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Städte und Gemeinden in FinanznotKommunen drängen auf Entschuldung

Städte und Gemeinden sehen sich überlastet – organisatorisch und finanziell. Zusätzlich zu Corona sorge auch der Klimaschutz für hohe Kosten.

Ein Bundeswehrsoldat nimmt bei einem Testlauf im Berliner Corona-Impfzentrum teil Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Die Städte und Gemeinden sehen sich durch die Coronapandemie und den fälligen Stadtumbau zunehmend überfordert. „Corona hat uns voll im Griff“, sagt der Präsident den Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DSTGB), Ralph Spiegler. Als Beispiel nennen die Kommunen die Gesundheitsämter, die Infektionsketten aus eigener Kraft nicht mehr nachverfolgen könnten. Allein hierbei helfen derzeit rund 15.000 Bundeswehrsoldaten den Ämtern.

Aber auch finanziell steht vielen Kommunen trotz der Bundeshilfen das Wasser bis zum Hals. „Ohne eine Entschuldung der Kommunen wird die Handlungsfähigkeit kaum zu erhalten sein“, warnt DSTGB-Verbands-Geschäftsführer Gerd Landsberg. Rund 50 Milliarden Euro an Kassenkrediten belasten vor allem die ärmeren Städte und Gemeinden. Mit diesen Darlehen finanzieren sie laufende Ausgaben, nicht etwa Investitionen in Schulen oder Kitas.

Dabei ist die Situation regional sehr unterschiedlich. In wohlhabenden Ländern wie Bayer und Baden-Württemberg, aber auch in ostdeutschen Regionen stehen die Kommunen recht gut da. Im Norden, in NRW oder im Saarland ringen dagegen viele Städte und Gemeinden mit finanziellen Engpässen. Bundesweit gelten rund 30 Prozent der Kommunen als Problemfälle.

Geschäftsführer Landsberg befürchtet, dass die Corona-Krise das Ungleichgewicht zwischen armen und reichen Gegenden noch weiter verstärkt. Und Präsident Spiegler betont: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Bildungschancen eines Kindes nicht davon abhängen, in welcher Region es lebt.“

Kein „Impfstoff gegen den Klimawandel“

Der letzte Versuch einer Entschuldung scheiterte im vergangenen Frühjahr, vor allem am Widerstand der reicheren Bundesländer. Nun will der DSTGB einen neuen Anlauf für Überzeugungsarbeit nehmen. Unterstützung erhalten die Kommunen dabei auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Institut plädiert für eine Reform das Länderfinanzausgleichs, um dem wachsenden Nord-Süd-Gefälle zu begegnen.

Die Kommunalverbände warnen auch vor weiteren kostspieligen Wahlversprechen zu ihren Lasten, etwa eine kostenlose Ganztagesbetreuung in den Schulen oder einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet im letzten Winkel. Derlei Forderungen würden nicht von heute auf morgen erfüllbar sein. Denn auch abseits der Pandemie kommt vor allem auf die Städte mit dem zum Klimaschutz nötigen Stadtumbau noch eine große Aufgabe zu.

„Wir haben nicht den Impfstoff gegen den Klimawandel“, sagt Landsberg. Der DSTGB beklagt zu viele Hemmnisse beim Standumbau. Es dauert den Stadtoberen beispielsweise zu lange, bis der Bau eine Radweges umgesetzt werden kann. Deshalb fordert der Verband ein Gesetz, dass Investitionen in den Klimaschutz den Vorrang vor Einsprüchen von Bürgern einräumt. Auf Bundesebene gibt es so eine Regelung bereits für den Ausbau des Schienennetzes.

Der Stadtumbau wird nach der Pandemie wohl auch durch bleibende Veränderungen notwendig. Landsberg schätzt, dass gut 50.000 Einzelhändler bundesweit aufgeben müssen. Der Handel verschwindet aus der Innenstadt und die zunehmend verbreitete Heimarbeit verringert den Bedarf an Büroflächen. So müssen die Innenstädte wohl anderweitig belebt werden.

„Wir brauche mehr Kultur, mehr Grün und mehr Wasser“, sagt Landsberg. Finanzieren könnte dies zum Teil ein Fonds. Diesen Geldtopf sollen die großen Online-Händler über eine Paketabgabe füllen – eine Idee, die CDU-Abgeordnete kürzlich ins Spiel gebracht haben. Sie findet bei Städten und Gemeinden Gefallen. Allerdings will Landsberg kleine Geschäfte, die sich online ein zweites Standbein aufgebaut haben, von dieser „Produktsendesteuer“ ausnehmen.

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