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Springer-Blockade der Neuen GenerationÜbers Ziel hinaus

Maximilian Arnhold
Kommentar von Maximilian Arnhold

Erst blockierten sie Straßen, jetzt Pressehäuser. Die Ak­ti­vis­t*in­nen der Neuen Generation kämpfen um Aufmerksamkeit – und stecken in einem Dilemma.

Klimaaktivist der „Neuen Generation“ auf der Reichstagswiese mit dem sogenannten „Parlament der Menschen“ Foto: Florian Boillot

D ie Ak­ti­vis­t*in­nen der ehemals Letzten Generation sind zurück – mit Presse-Blockaden, Radwegaktionen und einem selbst organisierten Bürgerrat. Am Wochenende haben sie damit in Berlin viel Aufmerksamkeit erzielt. Doch nicht jeder Protest überzeugt.

Die Blockade der Springer-Druckerei, bei der rund 30 Mitglieder der Gruppe Neue Generation unter anderem die Auslieferung der Bild-Zeitung und der B.Z. verhindern wollten, überschreitet eine Grenze. Was schon bei den Bauernprotesten falsch war, ist auch bei Klimaaktivistinnen nicht richtig: Die Verbreitung von Zeitungen zu verhindern, ist ein Eingriff in die Pressefreiheit, den eine Demokratie nicht hinnehmen darf. Absurd, dass die Ak­ti­vis­t*in­nen ihrerseits mit dem Schutz der Pressefreiheit argumentieren, wenn sie die Republik von der „Kettensäge Springer“ befreien wollen.

Das Dilemma der Gruppe heißt: Kampf um Aufmerksamkeit. Aktionen wie andernorts im Deutschen Historischen Museum, wo Bilder mit eigenen Motiven überklebt wurden, schockieren nach früheren Suppen- und Kartoffelbrei-Attacken nicht. Das Widerstandskollektiv, das als Ableger der Letzten Generation entstanden ist, versucht es derweil mit selbst gemalten Radwegen statt Straßenblockaden. Ist das langweilig – oder ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr? Die Wirkung zeigt sich oft später: Wo Piktogramme auftauchen, entbrennen womöglich Debatten über fehlende oder mangelhafte Radinfrastruktur. Das könnte funktionieren.

Auf Dialog statt Konfrontation setzt die Idee „Parlament der Menschen“ der Neuen Generation. 60 zufällig aus ihrem Kreis geloste Bür­ge­r*in­nen diskutierten drei Tage lang vor dem Reichstag, wie Geld weniger Einfluss auf Politik haben soll. Heraus kam der Ruf nach mehr direkter Beteiligung und Klimapolitik. Nichts Neues – aber ehrlich erarbeitet. Bleibt zu hoffen, dass es ihnen mit diesen Allgemeinplätzen nicht ergeht wie den anderen Bürgerräten: dass die Vorschläge im politischen Nirwana verpuffen.

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Maximilian Arnhold
Korrespondent
Jahrgang 1996, ist freier Journalist aus Hannover und Korrespondent für Klima, Umwelt und soziale Bewegungen. Faible für Geschichten aus dem Ausland und über die Weltmeere. Ist auch in Podcasts zu hören.
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11 Kommentare

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  • Haben sie etwas dazu gelernt? Z.B. dass man durch bestimmtes Verhalten auch das Gegenteil erreichen kann?! Dass das Trennen in DIE und WIR noch aus unserem Steinzeitbewußtsein herrührt?! Dass man die Menschen mitnehmen muss, statt sie vor den Kopf zu stoßen?! Dass Liebe statt Hass auch spürbar sein muss?!

    • @shitstormcowboy:

      Der Hass ging von den aufgeheizten Autofahrern aus.



      Sich mit Kleber an eine Straße zu kleben ist vielleicht selbstschädigend, deutet aber nicht auf Hass.



      Leute fast zu überfahren schon...

  • Auf jede Aktion folgt ein Analytiker der daran rummäkelt. Wenn die BILD offene Hetze propagiert, ist sie als freie Presse zu hinterfragen. Und wer zuschaut und nichts tut hat wohl den besseren Überblick, aber kaum die moralisch höhere Position.

