Staatsgeld für künstlliche Intelligenz: Von wegen souverän
Es bringt nichts, die USA in Sachen Künstlicher Intelligenz aufholen zu wollen. Vor allem: Warum sollten Staaten das tun?
5 00 Milliarden US-Dollar – wer bietet mehr? Nein, absehbarerweise wird es kein anderes Land geben, in dem die Privatwirtschaft mehr Geld in die Infrastruktur für künstliche Intelligenz (KI) steckt als die USA. Dennoch beginnt nach den Investitionszusagen, die mehrere Unternehmen dort diese Woche gegeben haben, in Deutschland eine Debatte um die Konsequenzen – inklusive entsprechender Forderungen: Mehr Geld für KI! Staatliche Gelder für die Forschung! Und weniger Regulierung, damit Deutschland und Europa eine Chance haben, den Anschluss zu schaffen an die KI-Weltmacht USA.
Hinter den Forderungen steckt zum Teil ein grundsätzlicher und problematischer Glaube, dass Unternehmen mit großzügigen Geldsummen und möglichst wenigen Regeln schon Wunder vollbringen werden. Doch zum anderen Teil ist da die berechtige Sorge um die digitale Souveränität. Die Abhängigkeit von den USA ist jetzt schon in vielen Bereichen so groß, da wäre es unschön, wenn ein Trump noch mehr Hebel hätte, um europäische Staaten unter Druck zu setzen.
Doch um diese Sorge ernst zu nehmen, fehlen zwei Komponenten. Erstens: eine ehrliche Analyse, welche Anwendungen oder Modelle eigentlich so essenziell sind in Sachen KI, dass Staaten oder Staatengemeinschaften wie die EU sie selbst entwickeln sollten. Ein reines Wettrennen à la „Welche Nation hat die meisten großen Sprachmodelle hervorgebracht“ ist wenig zielführend.
Zweitens wäre die Sorge vor Abhängigkeiten glaubwürdiger, würden zum Beispiel Bundesregierung und Bundesbehörden das Thema digitale Souveränität jetzt schon ernster nehmen. Es sind nämlich bereits haufenweise Anwendungen auf dem Markt, die sich nutzen lassen und bei denen kein US-Anbieter dahinter steckt. Manche von ihnen sind sogar Open Source, der Quelltext liegt also offen und lässt sich an konkrete Bedürfnisse anpassen.
Stattdessen zahlen öffentliche Stellen mehrstellige Millionensummen, damit sie sich in Abhängigkeit von US-Anbietern wie Microsoft und Cisco begeben dürfen. Das ist nicht souverän, sondern kurzsichtig. Und die Entwicklung in den USA sollte ein Wink sein, hier schleunigst umzudenken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Angriff auf Kinder in Aschaffenburg
Merz und Söder fordern Grenzschließung für alle Flüchtlinge
Zwei Tote und zwei Verletzte
Entsetzen nach Messerattacke auf Kinder in Aschaffenburg
Gegenwehr gegen Donald Trump
Eine neue Antifa-Heldin
Syrer*innen in Deutschland
Kein Grund zu gehen
Friedensbewegung heute
Gespalten und orientierungslos
Lichtermeer gegen Rechtsruck
Die Demos gegen rechts sind zurück