Seehofer entlässt Geheimdienstchef: Servus, Maaßen
Der Druck war weiter gewachsen. Nun trennt Seehofer sich von Geheimdienst-Chef Maaßen. Aber ausgestanden ist die Sache für ihn damit nicht.
Zuvor war die wochenlange Posse um Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen endgültig ins Irre gekippt. Eigentlich hätte der oberste Geheimdienstler nach seinen umstrittenen Chemnitz-Äußerungen längst ins Innenministerium versetzt sein müssen, als „Sonderberater“. So war, nach heftigem GroKo-Krach, der Deal. Dann aber tat Seehofer nichts. Bis nun Maaßens Abschiedsrede auftauchte – in der dieser sich als Opfer einer linken Verschwörung inszeniert.
Nun verkündet Seehofer das Unvermeidbare: Er habe den Bundespräsidenten gebeten, Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Dieser werde ab sofort freigestellt und auch nicht ins Innenministerium versetzt. Grund seien die „inakzeptablen Formulierungen“ in Maaßens Rede, so Seehofer. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, in welcher Funktion auch immer, ist nicht mehr möglich.“ Die Führung des Verfassungsschutzes übernehme vorläufig Maaßens Vize, Thomas Haldenwang.
Für Seehofer geht es da aber schon um mehr. Denn längst steht auch er wieder unter Beschuss. Wenn die Bundesregierung „noch so etwas wie Selbstachtung hat“, müsse auch Seehofer gehen, sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Auch die Linke fordert Seehofers Rücktritt. In der SPD tut es Juso-Chef Kevin Kühnert: Er könne nur hoffen, dass auch der Mitverursacher der Misere, „ebenfalls bald seinen Sessel räumt“ – also Seehofer.
Maaßen strickte sich eine Märtyrerlegende
Tatsächlich hatte sich Seehofer lange vor Maaßen gestellt, ihn als „hoch kompetent und integer“ verteidigt – und damit die GroKo-Krise mitausgelöst. Nun könnte der freigedrehte Geheimdienstchef Seehofer mit aus dem Amt reißen.
Denn Maaßen legte in seiner Abschiedsrede, die er am 18. Oktober im Berner Club in Warschau hielt – einer Runde europäischer Geheimdienstchefs – mit seiner Politik- und Medienschelte im Fall Chemnitz noch einmal kräftig nach. Dass es in der Stadt „Hetzjagden“ gab, sei „frei erfunden“, bekräftigte er laut Manuskript. Er habe bereits „viel an deutscher Medienmanipulation erlebt“. Chemnitz aber sei „für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland“.
Maaßen strickt daraus eine Märtyrerlegende. Seine Entlassung gehe auf Medien sowie „grüne und linke Politiker“ zurück, „die sich durch mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten“. Zudem sei er als „Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt“. Mehr noch: „Aus meiner Sicht war dies für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vornherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren.“
Tatsache ist: Mehrere Beobachter hatten in Chemnitz Angriffe auf Migranten und linke Gegendemonstranten dokumentiert. Maaßen aber behauptet, er sei für seine vermeintlich unbequeme Meinung geopfert worden: „Ich hätte nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt.“
Nur die AfD springt Maaßen bei
Maaßens Rede war später im Intranet des Bundesverfassungsschutzes eingestellt, frei zugänglich für die mehr als 3.000 Mitarbeiter. Und fand so ihren Weg ins politische Berlin.
Seehofer sagte, mit der Rede Maaßens sei ein Rauswurf nun „unvermeidlich“. „Natürlich ist man dann auch ein Stück menschlich enttäuscht.“ Selbstkritik wies Seehofer zurück: „Beim besten Willen nicht.“ Er stelle sich immer erst einmal vor seine Mitarbeiter. Schon zuvor hatte Seehofer angekündigt, sich nicht vor dem kommenden Montag zur eigenen Zukunft zu äußern – dann wird in Bayern das neue Kabinett vereidigt. Kanzlerin Merkel ließ ihren Innenminister vorerst gewähren. Ihr Sprecher verwies am Montag darauf, dass Seehofer die „nötige Entscheidung“ getroffen habe.
Maaßen dagegen scheint seinen Rausschmiss schon länger mit einkalkuliert zu haben. Er könne sich auch „ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen“, sagte er im Berner Club.
Politisch springt ihm einzig die AfD bei. Maaßen habe „Charakterstärke“ bewiesen, seine Entlassung sei „ein Armutszeugnis“, sagte Parteichef Alexander Gauland. Maaßen hatte hinter verschlossenen Türen im Bundestag zuletzt betont, seit 30 Jahren CDU-Mitglied zu sein. Eine AfD-Nähe weise er „mit Nachdruck“ zurück. Ob das noch gilt, ist offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist