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Skandal in SchweinemastanlageZerbissene Ohren und Schwänze

Eine Mastanlage im Emsland, die auch an Tönnies liefert, soll gegen Tierschutz­auflagen verstoßen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Proteste vor einer Schweinemastanlage Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Hannover taz | Vor dem Tönnies-Schlachthof Weidemark in Sögel haben die zwölf Demonstranten eine riesige Leinwand aufgebaut. Darauf spielen sie Aufnahmen ab, die schon Ende Juli heimlich in einem der Zuliefererbetriebe im Umland gemacht wurden und zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geführt haben.

Zu sehen sind Schweine mit entzündeten Augen, zerbissenen Ohren und Schwänzen, mit Tumoren und Abszessen. Schweine, die in der Gülle stehen. Der Verein Deutsches Tierschutzbüro hat sie nach eigener Auskunft „zugespielt bekommen“ – und umgehend an das zuständige Veterinäramt und die Strafverfolger weitergereicht.

Man habe zuerst die Behörden ermitteln lassen wollen und sich daher erst jetzt an die Öffentlichkeit gewandt, erklärt Pressesprecher Jan Peifer. Der Landkreis Emsland hat bestätigt, dass er den Betrieb kontrolliert und Mängel festgestellt hat. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt strafrechtlich.

Der Schweinemäster „produziert“ jedes Jahr 45.000 Tiere

Die Vorwürfe der Tierschützer: Der Stallbetreiber soll weder die gesetzlich festgeschriebene Spaltenbreite noch die Vorschriften zu Krankenbuchten eingehalten haben. Außerdem soll er in den Nächten, in denen die Aufnahmen erfolgten, illegalerweise die Trinkwasserhähne abgestellt haben – damit die Tiere am nächsten Morgen den hochkalorischen Fütterbrei schneller aufnehmen. Aus seinen Unterlagen soll zudem hervorgehen, dass etliche Schweine Antibiotika gegen Durchfallerkrankungen und Lungenentzündungen bekamen.

Dem NDR bestätigte eine Sprecherin des Kreises, dass der Betreiber aufgefordert werden musste, diverse Mängel zu beseitigen und die verletzten Tiere zu versorgen.

Die Mastanlage umfasst drei Ställe mit 5.000 Schweinen. Einem Bericht des Branchendienstes agrar online zufolge gehört sie einem Niederländer, der selbst nicht vor Ort ansässig ist. In drei Mastzyklen pro Jahr werden hier 45.000 Schweine schlachtreif produziert, die an den Tönnies-Schlachthof in Sögel, teilweise aber auch an Vion in Emstek und Simon-Fleisch in Wittlich geliefert werden. Tönnies betont, keine kranken Tiere abgenommen und geschlachtet zu haben. Die Kooperation ruhe bis auf Weiteres. Der Betrieb ist QS-zertifiziert.

Im Juli hatte das Tierschutzbüro ähnliche Zustände in einem Tönnies-Zulieferbetrieb in Rheda-Wiedenbrück aufgedeckt. Der Konzern hat die Zusammenarbeit eingestellt. Den Tierrechtlern ist das zu wenig: Sie verbinden ihre Kampagne mit einem Aufruf zur veganen Ernährung.

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2 Kommentare

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  • Das ist doch politisch so gewollt.



    Denn wollte man es nicht würde man nicht ständig die Stellen in den Kontrollbehörden abbauen bzw. mit anderen "wichtigen Aufgaben" verstopfen.

    Man möchte meinen die eine Hälfte der Leute in den Behörden sind damit beschäftigt, doppelseitige Augenklappen für die andere Hälfte zu nähen ...

  • Grausam ist der Alltag für ausgebeutete Tiere in der deutschen Gesellschaft. Die Bilder zeigen es. Der Skandal ist allerdings nicht diese Schweinemastanlage alleine. Der Skandal ist, dass dies dem Normalzustand entspricht und Millionen von Tieren betrifft. Der Skandal ist das systematische Tierquälen. Der Skandal ist die Tierproduktion und der Tierproduktkonsum an sich. Eine Gesellschaft, die sich gerne als zivilisiert und als Tierfreund*innen sieht, unternimmt bisher so gut wie nichts dagegen, um der Tierquälerei ein Ende zu bereiten. Eigentlich sollte es eine normale Reaktion sein, bei Anblick der Bilder angewidert auf die Tierproduktion und ihre Produkte zu blicken. Und doch konsumiert die*der Deutsche im Schnitt 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Darüber hinaus wird sogar eine so große Menge an Fleisch produziert, dass viel exportiert wird. Dabei erkennen wohl die meisten Menschen in Deutschland an, dass die ausgebeuteten Tiere Gefühle haben, Schmerzen spüren können und leben wollen. Entsprechend sollte sich diese Sichtweise auf die Tiere auch konsequenterweise im gesellschaftlichen Umgang mit den Tieren widerspiegeln. Also lasst uns etwas gegen diesen Missstand tun! Für die Befreiung von Mensch und Tier!