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Selenski trifft Macron und Scholz in ParisTeil der „europäischen Familie“

Nach seinem London-Besuch traf der ukrainische Präsident Emmanuel Macron und Olaf Scholz im Élysée-Palast. Selenski forderte weitere Waffen.

Selenski, Macron und Scholz während eines Treffens im Pariser Élysée-Palast Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

Paris taz | Nach seinem Besuch am Mittwoch in London wurde der Präsident der Ukraine, Wolodimir Selenski, am gleichen Tag abends in Paris vom Staatspräsidenten Emmanuel Macron und vom Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam im Élysée-Palast empfangen. Selenski traf erst um 21.45 Uhr in einer britischen Maschine auf dem Pariser Flugplatz Orly ein, wo er mit rotem Teppich und allen Ehren vom französischen Verteidigungsminister, Sébastien Lecornu, begrüßt wurde. Dieser Abstecher nach Paris am Vorbend des EU-Gipfels war bis wenige Stunden zuvor geheim gehalten worden und wirkte, trotz der imposanten Sicherheitsvorkehrungen, improvisiert. Es war schon spät, als die drei Staatsmänner bei einem Abendessen im französischen Präsidentenpalast ihre Unterredungen beginnen konnten.

Zuvor hatte jeder kurz vor den Medien eine Erklärung abgegeben. Dass Scholz und Macron gemeinsam als Gastgeber auftraten und so die Einheit der Solidarität mit der Ukraine gegen die russische Aggression verkörperten, war zweifellos ein starkes Symbol, hatte es doch in der jüngeren Vergangenheit noch diverse Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und Berlin gegeben. Frankreich und Deutschland wollen in der Unterstützung der Ukraine keine Zweifel an ihrer Einheit aufkommen lassen. Gemeinsam wollen sie die Ukraine „zum Sieg und Frieden begleiten“.

Macron versicherte Selenski, dass er und sein Volk in diesem Krieg „auf Frankreich und Europa zählen“ könne. „Russland kann und darf nicht gewinnen“, sagten sowohl Macron wie Scholz. Der französische Präsident erinnerte daran, dass noch 2019 ebenfalls im Élysée-Palast ein Vierer-Treffen im Normandie-Format (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich) mit Selenski und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin stattgefunden habe und dass die Bemühungen, den Krieg zu verhindern, vergeblich waren. Er versprach auch, Russland müsse eines Tages für die Kriegsverbrechen Rechenschaft ablegen.

Wie Macron würdigte auch Scholz den Mut beim „heroischen Widerstand“ der Ukraine. Auch versprach er, so lange wie nötig die Ukraine militärisch, humanitär und finanziell zu unterstützen. In Hinblick auf den EU-Gipfel in Brüssel, an dem Selenski am Donnerstagvormittag ebenfalls erwartet wird, wiederholte Scholz, dass die Ukraine zur „europäischen Familie“ gehöre.

Selenski in seinem üblichen khakifarbenen Pulli dankte für die bisherige Hilfe, drängte aber zur Lieferung von modernem „operationellem“ Kriegsmaterial, ohne dabei Kampfjets, Raketen oder Panzer zu erwähnen. Diese Hilfe brauche die Ukraine „so schnell wie möglich“. Über diese zusätzliche Waffenhilfe haben die drei, die sich vor den Kameras brüderlich duzen, hinter verschlossenen Türen diskutiert.

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11 Kommentare

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  • " Teil der „europäischen Familie“ ".



    Das ist der Wunsch.



    Die Ukraine liegt noch östlicher als die östlichsten EU-Staaten bzw. Beitrittskandidaten.



    Selbst mit den Mitgliedern der EU in dieser Zone hat die EU nur Probleme. Ungarn, Polen, Bulgarien, Kroatien, Slovenien, Slovakei. Tschechien hat sich der VISEGRAD Gruppe angeschlossen.



    Fazit: die Ukraine in der EU wäre ein Kukucksein (siehe Grenzverlauf). Ebenso müssen wir uns wohl von der Türkei verabschieden (evtl. Neubeginn ohne Erdogan nach den Wahlen).



    Dafür: Finnland und Schweden in die NATO, soll der Großvisir am Bosporus toben.

  • 6G
    669190 (Profil gelöscht)

    Die Gefahr für Europa nimmt mit steigenden Waffenlieferungen zu. Damit entfernt man sich zusehends von Verhandlungen, Waffenstillstand, geschweige denn Frieden. Innenpolitische Probleme verzeichnet nicht nur Russland, u.a. auch Deutschland steht vor großen Problemen: Industrie, Gesundheitswesen, Bildungswesen…



    Militärische Aufrüstung – ein “Gebot der Stunde”. Ich finde es schon erstaunlich, inwieweit sich Scholz und Co. anscheinend auf das westliche Verteidigungsbündnis verlassen…

    “ Der Politologe Johannes Varwick geht davon aus, dass der Westen den russischen Krieg gegen die Ukraine hätte verhindern können. "„Ich glaube, dass Kriege nie unausweichlich, sondern die Folge falscher Entscheidungen sind.”

