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Sozialwissenschaftlerin zur Spargelernte„Er sagte: ‚Nirgendwo war es so schlimm wie in Deutschland‘“

Spargelbauern holen Zigtausende Ern­te­hel­fe­r:in­nen nach Deutschland. Oft herrschen katastrophale Bedingungen, sagt die Expertin Kateryna Danilova.

Harte Ernte: Spargelfeld in NRW Foto: Rupert Oberhäuser/imago

taz: Frau Danilova, Sie werfen den deutschen Spargelbauern im Jahresbericht der Initiative Faire Landarbeit massive Ausbeutung ihrer Sai­son­ar­bei­te­r:in­nen vor. Wie sieht die aus?

Kateryna Danilova: In unserem aktuellen Bericht liegt der Fokus vor allem auf den überteuerten und schlechten Unterkünften. Aber wir stellen noch viele andere Probleme fest, wie die Mindestlohnunterschreitung und eine extreme Ausdehnung des Arbeitstages. Hinzu kommt, dass die teils kriminellen Arbeitsvermittlungsstrukturen nicht reguliert sind. Aber wir bekommen auch immer mehr Hinweise auf sexualisierte Ausbeutung.

Bild: Antje Pahl
Im Interview: Kateryna Danilova

ist Sozialwissenschaftlerin und beim Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen sowie beim gewerkschaftlichen Netzwerk Faire Mobilität für Landwirtschaft zuständig.

taz: In welcher Form?

Danilova: Es gibt bislang nur Hinweise, da die Betroffenen selbst die Vorfälle nicht melden. Wir erfahren das über ihre Kolleg:innen, durch Zufall, wenn wir in den Betrieben sind, um uns die Arbeitsbedingungen anzusehen. Meist nutzen den Schilderungen nach die festangestellten Vorarbeiter ihre Machtposition aus und zwingen die Beschäftigten zu sexuellen Handlungen.

taz: Woher kommen Ihre Informationen?

Danilova: Den Kern unseres Berichts macht aus, was wir in unserer Beratungspraxis und bei unseren Feldaktionen beobachten. Wir gehen an die Feldränder und sprechen dort mit den Saisonarbeiter:innen. Unsere Beobachtungen aus den direkten Gesprächen ergänzen wir durch wissenschaftliche Expertise.

taz: Wer sind die Menschen, die als Sai­son­ar­bei­te­r:in schuften?

Danilova: Das sind vor allem Menschen aus Rumänien, die hier im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung arbeiten, das heißt sozialversicherungsfrei, auf drei Monate begrenzt – extrem prekär. Sie kommen auch aus anderen osteuropäischen Ländern und auch immer mehr aus Drittstaaten, zum Beispiel aus den zentralasiatischen Ländern oder sogar aus Indien oder China.

taz: Um wie viele Menschen geht es?

Im ­vergangenen Jahr hatten wir 241.000 Saison­arbeite­r:innen, das ist knapp ein Drittel aller Beschäftigten in der Landwirtschaft. Ohne diese Menschen können Spargel und Erdbeeren nicht geerntet werden. Die Beschäftigten leisten einen unersetzbaren Beitrag – das haben wir auch zu Corona-Zeiten gesehen –, werden aber ausgebeutet.

taz: Sie sprachen gerade von Unterschreitungen beim Mindestlohn. Der ist doch gesetzlich vorgeschrieben, liegt aktuell bei 12,82 Euro brutto pro Stunde. Wie kann es da zu Verfehlungen kommen?

Danilova: Nicht alle gearbeiteten Stunden werden festgehalten und bezahlt. Jemand kann 12, 13 oder auch 14 Stunden pro Tag arbeiten und dann nur für 8 davon Lohn bekommen. Oder die Arbeitgeber holen sich ihr Geld über die Wohnkosten zurück. Die Sai­son­ar­bei­te­r:in­nen bekommen zwar die Unterkünfte vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, aber zu sehr hohen Preisen.

taz: Wie hoch?

Danilova: Wir sprechen von Beträgen, die höher sind als in Metropolregionen in Deutschland, und das für Container in einem brandenburgischen Dorf. Drei bis vier Personen teilen sich ein Zimmer, manchmal aber auch bis zu 14. Ein rumänischer Saisonarbeiter, den wir in unserem Bericht zitieren, meinte: „Nirgendwo war es so schlimm wie in Deutschland.“ Er hatte zuvor in Italien auf der Baustelle und in Dänemark auf den Feldern gearbeitet.

taz: Wie reagieren die Land­wir­t:in­nen auf Ihre Feldbesuche?

Danilova: Manche lassen uns frei mit den Beschäftigten sprechen, andere fordern uns sofort auf, ihre Felder zu verlassen. Es kam auch schon vor, dass die Flyer, die wir verteilten, sofort von den Vorarbeitern wieder eingesammelt wurden. Meine Kolleginnen wurden nach der Aktion sogar mal mit einem Auto verfolgt.

taz: Rechtfertigen sich die Land­wir­t:in­nen vor Ihnen?

Danilova: Ein Landwirt meinte zu uns mal, die Menschen seien „nichts Besseres“ gewohnt und bei ihnen zu Hause sei alles „noch schlimmer“. Ein anderer sagte gar, die Saisonarbeit sei wie Urlaub für die Beschäftigten. Wir sprechen von einer schweren physischen Arbeit, die viel Präzision erfordert – viele Stunden pro Tag unter direkter Sonneneinstrahlung.

taz: Verbessert sich denn auch etwas in den Betrieben?

Danilova: Bei manchen Betrieben konnten wir in den letzten zwei Jahren Verbesserungen feststellen. Von systematischen Verbesserungen in dieser Branche sind wir aber immer noch weit entfernt. Seit Anfang dieses Jahres gibt es eine neue Regelung innerhalb der gemeinsamen Agrarpolitik der EU, nach der Subventionen nun an die Einhaltung gewisser Standards geknüpft sind. Da werden wir aber erst in diesem Jahr beobachten, ob das auch einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen hat.

taz: Es scheint viele Betroffene zu geben. Wieso wehren sich nicht mehr Menschen gegen die Ausbeutung?

Danilova: In der Regel bekommen die Sai­son­ar­bei­te­r:in­nen ihre Löhne als einmalige Barzahlung am Ende der Saison. Sie verlassen ihre Unterkunft, und da steht schon der Bus bereit, der sie zurück nach Rumänien bringt. Es sind vielleicht 1.000 Euro weniger, als sie erwartet haben – aber sie können nichts mehr tun. Eine Klage ist sehr schwierig, die Menschen sprechen meist kein Deutsch, kennen das bürokratische System nicht. Für Verhandlungen vor Gericht müssten sie immer wieder nach Deutschland kommen, was ins Geld geht. Wir als arbeitsrechtliche Beratungsstellen versuchen, die Menschen zu empowern und Löhne außergerichtlich einzufordern. Gleichzeitig hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt eine spezielle Mitgliedschaft für Saisonbeschäftigte, die ihnen zu begünstigten Bedingungen Rechtsschutz gewährt.

taz: Was kann die Politik tun?

Danilova: Der Mindestlohn muss fortbestehen, aber auch tatsächlich ausgezahlt werden. Außerdem müssen die Unterkunftspreise gedeckelt und die Arbeitsvermittlung reguliert werden. Die Saisonbeschäftigten verdienen mehr für ihre Arbeit.

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33 Kommentare

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  • Die Weltwirtschaft verkommt zur Barbarei. Spargel ist nicht das einzige Gemüse, bei dem diese Praktiken grassieren und Erntehelfende sind nicht die einzigen Ausgebeuteten. Es geht überall so zu: Auf dem Bau, in der Logistik, bei den "Ridern", überall. Unternehmen konkurrieren um die höchsten Gewinne, Arbeitende ohne hohe Qualifizierung konkurrieren um die wenigen Arbeiten, die sie ausführen können. Schulen werden schlechter, gering Qualifizierte werden mehr. Die Konkurrenz untereinander verhindert, dass die Ausgebeuteten sich verbünden. Höher Qualifizierte, einschließlich Unisabsolventen, werden zu Zuarbeitern von KI degradiert, mit Lohn- und Prestigeverlust. Wie lange soll das so weitergehen? Keinen Spargel essen greift als Lösung etwas zu kurz, wie es scheint.

  • Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Rumänien und Bulgarien 2007 kurz vor dem RU-Beitritt standen und aus der CSU kamen damals Forderungen „wer betrügt, der fliegt“ aus lauter Angst oder Populismus, die Rumänen und Bulgaren würden die deutschen Sozialsysteme ausnutzen. Wenn ich dann von solchen Missständen hier lesen muss oder auch von unmenschlichen Zuständen in den Schlachtereien, die v.a. Rumänen betreffen, dann frage ich mich natürlich, ob schon mal jemand geflogen ist, der diese Zustände zu verantworten hat? Vielleicht auch jemand aus der CSU? Auch aus der deutschen Bevölkerung kommt diesbezüglich meistens nur Schweigen, was die Zustände der ausländischen Arbeitnehmer anbelangt.

  • Was die Politik vor allem machen muss: Veranlassen, dass die Zustände weit häufiger als bisher durch unangekündigte Kontrollen überprüft werden. Solange praktisch niemand, der den Mindestlohn und andere gesetzliche Arbeitsbedingungen unterläuft, etwas zu befürchten hat, geht das, was Kateryna Danilova beschreibt und eigentlich auch schon seit vielen Jahren bekannt ist, Jahr für Jahr so weiter. Nicht nur beim Spargel, sondern überall da, wo harte körperliche Arbeit geleistet wird, für die offenbar nur noch Arbeitskräfte aus deutlich ärmeren Ländern gefunden werden können.

  • Ich esse schon seit Jahren kein Spargel mehr.



    Aber ich hab ne Alternative: Schwarzwurzeln.



    Sehr lecker.

    • @Arafna:

      Genau genommen schmeckt Schwarzwurzel sogar besser 😊

  • Es wäre auch anzunehmen, dass beispielsweise solche Gehälter z.B.in Deutschland für Schüler oder sehr junge Leute akzeptabel sind, die zwischendurch in der Saison irgendwo arbeiten wollen, vorausgesetzt, ihnen wird die Unterkunft gezahlt, das Essen, und auch eine Waschgelegenheit. Dann wären solche Gehälter, zumindest vorübergehen, akzeptabel.

    Es versteht sich von selbst, dass all diese Saison jobs nur vorübergehende Möglichkeiten sein können, bestenfalls ein Zubrot, und niemals eine wirkliche Berufstätigkeit darstellen können. Sie sind Hilfstätigkeiten, und niemand dürfte darauf wirklich bauen können.

    Dennoch könnten es Möglichkeiten sein, Geld zu verdienen, zumindest dann, wenn sie auch deutschen jungen Arbeitslosen angeboten würden, die vielleicht irgendeinen Zuverdienst zumindest suchen.

    Vorausgesetzt wie gesagt, es würde die Unterkunft, dass die Verpflegung, die Waschgelegenheit, und die Anfahrt gezahlt, - z.B. in Bussen.

    All dies scheint aber auch keinesfalls organisiert zu sein, und so habe ich solche Arbeitsgelegenheiten auch nicht, bei einer Suche auf dem Internet Komma über die entsprechenden Jobsuche, "Jobbörse", der Arbeitsagentur gefunden.

    Der Kommentar wurde auf Wunsch der_des Verfasser_in geändert.



    Die Moderation

    • @Forschungslücke? Wissenszuwachs?:

      Suchen Sie nochmal. Die Suchmaschine spuckt für "Job Erntehelfer" viel aus.



      Die Vorstellung, dass sich junge Menschen und Schülerinnen aus Deutschland wie im Artikel beschrieben ausbeuten lassen, finde ich ansonsten abenteuerlich. 14 Stunden Spargelstechen wird körperlich auch niemand davon durchhalten können und wollen.

    • @Forschungslücke? Wissenszuwachs?:

      Entschuldigung, "all dies" - NICHT natürlich "Aldi" - hier hat mich - wieder einmal - das Diktatsystem an der Nase herumgeführt ...

      (bitte löschen Sie die entsprechenden Stellen ggfs.)

  • Wie ich jetzt hier sehe (s.u.), beträgt das Durchschnittsgehalt in Rumänien in etwa zwischen 700 und 900 € netto monatlich. Das ist immerhin noch um einiges mehr als es vor einigen Jahren war offensichtlich, in Angleichung, an diese Verhältnisse, werden dann entsprechende Gehälter hier in Deutschland angeboten, und die Arbeitsverträge dementsprechend gestaltet.

    Nach meiner Schätzung dürfte es wohl so sein, dass man den Leuten daher nicht mehr als 5 € netto pro Stunde zahlt, was in etwa einem rumänischen Gehalt dann entsprechen würde.

    Nach meiner weiteren Schätzung wäre es dann wahrscheinlich so, dass die Arbeitgeber hier in Deutschland sich darauf berufen würden, dass diese arbeitsverträge geschlossen wurden, im Glauben, dass sie in der Höhe richtig gewesen sein. Aber auch das gehaltsniveau in Rumänien dürfte Motivation gewesen sein, arbeitsverträge in der Höhe abzuschließen, insbesondere dann, wenn nichts anderes zu finden ist.

    statistics.timecam...20to%20800%20Euros.,

    oder auch de.statista.com/st...urchschnittliches-

  • So etwas müsste man im Mindestfall erwarten dürfen, das heißt Waschgelegenheiten, und Unterkunft, wenn man irgendwo arbeitet.

    Da ist aber auch offensichtlich hierzu kein Gesetz gibt, wird dies übergangen, so gut man kann, und man kann nur sagen, es ist ein sehr großer glücklicher Zufall, dass die taz davon erfahren hat, und darüber berichtet ...

    Es scheint aber regelrecht eine massenhafte Organisation zu sein, mit rumänischen Wanderarbeitern, die gezielt aus Rumänien geholt werden. Das Problem dabei ist, man holt sie nicht nur, sondern man holt sich eine riesige Anwartschaft auf deutsche Sozialbeträge, da die Leute ja auch nachher irgendwie hier leben müssen, in den meisten Fällen.

    In der Summe dürften daher die bäuerlichen Betriebe, die dich so aufziehen, auch äußerst rücksichtslos gegen den deutschen Staat verfahren.

    Darüber hinaus verhalten sie sich auch rücksichtslos gegenüber den deutschen Arbeitssuchenden, junger Leute z.B., die allein für eine Saison vielleicht zunächst etwas suchen, und für jedes Geld froh sind.

    Denn diese Arbeitsplätze, die nur im Ausland inseriert und vermittelt werden, sind auch nicht in Deutschland bekannt oder werden bekannt gemacht ...

  • Die große Schande bei alledem ist, dass einerseits die Bevölkerung davon nichts weiß, dass andererseits nicht einmal ein gutgläubiger Bewerber aus Deutschland, der irgendwo arbeiten möchte, von diesen Arbeitsgelegenheiten überhaupt erfahren würde. Stattdessen werden, über dunkle Kanäle, diese Arbeitsplätze irgendwo im Ausland inseriert, mit weiterem Gewinn von Zwischenvermittlern ....

    Es ist völlig klar, dass diese Jobs nur vorübergehend gebraucht werden, vielleicht bestenfalls drei Monate, und auch nur von jungen Leuten gemacht werden können.

    Es gibt aber auch gewiss genügend Leute in Deutschland, die Arbeit suchen, und keine finden, und hier würde sich dann auch nicht das Problem der dauerhaften Niederlassung stellen.

    Es scheint aber durchaus auch ein Problem der Unterkünfte zu sein. Auch hier dürfte man davon ausgehen, dass dies nur durch sehr junge Leute überhaupt erträglich wäre, und die dies überstehen könnten.

