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Smartphones an SchulenKein Verbot, aber Schutzzonen

Die Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen tauschen sich über den Umgang mit privaten Handys an Schulen aus. Ein Bundesland drängt auf bundesweite Regeln.

Schule als handyfreie Zone: Dafür plädieren immer mehr Pädagogen Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | Am Donnerstag kommen die 16 Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen in Berlin zusammen. Themen für das erste Treffen in diesem Jahr sind der Übergang von Kita zur Grundschule, der Sprachunterricht für zugewanderte Kinder, die Gesundheit von Schü­le­r:in­nen sowie der Umgang mit Antiziganismus an Schulen. Am Freitag stellen die Mi­nis­te­r:in­nen ihre Beschlüsse vor.

Neben dem offiziellen Programm wird es nach Informationen der taz auch um das Thema Smartphones an Schulen gehen. Beim traditionellen Kamingespräch am Vorabend des Treffens wollen die Mi­nis­te­r:in­nen über „aktuelle Themen“ sprechen. Darunter: die Handynutzung an Schulen. Dazu sind drei Ex­per­t:in­nen aus der Wissenschaft eingeladen.

Der Vorstoß kommt vom hessischen Bildungsminister Armin Schwarz (CDU). Schon vor der letzten Bildungsministerkonferenz (BMK) im Dezember hatte Schwarz für eine bundesweite Regelung geworben – und verhaltene Reaktionen geerntet. Nun nimmt Hessen einen neuen Anlauf. Von einem bundesweiten Beschluss erhofft sich Schwarz eine „Signalwirkung“ in die ganze Gesellschaft: „Dass nämlich das unkontrollierte Konsumieren über Smart­phones in den sozialen Medien schadet“, sagt Schwarz der taz.

In Hessen will die Landesregierung nun „Smartphone-Schutzzonen“ an Schulen schaffen. An Grundschulen könnten diese ohne Ausnahme gelten, in höheren Klassen müssten alterskonforme Regeln her, so Schwarz. Ab dem neuen Schuljahr sollen die entsprechenden Regeln gelten. Auch die Regierungen mit BSW-Beteiligung – Thüringen und Brandenburg – haben landesweite Smartphone-Regeln angekündigt.

Bundesweite Regeln nicht in Sicht

Die Thüringer Brombeer-Koalition etwa möchte „handy­freie Zonen und Zeiten“ an Schulen schaffen, teilt das CDU-geführte Bildungsministerium auf Anfrage der taz mit. Eine bundesweite Regelung hält man in Erfurt aber nicht für nötig. „Die Ausgestaltung des Umgangs mit digitalen Medien in der Schule ist Sache der Länder.“

Von einer bundesweiten Regelung, wie sie beispielsweise Australien oder die Nieder­landen vor Kurzem eingeführt haben, ist Deutschland also weit entfernt. Aktuell überlassen die meisten Ministerien den ­Schulen, ob und inwieweit sie Vorschriften zu privaten Telefonen treffen. Doch die Rufe nach klareren Vorgaben werden lauter – auch aus der Wissenschaft.

Vergangene Woche erst forderten 75 Päd­ago­g:in­nen und Mediziner:innen, Smart­phones komplett aus den Schulen zu verbannen. Übermäßige Mediennutzung würde das Kommunikations- und Sozialverhalten von Jugendlichen verändern und könnte psychische Belastungen wie Konzentrationsstörungen, Depressionen und Einsamkeit befördern. Viele Staaten würden aus diesen Gründen die Digitalisierung an Schulen gerade wieder zurückdrehen und zumindest an Grundschulen Handys verbieten.

Der an dem Appell beteiligte Augsburger Schulpädagoge Klaus Zierer verweist auf erste Studien zur Wirkung solcher Verbote: „Unsere Forschung zeigt: Ein begleitetes Smartphoneverbot wirkt sich unmittelbar positiv auf das Schulklima aus und führt zu besserem Lernen.“ Am Mittwochabend kann Zierer den Mi­nis­te­r:in­nen die Studienlage persönlich erörtern – er ist einer der drei Wissenschaftler:innen, die zum Kamingespräch eingeladen sind.

Ex­per­t:in­nen nicht einer Meinung

Ebenfalls mit dabei ist die Potsdamer Bildungsforscherin Katharina Scheiter. Die Professorin für Digitale Bildung sieht die Verbotsdebatte skeptisch. „Wenn wir jetzt anfangen, private Geräte ganz aus dem Unterricht zu verbannen, findet an vielen Schulen kein digitaler Unterricht mehr statt“, sagt Scheiter der taz. Noch seien die Schulen immer noch nicht ausreichend mit digitalen Geräten und WLAN ausgestattet.

Tatsächlich zeigt die jüngste ICILS-Studie, dass sich im Schnitt vier Schü­le­r:in­nen ein digitales Endgerät teilen müssen – und dass die digitalen Kompetenzen von Schü­le­r:in­nen hierzulande sinken. Scheiter warnt davor, Kinder und Jugendliche mit den Gefahren von Tiktok & Co alleinzulassen. „Die Hälfte der Eltern lässt ihre Kinder ohne Einschränkungen im Netz surfen“, so Scheiter. Je früher Schule eine gesunde Nutzung begleite, desto besser.

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3 Kommentare

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  • Danke Frau Scheiter!



    Welche Erziehungsaufgaben soll die Schule noch übernehmen?



    Viele Kinder beherrschen bei der Einschulung nicht einmal die einfachsten Regeln für einen konfliktfreien Umgang. Unabhängig von der Herkunft und ganz ohne digitales Endgerät. Dafür laufen sie in der zweiten Klasse mit Squid-Game-Masken über den Pausenhof und erzählen stolz, dass sie das zuhause (alleine) anschauen.

  • Einheitliche Regelungen?



    Da kann ich nur herzlich lachen. Das bayerische Kultusministerium fördert aktuell BYOD-Geräte. Also private Geräte, die Schüler mit in den Unterricht mitbringen können.



    Was fehlt, sind Empfehlungen für Einschränkungsmöglichkeiten z. B. Firewall oder MDM. Es wird auf Modellschulen verwiesen, die irgendwelche Konfigurationen teilweise in rechtlichen Grauzonen machen. An manchen Schulen können Lehrkräfte oder externe Dienstleiter am Nachmittag den Aufenthaltsort der Geräte (und somit der Schüler) feststellen. An anderen sind keinerlei Einschränkungen getätigt. Somit sind die Schüler fleißig bei TikTok und SnapChat aktiv. Die Verantwortung wird wieder auf die Kommunen und die lokalen Lehrkräfte und Schulleiter abgeschoben. Ebenso die Elternarbeit. Gute Dienstleister sind ohnehin Mangelware.

  • Unsere Schüler brauchen Unterricht im Umgang mit solchen Geräten und der Nutzung des Internets und keine Boomer-Verbote. Leider ist immer noch eine Generation an digitalen Analphabeten am Ruder in der Bildungspolitik.



    Ich bringe gerade meinen Töchtern und einigen Mitschülern seit Beginn der 3. Klasse Programmieren in einer AG bei. Die bürokratischen Widerstände dagegen waren kafkaesk. Dabei hat jeder Schulabbrecher wenn er nur eine Programmiersprache gelernt hat derzeit quasi eine Jobgarantie. Das ganze Denken in dem Bereich ist so hoffnungslos antiquiert.