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Selenskis Einladung an Xi JinpingEmpathie hat keine Priorität

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Ukraines Präsident Selenski lädt Chinas Regierungschef Xi in die Ukraine ein. Doch die Volksrepublik leiten Eigeninteressen statt humanitäre Bedenken.

Der chinesische Präsident Xi Jinping in Moskau am 21. März 2023 Foto: sputnik/reuters

E s ist nicht das erste Mal, dass der ukrainische Präsident um eine Audienz bei Xi Jinping bittet. Mehrfach hatte Selenski bereits sein Interesse bekundet, mit Chinas Staatschef sprechen zu wollen. Er tat dies häufig auf ungewöhnlichen Wegen, etwa während Zeitungsinterviews.

Tatsächlich ist es beschämend, dass China einerseits Moskau hofiert, während es Kiew weiter die kalte Schulter zeigt. Zwar gab es Gespräche auf Ministerebene, doch diese waren eher der Versuch Pekings, sich den Anschein von Neutralität zu geben. In Europa hat man Chinas perfide Taktik längst durchschaut. Dass Selenski gute Miene zum bösen Spiel macht, beruht auf taktischen Gründen und Wunschdenken.

Unter westlichen Diplomaten in Peking sitzt der Schock tief. Zu Beginn der russischen Invasion versuchte die Leiterin der ukrainischen Botschaft wochenlang, Gesprächstermine bei Chinas Regierungsvertretern zu ergattern – ohne Erfolg. Seither hat sich folgendes China-Bild festgesetzt: Die Staatsführung kennt ausschließlich Eigeninteressen, humanitäre Bedenken stehen am Ende der Prioritätenliste.

von der Leyen findet harte Worte für China

Das bedeutet aber nicht, dass Europa die Hoffnung aufgeben sollte, dass Xi irgendwann doch einmal Druck auf Putin ausübt. Chinas Regierungsvertreter haben unterschätzt, wie sehr die Loyalität gegenüber Russland die diplomatischen – und möglicherweise bald wirtschaftlichen – Beziehungen zwischen Brüssel und Peking belastet. Und die EU ist immerhin der mit Abstand größte Handelspartner der Chinesen.

Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede am Donnerstag deutlich gemacht hat, weht künftig ein deutlich rauerer Wind aus Brüssel. Sie zitierte in ihrer Analyse auch die Abschiedsworte Xi Jinpings an Putin während des Staatsbesuchs in Moskau Mitte März: „Im Moment gibt es Veränderungen, wie wir sie seit 100 Jahren nicht mehr gesehen haben. Und wir sind diejenigen, die diese Veränderungen gemeinsam vorantreiben.“ In Europa werden seine Worte noch lange nachhallen.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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10 Kommentare

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  • Ich übersetze entwas freihändig den Chefverhandler der Ostpolitik Egon Bahr: Staaten lassen sich ausschließlich von Interessen leiten!



    Und wer definiert diese in einem Exportorientiertem Land wie das unsere.. Na ratet mal......

  • Einerseits will sich VdL von China wirtschaftlich distanzieren, andererseits sollen die Chinesen auf Wunsch der EU Druck auf Moskau machen.

    Hoffen kann man ja, wird aber nicht klappen.

    • @AndreasHofer:

      Natürlich wird das klappen. Ist doch immer so. Wenn man zu jemanden sagt: "Ich mag Dich nicht.", erfüllt er ganz, ganz bestimmt jede Bitte.

  • „Seither“



    Seither? (Also seit dem Beginn des Vernichtungskrieges Putin’s wider die Ukraine?)



    Also, ich weiss nicht...



    Dass die Staatsführung ausschließlich Eigeninteressen kenne, und humanitäre Bedenken am Ende der Prioritätenliste stünden, das scheint mir eher eine durchgehend gültige Erkenntnis seit Jahrzehnten zu sein. Selbst, und vor allem, wenn das die eigene bzw. zu eigen annektierte Bevölkerung betrifft.



    Mao’s „Politik“ (Hungersnot 1959-61, Sexualpräferenz für Kinder), Kulturrevolution, Tibet, Tian'anmen, Xinjiang, Hongkong...



    Das scheinen mir klare Zeichen eines Horrorstaats. Und nicht erst seit gestern.

  • Selbstverständlich wer hätte anderes erwartet.



    Die sofortige Befreiung der Zwangsarbeiter in Chinas Arbeitslagern durchführen!



    Und alle Insassen aller Todeslager Nordkoreas befreien!



    Jetzt die Neue Rote Armee aufbauen!



    Dann alle Rote-Armee-Fraktionen der Welt zu einer großartigen Rotenarmee® vereinen!

  • "Doch die Volksrepublik leiten Eigeninteressen statt humanitäre Bedenken."



    Das ist in der "westlichen" Welt nicht anders sonst würden wir nicht Handel mit Iran, den Saudis, China und den anderen autokratieb und Diktaturen treiben.

  • Ich lach mich tot. Unsere kürzlichen diplomatischen Kehrtwenden zu Saudi-Arabien und Katar sind also auf humanitäre Bedenken zurückzuführen? Oder auf Empathie? Oder ist es gar eine "perfide Taktik"?

    China ist ein autokratischer Staat, der mit seinen Bürger*innen fürchterliche Dinge anstellt. Scharfe Kritik an diesem Regime ist grundsätzlich zu unterstützen. Aber wer allen ernstes lamentiert, die chinesische Außenpolitik sei "nur auf Eigeninteressen fixiert", dem empfehle ich mal, eine Umfrage unter afrikanischen Regierungschefs über unsere eigene Außenpolitik durchzuführen - wenn das zu aufwändig ist, tun es ein paar saudische Oppositionelle auch!

  • Dass die EU sich langfristig von China abwenden will, ist doch längst beschlossen. Damit kann man Xi weder drohen, noch ihn einschüchtern.



    Und kurzfristig ist die EU von China abhängig, nicht umgekehrt. Verhängt doch bitte Importsanktionen gegen China und guckt mal, wie die Supermarkt Regale danach aussehen!

    • @TeeTS:

      Ja, das wäre interessant. Dann entwickeln wir uns immer mehr zu einem Entwicklungsland zurück und bitten andere Staaten um Sachspenden, weil es bei uns, dank Energiewende und Sanktionen mit Russland und China nix mehr gibt...