    “… Kissinger 2014 wie folgt: „In der öffentlichen Diskussion über die Ukraine geht es nur um Konfrontation. Viel zu oft wird die ukrainische Frage als Showdown dargestellt: Ob sich die Ukraine dem Osten oder dem Westen anschließt. Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren.“



    (www.europaimunterr...-in-europa#c83791)

    “Der Bündnisfall gem. Art. 5 NATO-Vertrag wird von den NATO-Mitgliedstaaten durch einen Beschluss des NATO-Rats festgestellt. Eine klare Regelung dazu findet sich im NATO-Vertrag allerdings nicht. Der Feststellung des NATO-Bündnisfalles liegt keine „Automatik“ zugrunde. Die NATO-Staaten entscheiden im Konsens mit einem weiten politischen Ermessensspielraum. Ein „Anspruch“ eines angegriffenen NATO-Partners auf Feststellung des Bündnisfalles besteht nicht.“ (www.bundestag.de/r...9-22-pdf-data.pdf)

    “ „Ihr Europäer müsst schon verstehen, dass, wenn es in Europa zu einem Konflikt kommt, wir Amerikaner natürlich keineswegs beabsichtigen, mit euch zu sterben.“



    ―Henry Kissinger

    • @669190 (Profil gelöscht):

      "Die Gefahr für Europa nimmt mit steigenden Waffenlieferungen zu. Damit entfernt man sich zusehends von Verhandlungen, Waffenstillstand, geschweige denn Frieden."



      Kann man so sehen. Andere sehen das genau andersrum: nur mit genug Druck wird sich Russland auf Verhandlungen einlassen.



      Ja, das ist Kalte-Krieg-Logik. Aber das perfide am Kalten Krieg war ja: er hat funktioniert.



      Was schlussendlich richtig ist, wird die Geschichte entscheiden.

      "Der Politologe Johannes Varwick geht davon aus, dass der Westen den russischen Krieg gegen die Ukraine hätte verhindern können."



      Lässt sich kurz darlegen, was den guten Mann zu dieser Behauptung veranlasst? Mangelnde Besuche hochrangiger Politiker in Moskau vor dem Überfall auf die Ukraine können's jedenfalls nicht gewesen sein.

      "Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren."



      Was letztendlich bedeutet, der Ukraine und ihrer Bevölkerung jede Wahlmöglichkeit zu nehmen und sie nur als Prellbock zu betrachten. Menschenfreundlich ist anders.

      "Ein „Anspruch“ eines angegriffenen NATO-Partners auf Feststellung des Bündnisfalles besteht nicht."



      Und was wollen Sie uns damit - insbesondere im Kontext mit dem Nicht-NATO-Mitglied Ukraine damit sagen? Das bedeutet erst einmal nur, dass ein NATO-Mitglied nicht einseitig für alle anderen den Bündnisfall ausrufen kann. Kann ich jetzt nicht so schlimm finden.

      "...wenn es in Europa zu einem Konflikt kommt, wir Amerikaner natürlich keineswegs beabsichtigen, mit euch zu sterben."



      Überraschung! Auch die Europäer haben diese Absicht nicht!

  • "Gemeinsam wollen sie die Ukraine „zum Sieg und Frieden begleiten“.



    Jetzt also doch mit Deutschland auf Sieg?



    Übrigens: Selenskys Markenzeichen ist nicht khakifarben sondern olivgrün. Und wenn ich schon dabei bin: Ich empfinde es als Zumutung, wenn Herr Selensky z.B. Frau von der Leyen quasi im Unterhemd empfängt.

    • @LeKikerikrit:

      Ich empfinde den russischen Vernichtungskrieg, Genozid und Faschismus als Zumutung, so hat halt jeder seine Probleme dieser Tage.

      • @Machiavelli:

        Der Einfachheit halber gebe ich Ihnen Recht.

  • 6G
    669190 (Profil gelöscht)

    Hinsichtlich weiterer Kriegsgeräte-Lieferungen gebe ich folgendes zu bedenken:

    “ Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen,9 aber auch die Frage, ob es sich dabei um „offensive“ oder „defensive“ Waffen handelt, rechtlich unerheblich.10 Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.11”



    (Vgl. Seite 6, www.bundestag.de/r...9-22-pdf-data.pdf)

  • Vorbemerkung: An diesem Krieg trägt Putin die Schuld und nur und ausschließlich er.



    Die Ukraine ist ein durch und durch korrupter Staat, Korruption blüht an jeder Ecke. Wenige Oligarchen verfügen über das meiste Kapital und korrumpieren Ämter und Behörden.



    Dieses Land ist so weit weg von „europäischer Familie“ wie man nur davon entfernt sein kann. Dass man nun bewusst die Scheuklappen aufzieht und die dunklen Seiten dieses Staates ausblendet, weil die Ukraine zu Unrecht in einem üblen Krieg steckt, dient niemandem.



    In Sachen Krieg bin ich voll auf der Seite der Ukraine, in genannten Problemen ehe ich bei Weitem noch keine „europäischen Familie“, geschweige denn einen Nato- oder EU-Beitritt als erstrebenswert. Da waren wir bei Ungarn schon viel zu gutgläubig.

    • 6G
      669190 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Putins Krieg ist in jedem Fall zu verurteilen, es ist m.E. allerdings selbsterklärend, dass er an einer weiteren NATO-Stützpunkt-Errichtung ganz sicher nicht “mitgeholfen” hätte …

  • Ich bin mir sicher, ohne den Krieg würden alle davon sprechen, daß dieser neoliberale Staat mit massiver Korruption, Oligarchentum und Zwangsenteignung von Gewerkschaften sowie doch unübersehbaren Neigungen zu Nationalismus aller Art usw. auf keinen Fall in die EU passt.

    • @Christian Ziems:

      Russland oder die Ukraine?



      Aber ja, passt auf beide.