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Cannabisanbau mit Aussicht Foto: Hahn+Hartung/laif

Schwarzmarkt nach Cannabis-LegalisierungErnüchternde Ernte

Mit dem Cannabis­gesetz sollte durch Social Clubs der Schwarz­markt verdrängt werden. Den Clubs aber wird es schwergemacht, der Schwarzmarkt brummt.

E in „richtiges Scheißgesetz“ sei das, was die Ampelregierung mit der Teillegalisierung von Cannabis auf den Weg gebracht hat. So äußerte sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt vor Kurzem bei der Vorstellung eines neuen Lageberichts des BKA zur organisierten Kriminalität. Im Zusammenhang mit diesem Thema kam er auf Drogen zu sprechen, auf Drogentote und eben die Teillegalisierung. Wer Kiffer nicht gesetzlich verfolgt, fördert das ganze Drogenelend samt Kriminalität auch noch, so etwas in der Art wollte er zum Ausdruck bringen mit seinen Worten, die vom Social-Media-Team seiner CSU als „Klartext“ beworben wurden. Einmal mehr hat Dobrindt die Forderung der Union bekräftigt, das drogenpolitische Vermächtnis der Vorgängerregierung ohne Wenn und Aber verschwinden zu lassen.

Das wollen die laut Schätzungen fast 5 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland sicherlich nicht. Aber wer sich einmal mit dem beschäftigt hat, was unter dem ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesetzgeberisch auf den Weg gebracht wurde, um Kiffern eigentlich das Leben zu erleichtern, kommt kaum herum, Alexander Dobrindt auch ein wenig beizupflichten. In vielerlei Hinsicht ist es schließlich wirklich scheiße, das neue Cannabisgesetz.

Mario Gäde, Vorstand der Cannabis-Anbauvereinigung White Lake Weed in Berlin, der sich mit der Materie gut auskennt, formuliert es so: „Das fängt schon an mit den 50 Gramm Cannabis oder 50 Gramm Hasch, die als Besitzmengen erlaubt sind. Wer sich so etwas ausdenkt, hat von vorneherein nichts verstanden. Hasch ist schließlich unglaublich viel potenter als Cannabisblüten. Das ist wie ein Ziegelstein im Vergleich zu einem Sack voller Federn. Schon hier zeigt sich: Das komplette Gesetz ist null durchdacht.“

Eineinhalb Jahre nach seiner Einführung hat sich eigentlich nur bestätigt, was von vornherein befürchtet wurde: das Gesetz ist zu kompliziert und unpraktikabel. Zu dem Schluss kommen auch die Experten der Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Düsseldorf, sowie der Universität Tübingen in ihrer eben vorgestellten ersten Zwischenevaluierung der Teillegalisierung. Darin betonen sie noch einmal die primären Ziele der ehemaligen Ampelregierung: Konsumenten den Zugang zu legalem und nicht verunreinigtem Cannabis zu ermöglichen und den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Und sie weisen darauf hin, auf welche Art und Weise diese vornehmlich erreicht werden sollen: Durch Anbauvereinigungen wie die von Mario Gäde, die möglichst flächendeckend ihre Mitglieder in ganz Deutschland mit selbst angebautem Gras versorgen, und das ohne Gewinnabsichten.

wochentaz

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Die wenigen hundert Vereine, die es bereits gibt, würden jedoch bei Weitem nicht ausreichen, um eine signifikante Auswirkung auf den Schwarzmarkt zu haben, mehrere tausend sollten es dafür schon sein, so die Wissenschaftler. Um das zu erreichen, so die Empfehlung, müsste dafür gesorgt werden, dass die Bürokratie es den Anbauvereinigungen, den Social Clubs, in Zukunft leichter macht.

Als das neue Cannabis­gesetz beschlossen wurde, war die Euphorie ja erst einmal groß

Als das neue Cannabisgesetz beschlossen wurde, war die Euphorie ja erst einmal groß. Ein paar Hanfpflanzen hochzuziehen und einen Verein zu gründen, das kann ja wohl nicht so schwer sein, dachten sich viele. Doch schnell stellte sich heraus, „wie behördlich deutsch der Wind ist, der da weht“, wenn man sich um eine Lizenz als Anbauvereinigung bemüht, so Mario Gäde. Der Antrag seines Vereins für eine Genehmigung sei erst 70 Seiten, dann 90 und am Ende 130 Seiten dick gewesen, als er dann endlich durchgewunken wurde, sagt er. Hinter ihm liege eine schier endlose Odyssee, auf der er sich mit dem Finanzamt, der Berufsgenossenschaft, Versicherungen und dem Bauamt hat herumplagen müssen. Und all das, um seit diesem Juli an gerade einmal 120 Mitglieder ein paar frische Cannabisblüten abgeben zu können, damit die sich nach Feierabend auch mal einen Joint anzünden können. Mitglieder zu finden sei gar nicht mal so einfach aufgrund des ihm auferlegten Werbeverbots, so Gäde. Auf der Homepage seines Vereins gibt es letztlich nicht mehr zu finden als lediglich ein Impressum, aus Angst, dass ihm weitere Informationen bereits als Werbemaßname ausgelegt werden könnten.

Unterschiedlich schnell

Kein Wunder also, dass es bei derart unattraktiven Konditionen Stand heute bundesweit bloß weniger als 340 Anbauvereinigungen bis zur Lizenz geschafft haben. Bei der Versorgung von Kiffern spielen diese derzeit eine verschwindend geringe Rolle. Dabei geht es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich schnell voran. Im rot-grünen Niedersachsen läuft es besonders gut, in Dobrindts konservativer Heimat Bayern besonders schlecht, so weit stimmen die Klischees also. Aber auch im liberalen Berlin werden die Bemühungen um Lizenzen von den Ämtern nur widerwillig begleitet. Dazu kommt noch die hauptstadttypische Planlosigkeit bei allem Bürokratischen, weswegen bislang in der sicht- und riechbaren Kifferhochburg gerade einmal elf vergeben wurden.

Abschreiben sollte man die Sache mit den Cannabis-Clubs aber noch nicht. Vielleicht erfährt sie ja einen neuen Schwung, wenn die Umtriebe des bisherigen großen Gewinners des neuen Cannabisgesetzes beschränkt werden, die Branche mit medizinischem Cannabis. Die Union und Gesundheitsministerin Nina Warken wollen die Liberalisierung beim Cannabis auf Rezept unbedingt wieder zurückdrehen. Die Frage ist nur, ob die SPD dabei mitmacht, bislang erteilt sie den Plänen eine Absage.

Auch bei der Beschaffung von Cannabis greift an den Märkten vorbei das Do-it-yourself-Prinzip … Foto: Hahn+Hartung/laif

Während es den Anbauvereinigungen mit einem Wust an Regeln unnötig schwer gemacht wird, boomen die Telemedizin-Plattformen, über die sich problemlos gutes Gras zu guten Preisen beziehen lässt. Anders als die Anbauvereinigungen dürfen sie für ihre Dienste werben. Und dabei auch noch so tun, als sei Cannabis ein Wunderheilmittel, das in jeder Lebenslage hilft. So kann man sich bei einem Anbieter sogar ernsthaft Cannabis als Hilfe im Anti-Aging-Kampf verschreiben lassen. Humbug, der erst recht absurd wirkt, wenn man das mit dem totalen Werbeverbot für die Anbauvereinigungen vergleicht.

Der Stoff aus der Apotheke

Der Import von medizinischem Cannabis nach Deutschland ist in den letzten eineinhalb Jahren massiv angestiegen. Im ersten Quartal 2025 wurden mit 37 Tonnen mehr medizinische Cannabisblüten importiert als noch im ganzen Jahr 2023. Auf dem Weißmarkt ist neben dem Eigenanbau das Cannabis aus der Apotheke für die Mehrheit der Kiffer in Deutschland die Nummer eins.

