Silvester in Berlin: Kein Ärger in Verbotszonen
Polizei und Feuerwehr ziehen eine gemischte Silvesterbilanz. Mehrere Menschen werden durch Kugelbomben schwer verletzt und Gebäude stark beschädigt.
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Tatsächlich liegen die Zahlen der Polizeieinsätze, der Festnahmen und der Übergriffe auf Einsatzkräfte auf einem vergleichbaren Niveau wie im vergangenen Jahr – und fallen damit deutlich niedriger aus als nach den bundesweit beachteten Krawallen an Silvester 2022/2023. Demnach hat die Polizei laut Innensenatorin in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch rund 400 Personen vorübergehend festgenommen. Im Vorjahr waren es 390 Festnahmen.
Die Feuerwehr musste allerdings deutlich öfter ausrücken als noch vor einem Jahr. Rund 1.900 Einsätze wurden verzeichnet – 300 mehr als zuvor. Dabei sei es auffällig oft zu Bränden in Wohngebäuden mit gefährdeten Personen gekommen, die gerettet werden mussten, so die Bilanz am Tag danach.
Zudem habe es 13 Angriffe auf Einsatzkräfte der Feuerwehr gegeben, hieß es am Mittwoch. Unter anderem sei die Scheibe eines Einsatzfahrzeugs während der Fahrt mit einem gezielten Steinwurf durchschlagen worden. „Glücklicherweise wurden dabei keine Einsatzkräfte verletzt“, sagte Landesbranddirektor Karsten Homrighausen. Im Vorjahr hatte die Feuerwehr noch 30 Übergriffe registriert.
Polizist schwer verletzt
Die Polizei vermeldete 37 verletzte Beamt*innen. Ein Polizist musste notoperiert werden, nachdem ihn ein mutmaßlich illegaler Feuerwerkskörper am Bein getroffen und schwer verletzt hatte. Laut Angaben der Polizeigewerkschaft GdP droht ihm eine Amputation.
Polizei und Feuerwehr hatten für die Silvesternacht planmäßig den „Ausnahmezustand“ ausgerufen. Rund 1.500 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Bei der Polizei schoben etwa 3.000 Beamt*innen Dienst, davon 700 aus anderen Bundesländern sowie von der Bundespolizei.
Im Fokus standen dabei erneut die drei Böllerverbotszonen auf der Sonnenallee in Neukölln, im Schöneberger Steinmetzkiez sowie am Alexanderplatz in Mitte. Bereits am frühen Abend hatte die Polizei die zuvor ausgewiesenen Gebiete mit Gittern abgesperrt und Checkpoints an den Zugängen errichtet. Personen wurden auf Feuerwerk abgetastet, Taschen durchsucht. Laut Polizei ein Erfolg: In den Zonen sei es „zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen“, so Sprecher Florian Nath.
Heftige Explosion in Schöneberg
Doch nur wenige hundert Meter von der Verbotszone in Schöneberg entfernt bot sich am Mittwoch ein verheerendes Bild: Die Fensterscheiben mehrerer Wohnhäuser und Geschäfte sind zerborsten, eine Fassade ist teilweise verkohlt. Hier sei eine Kugelbombe detoniert, teilte die Feuerwehr mit. 36 Wohnungen seien vorerst unbewohnbar, zwei Menschen in Krankenhäuser gebracht worden.
Bei Kugelbomben handelt es sich um Feuerwerkskörper, die wegen ihrer Bauart über eine besonders große Sprengkraft verfügen und aus Mörserrohren abgefeuert werden. Große Kugelbomben sind in Deutschland verboten, werden aber oft illegal aus dem Ausland importiert oder selbst zusammengebastelt.
Mit fatalen Folgen: In Berlin und Brandenburg gab es weitere schwere Unfälle mit solchen Böllern. Das Unfallkrankenhaus Berlin meldete bis Mittwochmittag mindestens 17 „Bölleropfer“ – davon allein fünf, die durch Kugelbomben schwer an Händen, Gesicht und Augen verletzt wurden.
In Tegel etwa war laut Feuerwehr ein solcher Sprengsatz in einer Menschenmenge explodiert; acht Personen wurden verletzt, zwei lebensbedrohlich, darunter ein Kleinkind. Im Brandenburger Landkreis Oberhavel starb ein 21-Jähriger nach der Explosion einer Kugelbombe.
Für Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco zeigt diese Bilanz, dass es „kein sicheres Silvester gibt, solange in der ganzen Stadt ungehemmt geböllert wird“. Franco bekräftigte seine Forderung nach einem umfassenden Böllerverbot: „Solange ein komplettes Verkaufsverbot aus ideologischen Gründen weiter abgelehnt wird, werden wir am Tag nach Silvester nicht mehr tun können, als die Scherben aufzukehren.“
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