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Steigende ImmobilienpreiseSo nachhaltig wie Amphetamin

Kommentar von Finn Mayer-Kuckuk

Trotz der Wirtschaftskrise steigen die Immobilienpreise immer weiter – schuld ist billiges Geld durch niedrige Zinsen. Aber es gibt Alternativen.

Besonders deutlich verteuerten sich zum Jahresende Ein- und Zweifamilienhäuser Foto: Sascha Steinach/imago

D ie Immobilienpreise steigen selbst während einer historischen Wirtschaftskrise. Es ist in erster Linie ein Kapitalmarkt-Effekt – und der wiederum ist allein von der billigen Geldpolitik der Zentralbanken getrieben. Bei höheren Zinsen könnte und würde sich niemand so hohe Kredite aufladen. Der private Immobilienmarkt ist so nur ein Ausschnitt der Finanzmärkte; auch Aktien stehen trotz Jahrhundertkrise unnatürlich hoch.

Nach dem Ende der Goldbindung Anfang der siebziger Jahre galt die entfesselte Zentralbankpolitik als Allheilmittel für Wirtschaftsprobleme. Heute zeigt sich, dass die Geldspritzen als langfristige Strategie zur Problembewältigung ungefähr so nachhaltig sind wie Amphetaminspritzen zur persönlichen Lebensbewältigung. Die Chancen hoher Ausschläge in beide Richtungen sind durch die Geldschwemme besonders hoch, während sicherheitsorientierte Sparer kaum noch Anlagemöglichkeiten haben.

Die Vorstellungen, dass Häuser eine „sichere Sache“ sind, stimmt zwar für Selbstnutzer. Makler berichten jedoch von fortgesetzt hohem Interesse an Immobilien als Anlageobjekten. Die Investoren sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Preise künftig mehr schwanken können als in der Vergangenheit vor den Geldschwemmen.

Das ist umso besorgniserregender, als die Käufer immer weniger Eigenkapital mitbringen. Ein hoher Kredit bleibt eben auch bei niedrigen Zinsen ein hoher Kredit. Auch wenn die Mieten in den Städten den Normalverdienern zum Teil schon absurd hoch erscheinen, sind sie trotz niedriger Zinsen im Verhältnis oft günstiger als der Kauf.

Aus alldem gibt es Auswege. Die Bundesregierung muss wieder mehr mit konkreten Transfers helfen, statt auf billiges Geld von der Notenbank zu hoffen – das gilt auch für Hilfen für andere EU-Länder wie Italien. Ein Mittel dazu wäre der Eurobond mit gemeinsamer Haftung. Ebenso würden die Förderung des Hausbaus und mehr städtischer Wohnungsbau die Lage entlasten. Die Wirtschaftspolitik sollte wieder realer werden, statt den Notenbanken die Last aller Krisen aufzubürden.

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15 Kommentare

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  • „Das ist umso besorgniserregender, als die Käufer immer weniger Eigenkapital mitbringen.“



    Falsch! Vor 30 Jahren konnte man ohne Eigenkapital kaufen, heute nicht, dafür sorgen die Banken, also weniger Leverage als früher.



    „ Auch wenn die Mieten in den Städten den Normalverdienern zum Teil schon absurd hoch erscheinen, sind sie trotz niedriger Zinsen im Verhältnis oft günstiger als der Kauf.“



    Auch falsch, erstmals seit 30 Jahren ist es günstiger zu kaufen, als zu mieten.



    Viel Ahnung vom Immobilienmarkt hat der Autor nicht.



    Die Immobilienpreise steigen, weil die RealNachfrage nach Wohnungen in den Großstädten steigt. So‘n bisschen Ahnung von Angebot u Nachfrage sollte man schon haben, wenn man über Wirtschaft schreibt.

  • Der Wind kann sich bald drehen. Ich kenne allein im näheren Wohnumfeld etliche Häuser in guten bis sehr guten Lagen, die nur noch von einer Person bewohnt werden, meistens Witwen deutlich über 80. Die Kinder haben eigene Immobilien und/oder wohnen weit weg. Diese Häuser werden in den nächsten drei bis acht Jahren auf den Markt kommen.

  • Zur Frage der Wohneigentumsquote und der Teilhabe ist anzumerken, dass es in der Bundesrepublik traditionell eine tiefe Spaltung entlang der Linie von Besitz und Herkunft gibt.



    Markt und Finanzierung sind Treiber unsäglicher Wertzuwächse, weil mit Immobilien-Besitz der Begriff der Wertstabilität (sog. Betongold) verbunden ist und Kapital gebunden wird. Genossenschaftliches Wohnen ist in Deutschland unterrepräsentiert, sinnvolle Wohngemeinschaften wie die von Henning Scherf ("Bremens bekannteste Greisen-Kommune") noch Raritäten, die Ideen von neuen Wohnkonzepten sind manchmal wenig praktikabel. Der Bedarf an Wohnraum ist pro Person immens gestiegen, die Boomer hatten vielfach kein eigenes Kinderzimmer. Leerstände in Metropolen, zur Spekulation oder Vermeidung von Abnutzung (Einliegerwohnungen), sind vielen gewissenhaften und verantwortungsbewussten Sozialpolitiker:innen ein Dorn im Auge. Vielleicht schafft Homeoffice Abhilfe durch Wiederbelebung ländlicher Räume. Zweifelhaft die Wirkung der Diskussion um Zersiedelung und Neubausiedlungen, vielleicht politisch zeitgleich mit Verve und Wumms die Leerstände von Immobilien absichtsvoll ins Visier nehmen!

