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Staatsstreich in NigerAufs falsche Pferd gesetzt

Kommentar von Katrin Gänsler

Der Westen hatte Niger immer als stabil und demokratisch gepriesen. Jetzt hat das Militär die Macht ergriffen und damit offenbart, wie falsch dieses Bild war.

Anhänger der putschenden Soldaten halten eine russische Flagge in Niamey Foto: Sam Mednick/ap

N un hat es Niger getroffen, den in Europa gepriesenen „Stabilitätsanker“ im Sahel. Auch wenn Präsident Mohamed Bazoum seinen Rücktritt noch nicht offiziell bekannt gegeben hat, ist klar: Er wird sich nicht an der Staatsspitze halten können.

Daran werden auch geplante Vermittlungsgespräche im Rahmen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas nichts ändern. Westafrika muss sich auf ein weiteres Land ohne gewählte Regierung einstellen, aus dem schon jetzt deutliche Worte in Richtung Ausland kommen: Eine militärische Einmischung von außen könne desaströse Konsequenzen haben.

Damit hat gerade Europa wieder einmal aufs falsche Pferd gesetzt. Dass Bazoums Regierung seit dessen Amtsübernahme im Jahr 2021 die große Bedeutung des Antiterrorkampfs und der internationalen Zusammenarbeit regelmäßig betont hat, ist durchaus glaubwürdig. Was man aber in Europa nicht sehen wollte, war die Instabilität des Landes.

Seit Jahren verüben in der Region Tillabéri islamistische Gruppierungen regelmäßig Anschläge. Spätestens 2020, als bei einem Anschlag im Giraffenreservat, nur eine Autostunde von der Hauptstadt Niamey entfernt, acht Menschen ermordet wurden, hätte klar sein müssen, wie desaströs die Sicherheitslage bereits ist. Eine extrem junge Bevölkerung von durchschnittlich nicht einmal 15 Jahren verbunden mit großer Perspektivlosigkeit – Niger belegt im Entwicklungsranking der Vereinten Nationen Platz 189 von 191 – trägt nicht gerade zur Stabilisierung bei.

Desaströse Menschenrechtssituation

Dazu wurden die Rechte von Zivilgesellschaft, Jour­na­lis­t:in­nen und Stimmen der Opposition in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt. Da hilft es nicht, unermüdlich zu betonen, dass Bazoums Wahl der erste demokratische Wechsel an der Staatsspitze überhaupt war. Ohnehin hatte es im Rahmen der Wahlen zahlreiche Fälschungsvorwürfe gegeben.

Unterschätzt wurde auch die zunehmende Kritik an internationaler militärischer Präsenz – allen voran der französischen –, die durch bewusste Fehlinformationen in sozialen Netzwerken angeheizt wurde.

Wie beliebt oder unbeliebt Bazoum im eigenen Land zuletzt war, lässt sich nicht sagen, weil es dazu keine Umfragewerte gibt. Gut möglich, dass er vor allem das Opfer interner Machtkämpfe geworden ist und durchaus glaubwürdig zur Stabilität in der Region beitragen wollte.

Für die internationale Gemeinschaft gilt allerdings: Sie hat viele Realitäten nicht erkannt oder nicht sehen wollen und ein Land als stabil und demokratisch bejubelt, das es nie wirklich war.

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Westafrika-Korrespondentin
Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.
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9 Kommentare

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  • Wenn die gewählte Regierung des Landes Zitat "das falsche Pferd" war, welches wäre denn dann der TAZ zufolge das richtige Pferd gewesen?

    Ich glaube, man hat nicht sonderlich viel nachgedacht beim schreiben der Überschrift.

  • In immer mehr Ländern wird es klar, dass die Bevölkerung und die Machthaber die Nase voll haben von der Bevormundung durch den Westen. In den meisten, der durch westliche Länder beglücken und "demokratisierten" Länder, sieht es nunmehr weit schlimmer aus als vor der "Demokratisierung", siehe Irak, Afghanistan, Libyen etc. Die meisten beginnen zu begreifen, dass es der Demokratisierungs-Grossmacht USA und ihrer Verbündeten eigentlich nur darum geht, die Länder auszupressen. Auf Augenhöhe ist da überhaupt nichts. Und ich verstehe auch immer gar nicht, warum denn Deutschland da immer mit dabei ist. Aus der Geschichte nüscht gelernt?

    • @Leningrad:

      Ich kann verstehen, dass Bevormundung nicht gewünscht ist. Aber Entwicklungshilfe -Gelder werden gerne in der Regel genommen. Vielleicht sollte die EU/Deutschland endlich aufhören, Geld in dubiose Kanäle fließen zu lassen und stattdessen nur Unterstützung für Projekte zusagen, die direkt den Menschen vor Ort zu Gute kommen und deren Umsetzung überwacht werden kann.

      • @DaBa:

        Wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Allerdings sind Länder wie Niger bestens versorgt mit....... Waffen. Und wo werden die hergestellt? Groschen gefallen? Man gebe einen Euro und ziehe 10 raus. Das Prinzip Gold für Glasperlen funktioniert immer noch hervorragend.....nunmehr verspricht Putin, die bedürftigen Landstriche Afrika kostenlos mit Getreide zu versorgen. Der Westen, also wir, sind da erst einmal für Jahrzehnte raus.

  • Es erscheint mir durchaus sinnvoll, DemokratInnen zu unterstützen.



    Die DemokratInnen sind nicht für den Putsch verantwortlich.



    Das Fazit des Artikels erscheint fast: wenn die Gefahr besteht, dass die Demokratie keine Zukunft hat, " besser die Finger davon lassen"?

    • @Philippo1000:

      In der Tat, es wird nicht deutlich, welche Politik die taz-Autorin denn besser gefunden hätte.

      War die Einmischung Europas ...



      - zu viel?



      - zu wenig?



      - die falsche Art?

      Speziell am Engagement Frankreichs gibt es ja eventuell manches zu kritisieren. Generell wünsche ich mir eine Politik, die den afrikanischen Staaten zwar Angebote macht, sie aber in ihren souveränen Entscheidungen respektiert. Alles andere ist doch nur eine neue Art kolonialer Bevormundung.

      Generell sollten Investitionen vor Ort darauf abzielen, dass in Afrika nicht nur Rohstoffe abgebaut werden, sondern auch die Verarbeitung und weitere Wertschöpfung dort stattfindet.

  • Demokratie und Menschenrechte stehen in dieser Region ganz offensichtlich nicht wirklich hoch im Kurs. Es ist an der Zeit dies anzuerkennen und neue Partnerschaften unabhängig von der Form der Intronisierung der jeweiligen Regierung einzugehen.

    Die Flexibilität unseres Außenministeriums vorausgesetzt, kann Niger auch im Falle einer neuen Regierung Anker in der Region bleiben.

    • @DiMa:

      Flexiblität unseres Außenministeriums? Frau Baerbock wurde in Südafrika und Nigeria als Affront empfunden. Warum soll das in Niger anders sein. Die Leute wollen nicht zum "Anker" gestaltet, sonder in Ruhe gelassen werden.

  • Schlimm wie Putin immer weiter seinen Einfluss in Afrika ausbauen kann. Leider macht es ihm der Westen auch ziemlich einfach, da in der russischen Propaganda, neben vielen Unwahrheiten, leider auch wesentliche wahre Kritikpunkte an der westlichen Politik gegenüber dem globalen Süden enthalten sind. So können natürlich einfach viele Unwahrheiten in der Propaganda mittransportiert werden.