Gut, irgendwo muss das Zeug ja her kommen, wenn die Sache mit den Anbauvereinigungen schon nicht so richtig in Schwung kommen will. Das sieht auch Mario Gäde so, aber versehen mit der kritischen Anmerkung: „Wenn ich auf einer Telemedizin-Plattform so tue, als hätte ich Bauchschmerzen, und dann bekomme ich von einem Arzt aus Litauen ein Rezept für Cannabis ausgestellt, dann ist das eigentlich Missbrauch von Medizin.“

Würde der Zugang über die Telemedizin von heute auf morgen aber erschwert werden, wie die Union das vorsieht, würde davon sicherlich der Schwarzmarkt profitieren. Die Konservativen interessieren solche Logiken aber nicht, da sie die Teillegalisierung einfach bloß torpedieren möchten, wo es nur geht. Vernunft wird hier zum untergeordneten Faktor. Und die SPD? Die wirkt so, als wolle sie möglichst keinen Streit mit dem Koalitionspartner jetzt auch noch wegen einer solchen Sache heraufbeschwören. Besonders kampfbereit für die Anliegen der Kiffer wirkt sie jedenfalls nicht. Von der sogenannten Säule 2, die gemäß des von ihr mitentworfenen Cannabisgesetzes eigentlich auch noch irgendwann kommen sollte und die die Abgabe von Cannabis über lizensierte Fachgeschäfte vorsieht, spricht schon lange niemand mehr. Obwohl nach Meinung von Experten nur mit ihr der Schwarzmarkt wirklich effektiv zurückgedrängt werden könnte. In den Städten Hannover, Frankfurt und Berlin geplante Pilotprojekte, die wissenschaftlich begleitet untersuchen sollten, wie sich der vereinfachte Zugang zu Cannabis über solche Fachgeschäfte auf das Konsumverhalten auswirkt, wurden eben erst wieder abgeblasen.

… die Alternative zu den Social Clubs und Telemedizin: der Anbau in Eigenregie Foto: Hahn+Hartung/laif

Hört man rein in die Cannabisszene, werden unterschiedliche Vermutungen darüber angestellt, wie der Telemedizin-Streit der Koalition ausgehen wird. Die einen glauben oder hoffen, dass die SPD stabil bleiben wird, die anderen haben da so ihre Zweifel. Dass die Cannabis-als-Medizin-Branche selbst nervös geworden ist, zeigt sich daran, dass sie eben erst eine Petition in eigener Sache beim Bundestag eingereicht hat.

Und die Anbauvereinigungen? Könnten die also doch noch einen zweiten Frühling erleben, wenn nach einer Entliberalisierung der Telemedizin all die verwaisten „Patienten“ sich wieder an sie erinnern?

Mario Gäde ist da skeptisch. „Die Vereine können nur dann boomen, wenn ihnen die Ketten abgelegt werden. Die Begrenzung auf 500 Mitglieder müsste beispielsweise weg, der Lizenzprozess vereinfacht werden, und es müssten einheitliche Regeln bei den Bauämtern gelten.“ Auch Heinrich Wieker von der Bundesarbeitsgemeinschaft Cannabis-Anbauvereinigungen, die in Berlin sitzt, glaubt, dass nur veränderte Strukturen eine Renaissance der Anbauvereinigungen einläuten könnten. Einschränkungen bei der Telemedizin würden den paar bereits bestehenden Vereinen sicherlich einige neue Mitglieder bescheren, aber nicht unbedingt zu mehr Vereinsgründungen führen, wenn alles so kompliziert bleibt wie bisher.

Hoffen auf eine zweite Welle

Es könnte erst dann eine zweite Welle geben, glaubt Wieker, wenn Anbauvereinigungen unternehmerischer geführt werden dürften, als das aktuell der Fall ist. „Ein paar Hippies growen gemeinsam Cannabis“, dieser Ansatz werde das Ganze nicht mehr weiter voranbringen. Es bräuchte jetzt mehr „Funktionäre“, die auch etwas Geld verdienen dürfen mit ihrem Cannabis.

Durch ein paar legale Tricksereien im Rahmen des Vereinsrechts könnten dafür Wege gefunden werden. Vielleicht kommt die große Zeit der Anbauvereinigungen dann ja doch noch, was Alexander Dobrindt freilich wieder richtig scheiße fände.

