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Staatsgeld für künstlliche IntelligenzVon wegen souverän

Kommentar von Svenja Bergt

Es bringt nichts, die USA in Sachen Künstlicher Intelligenz aufholen zu wollen. Vor allem: Warum sollten Staaten das tun?

Auf Höchstleistungsrechner wie diesem Namens „Hunter“ laufen KIs und LLMs Foto: Marijan Murat/dpa

5 00 Milliarden US-Dollar – wer bietet mehr? Nein, absehbarerweise wird es kein anderes Land geben, in dem die Privatwirtschaft mehr Geld in die Infrastruktur für künstliche Intelligenz (KI) steckt als die USA. Dennoch beginnt nach den Investitionszusagen, die mehrere Unternehmen dort diese Woche gegeben haben, in Deutschland eine Debatte um die Konsequenzen – inklusive entsprechender Forderungen: Mehr Geld für KI! Staatliche Gelder für die Forschung! Und weniger Regulierung, damit Deutschland und Europa eine Chance haben, den Anschluss zu schaffen an die KI-Weltmacht USA.

Hinter den Forderungen steckt zum Teil ein grundsätzlicher und problematischer Glaube, dass Unternehmen mit großzügigen Geldsummen und möglichst wenigen Regeln schon Wunder vollbringen werden. Doch zum anderen Teil ist da die berechtige Sorge um die digitale Souveränität. Die Abhängigkeit von den USA ist jetzt schon in vielen Bereichen so groß, da wäre es unschön, wenn ein Trump noch mehr Hebel hätte, um europäische Staaten unter Druck zu setzen.

Doch um diese Sorge ernst zu nehmen, fehlen zwei Komponenten. Erstens: eine ehrliche Analyse, welche Anwendungen oder Modelle eigentlich so essenziell sind in Sachen KI, dass Staaten oder Staatengemeinschaften wie die EU sie selbst entwickeln sollten. Ein reines Wettrennen à la „Welche Nation hat die meisten großen Sprachmodelle hervorgebracht“ ist wenig zielführend.

Zweitens wäre die Sorge vor Abhängigkeiten glaubwürdiger, würden zum Beispiel Bundesregierung und Bundesbehörden das Thema digitale Souveränität jetzt schon ernster nehmen. Es sind nämlich bereits haufenweise Anwendungen auf dem Markt, die sich nutzen lassen und bei denen kein US-Anbieter dahinter steckt. Manche von ihnen sind sogar Open Source, der Quelltext liegt also offen und lässt sich an konkrete Bedürfnisse anpassen.

Stattdessen zahlen öffentliche Stellen mehrstellige Millionensummen, damit sie sich in Abhängigkeit von US-Anbietern wie Microsoft und Cisco begeben dürfen. Das ist nicht souverän, sondern kurzsichtig. Und die Entwicklung in den USA sollte ein Wink sein, hier schleunigst umzudenken.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • "Warum sollten Staaten das tun? "



    Weil es militärische enorme Vorteile bringt,



    weil es dem Geheimdienst enorme Vorteile bringt,



    weil man Menschen besser kontrollieren kann,



    weil es der Industrie in F+E enormen Vorsprung verschaffen kann,



    um nur ein paar Beispiele zu nennen.

  • Zitat: „Stattdessen zahlen öffentliche Stellen mehrstellige Millionensummen, um sich in Abhängigkeit von US-Anbietern wie Microsoft und Cisco zu begeben. Das ist weder souverän noch zukunftsorientiert, sondern kurzsichtig. Die Entwicklungen in den USA sollten ein deutlicher Weckruf sein, endlich umzudenken.“

    Wie treffend und scharf!

    Deutschland und die EU haben die Computer- und Software-Revolution verschlafen. Während China es geschafft hat, die Innovationen aus den USA zumindest zu kopieren und darauf aufzubauen, fehlt es Europa an der Entschlossenheit und Fähigkeit, eigenständige Alternativen zu entwickeln.

    Nun droht bei der KI-Technologie der nächste „Winterschlaf“ – vermutlich nicht zuletzt aus Angst.

    Danke für den Artikel.