  • Niemand bei der neuen Generation ist so naiv zu glauben die Auslieferung dauerhaft verhindern zu können. Eine Verzögerung der Auslieferung der Bildzeitung bringt die "Frei Presse" meiner Meinung nach weniger in Gefahr als Kampagnenblätter, die durch ihre Finanzierung durch Multimiliadäre, den Marktmechanismen entzogen werden. Während die Marktmechanismen immer mehr Zeitungen in den Ruin und somit in die Hand dieser Multimiliadäre treiben.

    Die "Linken" sind indessen so verwirrt das sie statt die herrschenden Verhältnisse in denen "Frei Presse" stattfinden zu Analysieren wird bürgerlich Moralisch argumentiert...Schade...😵‍💫

    • @Björn Eichholz:

      Wenn alle, die über die bösen Konzerne meckern, ihre lokalen und regionalen Medien aktiv unterstützten, müssten sie sich nicht darüber aufregen, dass es eine Konzentration am Markt gibt. Die Nicht-Nutzer:innen sind selbst schuld.

      • @Markus Wendt:

        Ich habe nicht über Konzerne gemeckert, ich habe über Reiche Neoliberale Besitzer von Kampagnenblätter gemeckert, die durch Lügen und Verdrehungen unseren Diskurs nach ihren Gusto verschieben. Mir an verhalten dieser Menschen Schuld zu geben finde ich falsch.

        Es ist immer die selbe Masche Konzerne die Probleme verursachen da sie nur auf Profite aus sind, schieben die Schuld auf die Konsumenten, da diese ja die Produkte kaufen.

        Ob und wie viele Lokale Zeitungen ich beziehe bleibt abgesehen davon wohl mir überlassen.

  • Historisch gibt es auch hier Möglichkeiten, Anschlüsse zu suchen oder ggfs neu zu konstruieren:



    "Der Kampf gegen Springer begann keineswegs 1967. Bereits Anfang 1961 ging im Springer-Verlag ein Brief ein, der eine unverhüllte Drohung enthielt: "Es ist meine Überzeugung als Verleger und als Politiker, dass die publizistische Macht des Hauses Springer an die äußerste Grenze dessen gekommen ist, was ein Staat hinnehmen kann." Ein paar Jahre später setzte Gerd Bucerius nach: "Eine Macht, wie Sie sie aufbauen, verletzt die Verfassung." Springer, nicht faul, ließ die Retourkutsche vorfahren und rieb dem "lieben Buc" hin, "dass Ihre großen Worte allein dem Zweck dienen, Ihre eigenen geschäftlichen Ambitionen zu camouflieren".



    Die Eigeninteressen der Großkopferten in den konkurrierenden Medienhäusern waren nicht in der ersten Stunde von APO und Studentenbewegung sichtbar.



    Hier finden sich interessante Zusammenhänge:



    www.sueddeutsche.d...re-zugang-1.263989

  • In einer völlig wohlstandsverwahrlosten Gesellschaft ist es natürlich skandalös, wenn einer nicht mit der Propaganda von Springer aktiv nicht einverstanden ist, obwohl dieses Pressehaus nach wie vor erwiesenermaßen lügt und hetzt. Ein Fall mehr, wie sich Gesellschaften austricksen lassen indem die Gegner von Zusammenleben, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit sich auf die Werte berufen, die rechtschaffene Demokraten in Gesetzen verankert haben. Und nein, dieses Vorgehen muss man nicht einfach hinnehmen. Biedermann und die Brandstifter mal lesen bitte.

  • "Nichts Neues – aber ehrlich erarbeitet." Das war ja kein repräsentativer Bürgerrat sondern ausgewählte Sympathisanten. Das dabei genau das herauskommt, was die Organisatoren wollen, dürfte niemanden überraschen. Von daher würde es mich sehr enttäuschen wenn der von Millionen Bürger gewählte Bundestag sich auch nur 5 Minuten mit diesen Thesen beschäftigt.

    • @Nisse:

      Und selbst diese "Sympathisanten" können nicht über den Tellerrand blicken? Wenn sie nichts neues zustande bringen, wer dann?

      • @Patricia Winter:

        Einfach: politische Mehrheiten bringen etwas zustande. Anstatt also einen "Bürgerrat" zu pflegen wäre es sinnvoller diejenigen politischen Parteien zu unterstützen welche ihre Ziele teilen oder eben selbst eine Partei gründen.

        Eine APO hat jedenfalls recht wenig Einfluss auf das politische System.