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16 Kommentare

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  • "Es bräuchte jetzt mehr „Funktionäre“, die auch etwas Geld verdienen dürfen mit ihrem Cannabis."

    Ja klar, wer hätte es gedacht. Auf einmal soll Geld damit verdient werden dürfen. Aber DAS war halt nicht der Gedanke bei der Entkriminalisierung und ich halte dies auch für völlig falsch. Ja, die Regularien müssen weniger werden und es sollte einfacher sein, einen solchen Verein aufzubauen. Aber damit Geld verdienen? Dann könnte man auch gleich das großflächige Dealen erlauben.

    Meiner Ansicht nach ist das viel größere Problem ohnehin der noch immer zu niedrige Grenzwert, der bis heute dazu führt, dass Konsumenten stets Gefahr laufen den Führerschein zu verlieren und diesen erst mit MPU wiedererlangen können. DAS macht das Gesetz in seiner heutigen Form vollkommen sinnlos...

  • Das glaube ich nicht. Der Schwarzmarkt ist zurück gegangen. Wie soll denn der Schwarzmarkt gleich geblieben sein wenn es nicht mehr Konsumenten gibt und alle diskutieren das Millionen Menschen ihr Cannabis über Apotheken beziehen? Das passt doch nicht zusammen.

  • Das Gesetz war zu keinem Zeitpunkt geeignet, den Schwarzmarkt einzudämmen. Schon alleine wegen spontanen Gelegenheitskonsumenten.

  • Liebe taz. Ich verstehe nicht, warum ihr hier auf den "der Schwarzmarkt brummt"-Zug aufspringt, ohne dass ihr dafür andere Belege habt, als dass es noch nicht genug Anbauvereinigungen gibt.

    Und auch dieses Argument ist meiner Meinung nach nicht so stark, wie es hier vorgetragen wurde. 340 Vereine, könnten theoretich über 150.000 Konsumenten versorgen.

    Und in Umfragen haben nur noch 36% der Konsumenten angegeben gelegentlich aus illegalen Quellen zu kaufen. Nur noch 10% beziehen komplett aus illegalen Quellen. nur noch 1% (vor Entkriminalisierung 13% aus "zwielichtigen Quellen").

    Darüber hinaus ist davon auszugehen, das die stärkeren Konsumenten auch die ersten sind, die sich durch Eigenanbau oder Vereinigung versorgen. Daraus müsste man doch schliessen, dass der Schwarzmarkt schon massiv unter der Entkriminalisierung leiden müsste.

    Warum wird das hier nicht ebenfalls erwähnt? Wenn ihr da journalistisch etwas dagegen zu halten habt, dann würde es mich sehr freuen darüber zu lesen.

  • Ich habe auch Erfahrung. Jahrzehntelange sogar. Mit Anbau, Konsum, Erwerb und auch Verkauf.



    Eines hat das Gesetz geleistet und das war auch von Lauterbach so angedacht behaupte ich, auch wenn er das vielleicht nie gesagt hat: Wir bekommen die Legalisierung nur durch wenn gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppen wie Apotheker und Ärzte dafür sind. Berufsgruppen mit starker Lobby. Die sind dafür. Weil sie sich dumm und männlich verdienen.



    Aber das seine Kollegen noch mehr Geld verdienen war nur Mittel zum Zweck. Chronisch Kranke können das Medikament kaufen das ihnen hilft. Was zählt da die Erkenntnis das wir den Schwarzmarkt nicht ausgeschaltet haben. Den gab es vorher genau so wie jetzt. Aber kranke Menschen bekommen ihre Medikamente. Das zählt. Es geht niemanden schlechter. Aber vielen besser. Das ist das was bleibt.



    Danke Karl. Du wurdest immer verkannt. In mir hast Du einen Fan. Deine Politik war immer großartig. Nicht nur was das Cannabis Gesetz betrifft

  • manchmal muss man Dinge auch ausprobieren - ich meine damit nicht den Konsum, sondern die "Legalisierung", um zu wissen, wie der Markt darauf reagiert. Es ist wirklich schwierig geworden in Zeiten von 1:1 Berichterstattung, dass man auch einen Spielraum heranwachsen lässt, um dann gegenzusteuern oder wieder abzuschaffen. Kurz: man hat es nicht leicht in der Politik.

