Syrische Regierung und die Frauen: Sie sind zu Recht beunruhigt
Von der Übergangsregierung gibt es erste reaktionäre Töne in der Frauenpolitik. Hier wird sich das wahre Gesicht der neuen Machthaber zeigen.
S yrien hat seit weniger als einem Monat eine Übergangsregierung. Die meisten Minister*innen stehen dem islamistischen Rebellenbündnis HTS nahe, das Anfang Dezember in einer Blitzoffensive die Macht an sich riss. Bislang haben sich die neuen Machthaber*innen moderat und weltoffen gegeben.
Doch manche neue Äußerungen über Frauen und ihre Rolle lassen eine deutlich konservativ-islamische Richtung ihrer Politik befürchten. So sagte laut Medienberichten das einzige weibliche Regierungsmitglied, die Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten, Aisha al-Dibs, feministische NGOs werden nur willkommen sein, wenn sie sich ihrem Modell anpassen.
Sie rief zwar alle Syrer*innen auf, ein solches Modell zu erarbeiten, doch sagte sie auch, Frauen sollten die „Prioritäten ihrer gottgegebenen Natur nicht überschreiten“ und sich ihrer „erzieherischen Rolle in der Familie“ bewusst sein. Kurz davor hatte Regierungssprecher Obaida Arnaout von einer „biologischen Natur“ der Frau gesprochen, die sich für gewisse Berufe unfähiger mache als Männer, etwa in der Justiz oder als Verteidigungsminister. Außenminister Asaad al-Schaibani versuchte die Wogen zu glätten und bekräftigte die Unterstützung der Regierung für die Frauenrechte.
Dass dies vom Außenminister kommt, zeigt deutlich die Sorge der neuen Regierung um ihre Wahrnehmung in der internationalen Gemeinschaft. Schließlich sind die Sanktionen noch in Kraft, viele sind noch skeptisch über den moderaten Wandel der einstigen Terrorgruppe-Mitglieder.
Gerade hat das Bildungsministerium geplante Änderungen an den Schulbüchern bekanntgegeben. Die bekannte Königin von Palmyra, Zenobia, soll etwa aus den Lehrbüchern verschwinden, weil sie eine Fantasiefigur sei. Im multikulturellen Syrien sind viele säkulare und nichtmuslimische Frauen zu Recht beunruhigt, zumal die ersten freien Wahlen nun erst in vier Jahren stattfinden sollen. Frauenrechte beinhalten viel mehr als nur die Freiheit, kein Kopftuch zu tragen. Auch daran wird sich das wahre Gesicht der neuen Machthaber zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Debatte über Verbot von Privat-Feuerwerk
Schluss mit dem Böllerterror
Jens Spahn
Da bringt sich einer in Stellung
Spendenrekord im Wahlkampf
CDU bekommt fast zehnmal so viele Großspenden wie SPD
Vor der Bundestagswahl
Links liegen gelassen
Wahlprogramm von CDU/CSU
Von wegen Maß und Mitte