vor allem an der hohen Nachfrage nach Gas aus Asien. Ein Problem sei auch die Kopplung des Strompreises an das Gas. Diese Bindung habe den Strompreis neunmal so stark erhöht wie der CO2-Preis, der sich aus dem europäischen Emissionshandel ergibt.
Die EU-Kommission gehe auch Hinweisen nach, dass der russische Gasversorger Gazprom zu dem Preisauftrieb beitrage, sagte Simson. „Gazprom erfüllt seine langfristigen Verträge, aber zusätzliche Lieferungen sind nicht durchgeführt worden“, sagte sie. Wer seine Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten verringern wolle, solle die erneuerbaren Energien ausbauen, hieß es in Brüssel.
Plus 4,1 Prozent Die Inflation in Deutschland hat erstmals seit knapp 28 Jahren die Vier-Prozent-Marke übersprungen. Im September legten die Preise gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Nach Einschätzung von Volkswirten dürfte sich der Preisauftrieb im Laufe des nächsten Jahres abschwächen. Gegenüber dem Vormonat August blieben die Verbraucherpreise im September unverändert.
Plus 14,3 Prozent Vor allem für Energie mussten Verbraucher im September deutlich tiefer in die Tasche greifen als ein Jahr zuvor (plus 14,3 Prozent). Heizöl verteuerte sich um 76,5 Prozent. Sprit kostete 28,4 Prozent mehr. Auch die Preise für Erdgas (plus 5,7 Prozent) und Strom (plus 2,0 Prozent) zogen an. Beschleunigt wird die Inflation auch durch die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung. (dpa, taz)
Sorge um weiteren Preisanstieg
Die EU-Kommission bleibt damit ihrer Linie in der Klimapolitik treu. Der „European Green Deal“ sei nicht das Problem, sondern die Lösung, sagte Simson zu Kritik aus Ungarn und Polen. Beide Länder hatten Zweifel an dem geplanten Kohleausstieg und am Emissionshandel geäußert, der künftig auch auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden soll. Dies werde die Preise weiter treiben, so die Sorge.
Druck kommt auch aus Spanien und Frankreich. Die Regierungen in Madrid und Paris sind bereits mit nationalen Maßnahmen vorgeprescht. Spaniens Linksregierung hat die Energiekonzerne gemaßregelt, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron einen staatlichen Energiepreisdeckel eingeführt. Außerdem propagiert Macron den Ausbau der Atomenergie.
Vor allem Berlin widersetzt sich den Vorstößen aus Paris. Die Bundesregierung lehnt eine mögliche EU-Förderung der Kernenergie ab und steht auch Maßnahmen zur Dämpfung der Energiepreise skeptisch gegenüber. Allerdings gerät auch Berlin mehr und mehr unter Handlungsdruck. So hat der deutsche Energieversorger Eon das Neugeschäft mit Privatkunden vorläufig gestoppt. Zur Begründung verwies der Konzern auf den enormen Anstieg beim Gaspreis.
Großhandelspreise für Gas auf Rekordstand
In den vergangenen Monaten sind die Großhandelspreise für Gas international auf Rekordstände geklettert. Nach Angaben des Vergleichsportals Check 24 verteuerte sich die Megawattstunde Gas binnen Jahresfrist um 451 Prozent auf 44,03 Euro. Die großen Gasversorger kaufen allerdings langfristig ein, sodass Preissprünge an der Börse nicht unmittelbar auf die Verbraucher durchschlagen.
In Brüssel geht man davon aus, dass Energie über den kommenden Winter hinaus teuer bleibt; erst im Frühjahr 2022 sei mit einer Entspannung zu rechnen. Auf längere Sicht müsse man darüber nachdenken, Gas gemeinsam einzukaufen und eine strategische EU-Reserve zu schaffen, so Simson. Die mittelfristigen Maßnahmen der „Toolbox“ sollen bei einem EU-Gipfel Ende kommender Woche besprochen werden.
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