    Ich selbst erinnere nur, aus dem noch relativ ersten Zeiten der Gastarbeiter, in den 70er Jahren in Deutschland, als ich Teenager war, das Holz Baracken und ähnliches aufgebaut waren überall, für die Unterkunft der Arbeiter. So etwas müsste man im Mindestfall,

    • @Forschungslücke? Wissenszuwachs?:

      Sie wollen deutsche Arbeitslose und Jugendliche ernsthaft für die Feldarbeit zur Ernte einsetzen? Wie das abläuft kann ich Ihnen mit persönlicher Ansicht vom Hof der Großeltern sagen. Jeder Deutsche der versucht bei der Ernte bei uns zu arbeiten, war nach spätestens 2 Tagen unauffindbar und das war ein Pensum das ich schon mit 15 geschafft habe. Sie brauchen da Arbeitskräfte die körperlich harte Arbeit gewöhnt sind. Das finden Sie eher nicht so unter deutschen Arbeitslosen und Jugendlichen. Es hat schon Gründe warum die Menschheit in Europa seit dem Mittelalter versucht der Feldarbeit Richtung Städte zu entkommen.

      • @Šarru-kīnu:

        Aber sicherlich ist richtig, was Sie sagen, nämlich dass man diese körperliche Arbeit in irgendeiner Weise gewohnt sein muss. Wie Sie schon sagen, Sie haben das schon mit 15 gemacht ...

        Jemanden jedoch, der körperliche Arbeit nicht gewöhnt ist, tagtäglich auf den Schlag mit 8 Stunden dann ein akzeptables Ergebnis zu erwarten, ist wahrscheinlich sinnlos.

        Ich darf jedoch hinzufügen, dass ein Teil meiner Familie auch aus dem bäuerlichen Bereich kam, und diese trotz allem von sehr harten Arbeitsbedingungen sprachen, die man selbst auch als Bauer nicht unbedingt so wegstecken konnte. Viele waren trotz allem sehr erschöpft, und es gab auch teilweise sehr schlimme Rückenbeschwerden.

        Daher könnte das Problem auch gerade bei dieser harten körperlichen Arbeit im 8-Stunden-Tag liegen - was vielleicht viele daher nicht fertigbringen würden. Auch das könnte dazu führen, dass die Leute dann schon am 3. Tag nicht mehr dabei sind ...

        Wenn man daher bei 5 Stunden täglich das gleiche Ergebnis erwarten könnte, wäre dies wahrscheinlich rentabler, und vielleicht würden die Leute dann nicht ausfallen. Dann würden die Leute immer noch mehr verdienen, als wenn sie völlig ausfallen würden ...

        • @Forschungslücke? Wissenszuwachs?:

          In der Erntezeit muss oft unter Zeitdruck wegen des Wetters geerntet werden. Sie reden hier vom unerträglichen 8 Stundentag während ich auch schon mal 72h am Stück auf dem Bock saß zur Ernte. Mit Arbeitnehmern mit ihrem deutschen Mindset lässt sich keine Ernte mehr einfahren.

      • @Šarru-kīnu:

        Na ja, das Paradies auf Erden werden Sie nirgendwo finden - auch nicht als Arbeitgeber. Den sogenannten idealen Arbeitnehmer werden Sie wahrscheinlich kaum finden. Aber zu glauben, dass jemand beispielsweise über 30, 40 oder 50 so fit wie jemand im jungen Alter wäre, das ist wahrscheinlich trotzdem illusorisch ... und insofern dürften wahrscheinlich auch nur junge Arbeitnehmer bis höchstens 25 so schwere Arbeitsbedingungen ohne Probleme durchstehen.

        Und wie gesagt, letztlich kommen diese Arbeitnehmer aus dem Ausland im Zweifel den deutschen Staat dann doch sehr teuer, da sie auch nachher irgendwo bleiben müssen, und als Erntehelfer nicht mehr gebraucht werden ...

        Ich selbst glaube, dass dies vor allem von der Art der Unterkunft, ob ausreichende Ruhephasen vorhanden sind, ob genügend Ruhe überhaupt in den Unterkünften ist etc, abhängt, ... so dass die Leute dann tagsüber auch einsatzbereit und fit sind.