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @Martin Rees:

      In 12-15 Jahren ist die Hälfte der babyboomer übrigens tot. Kinderzimmer hatten die sehr wohl. Was " Spaltung von Besitz und Herkunft" angeht, was soll damit gemeint sein? Nehmen wir eine größere Wohnungseigentümergemeinschaft von 150 Eigentümern. Leicht zu erkennen, daß alle dort einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden.

      • @97760 (Profil gelöscht):

        Die meisten Familien mit mehr als zwei Kindern konnten im Innenstadtbereich* keine entsprechenden Wohnungen mit mehreren Kinderzimmern anmieten. Nutznießer von zahlreichen Vermietungen waren und sind in der Regel die Familien mit "altem Geld", Prof. Butterwege weiss viele Details zur sozialen Schieflage. Ich erinnere noch an die Causa Kaußen. Der Spiegel titelte 1981: "Fall Kaußen: Eigentum verpflichtet zu nichts"



        * Ms in Westf. z.B.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Die Immobilienpreise sind hoch, weil die Märkte mit Geld geflutet sind. Das heißt, die Immobilien sind nicht viel teurer geworden, das Geld ist weniger wert.



    Das werden die Menschen schon noch merken, wenn ein Brot 10 € kostet.

  • "Ein Mittel dazu wäre der Eurobond mit gemeinsamer Haftung."

    Warum nur produziert meine Fantasie bei solchen Worten Bilder von im Chor jaulenden Dackeln und Gartenzwergen?

    Muss was zwanghaftes sein.

    • @tomás zerolo:

      Haha, you made my day :-)



      Nein, nein - die gebetsmühlenartige Wiederholung dieses Mantras ist durchaus real.



      Mir erschliesst sich einfach nicht, was steigende Immobilienpreise mit Eurobonds zu tun haben. Vielleicht kann das der Autor noch erklären?

  • Der entscheidene Punkt ist ein ganz anderer:



    Wir haben eine unglaubliche Inflation.



    Aber durch "passende" Zuschneidung des Warenkorbs wird das wunderbar kaschiert.

    Aber ein sehr deutliches Zeichen sind die Unternehmenswerte der Tech-Riesen.



    Diese Werte wurden ja nicht dem Weltwirschaftkreislauf entnommen sondern zusätzlich (an den Börsen) geschaffen.



    Die Gesamtgeldmenge hat sich dadurch vervielfacht - Güter stehen dem nicht annähernd gegenüber.

    Und das ist Inflation.

  • Ja. Die Immobilienpreise sind extrem hoch. Aber für Selbstnutzer macht es kaum einen Unterschied zu früher, wo der Kaufpreis die Hälfte betrug, aber die Zinsen über 8% lagen. Auf die Tilgungsdauer gesehen kostet die Immobilie ziemlich ähnlich. Das Geld hat jetzt nur der Verkäufer und nicht die Darlehensbank. Für Investoren ist die Situation natürlich eine andere. Allerdings richten sich Mieten immer auch nach der Nachfrage und die üblichen Städte wären auch mit höherem Leitzins höchst problematisch für Mieter. Die niedrigen Zinsen sind daher eigentlich eine Einladung für Kommunen, Genossenschaften usw. jetzt massiv zu investieren und Wohnraum zu schaffen, der außerhalb der Marktgesetze vermietet wird. Anders als bei sozialem Wohnungsbau bliebe dieser dauerhaft in der Zweckbindung.

    • @LeSti:

      Das mag stimmen für Leute, die in jungen Jahren eine Immobilie mit einem großen Kredit finanzieren.

      Wenn man dagegen den größten Teil seines Berufslebens Geld angespart hat, um sich später (fast) ohne Kredit ein Haus fürs Alter zu kaufen, funktioniert es nicht mehr, da das Kapital nun nicht mehr reicht.

    • 2G
      22650 (Profil gelöscht)
      @LeSti:

      Beispiel: ein Haus kostet heut EUR 1.000.000 bei 1% Zinsen.



      Macht EUR 10.000 Zinsen und zusammen mit dem Kaufpreis Gesamtkosten iHv EUR 1.010.000.



      Vor 10 Jahren kostete das gleiche Haus EUR 750.000 bei 10% Zinsen. Macht EUR 75.000 Zinsen und zusammen mit dem Kaufrpeis Gesamtkosten iHv EUR 825.000.



      Man sieht, dass das Argument, die niedrigen Zinsen würden den Anstieg der Immobilienpreise ausgleichen, überhaupt nicht stimmt.

      • @22650 (Profil gelöscht):

        Für die Wenigen denen es gelingt ihren Kredit innerhalb nur eines Jahres zu tilgen mag diese Rechnung aufgehen, die Übrigen die die Zinsen jedes Jahr wieder zahlen müssen rechnet sich das aber anders.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @LeSti:

      Hab nie den Unterschied zwischen Selbstnutzer und Investor verstanden. Selbstnutzer ziehen manchmal nach 3 Wochen aus und vermieten." 8% das Geld hat die Bank ". Die Bank zahlt in so einem Fall aber selbst ca 7% an die Zentralbank oder ihre Termingeldkunden

  • Ein klarer, knackiger Kommentar!



    Bekommt man überaus selten zu lesen, Danke.