        Es ist natürlich eine schwierige Frage, aber wenn man bedenkt, dass beispielsweise auch Fußballer meist nicht älter als 30 sind, lässt sich in etwa das erforderliche Level der Fitness nachvollziehen ...

  • Ich fahre jeden Tag durch das Beelitzer Spargel-Anbaugebiet zur Arbeit. Riesige Monokulturfelder, kilometerlange Plastikplanen.



    Immer mehr Felder werden beheizt, um früher dran zu sein als der Konkurrent oder wenigstens nicht langsamer. Ökologischer Wahnsinn für ein gehyptes Gemüse mit mittelmäßigem Nährwert, wenn auch natürlich lecker.



    Dazu die Busse und Baracken der Arbeiter, die morgens um 6 Uhr schon auf den Feldern arbeiten und abends die gleichen um 18 Uhr immer noch. Am Stand dann Preise von 15-18 Euro das Kilo, zu Beginn der Saison teils noch höher, trotz menschenverachtend schlechter Bezahlung und Arbeitsbedingungen für ein Lebensmittel, das nährstofftechnisch nicht wertvoller als ein Apfel ist. Nach 7-10 Jahren sind die Böden oft mit Pilzen durchsetzt und müssen aufwendig wieder für die nächsten Anbaujahre aufbereitet werden.

    Regional und saisonal allein ist nicht immer ein guter Ratgeber und ich verzichte auf Spargel, seit ich die Realitäten gesehen habe.

  • Wir essen keinen Spargel. Aus o.g. Gründen....

  • Oh du schöne Spargelzeit!



    Der Deutsche Spargelfresser hat schon immer ignoriert, unter welchen unmenschlichen Bedingungen ihr Lieblingsgemüse angebaut wird. Wir prangern hier immer gern die schlechten und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in südlichen Ländern an, aber ignorieren gern, dass es hierzulande keinen Deut besser ist. Wir lassen es uns jedes Jahr wieder gut schmecken. Lassen uns auch nicht von den hohen Preisen abschrecken. Haben Verständnis für die jammernden Spargelbauern, die beteuern dass sie sonst nicht überleben könnten.



    Was sind wir doch für eine verkommene Gesellschaft!



    Uns sollte der Spargel im Hals stecken bleiben!

  • Wie erschütternd! Vielleicht sollte man auch beim Spargel ein Fair Trade Siegel einführen?



    Das ist ja eine moderne Form der Sklaverei, und das mitten in Deutschland!

  • Das passt so garnicht mit dem Märchen des Bauernverbandes zusammen, das die deutschen Landwirte gegenüber ihren europäischen KollegInnen benachteiligt wären.



    Weil sie gezwungen würden, höhere Standards einzuhalten.

    Das Gegenteil ist der Fall.



    Und zwar nicht nur beim Umgang mit SaisonarbeiterInnen.

    • @hsqmyp:

      In Deutschland (36%), Spanien und Italien werden 75 % der Gesamtmenge des Spargels in der EU erzeugt. Spanien hat einen Mindestlohn von 8,37 €, in Italien gibt es gar keinen Mindestlohn. So viel zur Benachteiligung der Deutschen Landwirte !

  • Wundert sich jemand ernsthaft über diese Zustände ?

    Behörden, die angeblich nichts mitbekommen...



    Betriebskontrolleure, die sich vorher ankündigen...



    Behördenleiter, die Maulkörbe verteilen...

    Schauen sie sich doch nur um !

    Aber sie betrifft es nicht und mich betrifft es nicht und nicht nur in den pechschwarzen Wahlbezirken will man ja die Arbeitsplätzchen für die Einheimischen nicht "gefährden".

  • Was können wir tun? 1. Mehr für unsere Produkte zahlen 2. Wahrnehmen, dass die Produktketten all unserer Produkte so aussehen 3. sich schämen

    • @Hannes Mustermann:

      Mehr für die Produkte zahlen? Spargel für 20€ das Kilo wirft also nicht genug ab, um die Erntehelfer angemessen zu bezahlen und zu vernünftigen zu behandeln?

      • @Christian Deinhart:

        Ein erfahrener Spargelstecher erntet deutlich über 10 kg pro Stunde. Da wirkt sich eine Lohnerhöhung von brutto 5 Euro (für die ausländischen Saisonarbeiter ja meist sozialversicherungsfrei) mit lediglich 50 Cent auf den Spargelpreis aus.

  • Gibt es eine Einschätzung wie groß der Anteil der schwarzen Schafe in der Branche ist?



    Also es sollte 0 geben. Klar. Aber sprechen wir von 90 von 100 oder von 10 von 100?

  • Ja schon interessant wie in einem überreguliertem Land mit einem Kontroll- und Dokumentationswahn so eine Branche irgendwie vergessen werden kann. Billiger Agrardiesel und verwässerte Düngeverordnung reichen scheinbar nicht.

  • "Spargelbauern holen Zigtausende Ern­te­hel­fe­r:in­nen nach Deutschland."



    Vermutlich mit vorgehaltener Pistole.

    Oder kommen die Helfer aus den anderen EU Ländern freiwillig, weil das Paket einschließlich Entlohnung insgesamt doch stimmt?

    • @Wellmann Juergen:

      Rumänien ist eines der ärmsten Länder Europas. Um zu überleben, müssen die Menschen nehmen, was sich bietet. Hier wird Armut in großem Maßstab ausgenutzt. Und wozu? Damit sich die Hiesigen mit möglichst viel Luxusgemüse vollstopfen können.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nanana, der Durchschnittslohn in Rumänien ist mittlerweile nicht mehr weit von der 1000€ Grenze entfernt. Ja, Rumänien gehört weiterhin zu den ärmsten Ländern Europas - aber die Bewohner müssen nicht ums nackte Überleben kämpfen und sind dementsprechend nicht verdammt auf unsere Felder zu kommen.



        Erntehelfer werden in ganz Europa gesucht und diese Menschen kommen jedes Jahr wieder.



        Es ist schon die höhere Bezahlung die sie auf unsere Felder lockt - dieses Plus muss natürlich erwirtschaftet/ausgeglichen werden im Wettbewerb...



        Deshalb mögen die Bedingungen auf deutschen Feldern härter sein, dass erschließt sich aber direkt wenn ich sehe, dass in Spanien der Mindestlohn bei 8 Euro liegt und in Italien gar kein Mindestlohn geboten ist.



        Dieses staatlich erzwungene Lohnplus von 33% oder mehr versuchen die Bauern natürlich durch harte Arbeitsbedingungen oder über die Unterkünfte wieder reinzuholen - um mit den Preisen aus Spanien und Italien konkurrieren zu können, denn die 20€ fürs Kilo auf dem Wochenmarkt zahlt nur der bewusste Verbraucher - die absolute Masse des Spargels wandert in die Supermärkte und Discounter - und da ist völlig egal ob der Spargel aus Beelitz oder Ägypten kommt.

  • Ich persönlich halte ja den Spargel für das weltweit am meisten überschätzte Gemüse und kann sehr gut darauf verzichten. Wenn ich aber lese:

    "taz: Woher kommen Ihre Informationen?

    Danilova: Den Kern unseres Berichts macht aus, was wir in unserer Beratungspraxis und bei unseren Feldaktionen beobachten. Wir gehen an die Feldränder und sprechen dort mit den Saisonarbeiter:innen. Unsere Beobachtungen aus den direkten Gesprächen ergänzen wir durch wissenschaftliche Expertise."

    Das klingt das wie ein Furz im Weltraum....

  • Wenn man sieht, was sich auf Bauerndemos so tummelt, verwundert das nicht. Abgesehen davon sind deutsche Bauern oft mit fetten Immobilien gesegnet. Und die werfen bekanntlich gut Kohle ab.

  • wer soll dann kontrollieren, ob der mindestlohn eingehalten wird, die unterkünfte nicht halsabschneiderisch teuer sind usw.? wer, bitte schön?