  • Wenn ich ein Bier trinken will, trete ich ja auch keinem Brauer-Verein bei oder gehe in die Apotheke.

    Ja, Biertrinken ist auch schädlich und - wer hätte das gedacht - das Leben ist gefährlich. Eigentlich passt Schwarz-Grün super zueinander. Beides Schneepflug-Parteien, die jegliche Unbill vor des Bürgers Füßen wegräumen wollen.

    Eigentlich wäre das doch die Chance für die SPD. Eine Partei für den Normalo. Die weder die Welt noch jeden einzelnen retten will. Hol mir mal ne Flasche Bier!

  • Selbst, wenn es einfach wäre fü+r die Clubs, gäbe es immer noch einen gigantischen Schwarzmarkt. Das organisierte Verbrechen verkauft nicht ohne Grund Gras, es ist nun mal ein Business mit einem Zig-Milliardenumsatz allein in Deutschland.

    Hat mal jemand durchgerechnet, wie viele Clubs es geben müsste, damit sich der Schwarzmarkt nicht mehr rechnet?

    • @Suryo:

      Der Witz ist, da fehlt gar nicht mal so viel. Nehmen wir mal den an, dass in Deutschland 200 Tonnen Cannabis pro Jahr konsumiert werden. Der Hanfverband schätzt 200-400.

      1. Jahreskonsum in Deutschland:



      200 Tonnen = 200.000 kg = 200.000.000 g

      2. Produktionskapazität einer Anbauvereinigung:



      500 Mitglieder × 50 g/Monat = 25.000 g/Monat = 25 kg/Monat



      → pro Jahr: 25 kg × 12 = 300 kg/Jahr

      3. 340 Anbauvereinigungen:



      340 × 300 kg = 102.000 kg/Jahr = 102 Tonnen/Jahr

      4. Marktanteil:



      102 t / 200 t = 0,51 → 51 %

      -> Das wäre bei Vollauslastung aller Vereinigungen. Aber hey, selbst wenn es nur die Hälfte wär.. das ist schon mal ein ganzer Brocken weniger Geld an das organisierte Verbrechen?

      Und wenn wir davon ausgehen, dass nochmal genauso viel durch Eigenanbau abgedeckt wird, dann sind die 90% legale Quellen die in Umfragen angegeben wurden gar nicht so unrealistisch - und eigentlich sollte man doch komplett abfeiern, dass der organisierten Kriminalität hier schon ne gute Milliarde Umsatz entzogen wurde.

      Oder was versteh ich falsch?

    • @Suryo:

      Rein rechnerisch bräuchte es für eine Vollversorgung rund 10.000 CSCs. Es müssten sich also noch 9.660 weitere Gründer finden die bereit wären massiv ehrenamtliche Arbeit und idR sechsstellige Anfangsinvestitionen zu tätigen um überhaupt einen Antrag stellen zu können. Wird der dann doch abgelehnt, weil die Kommune zwischenzeitlich ein Klettergerüst vor dem geplanten Anbauort aufstellt oder darauf beharrt, dass die Fläche im B-Plan für den Cannabisanbau ausgewiesen sein müsse, sind diese Investitionen aber eben auch futsch.



      Und selbst wenn sich noch weitere 9.660 CSCs gründen würden, ist deren Modell auf eine Mitgliederstruktur ausgerichtet die sich dem Cannabiskonsum doch eher enthusiastisch widmen, während der Großteil der zu versorgenden 5 Mio. aber Gelegenheitskonsumierende sind. Wer nur ein paar Gramm im Jahr benötigt wird sich aber recht schnell ausrechnen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis das er über die Mitgliedsbeiträge dafür zahlt kein wirklich gutes ist, während der immense Aufwand der Vereine überhaupt erst ab einer gewissen Menge lohnt, aber nicht wenn sie im Jahr nur 10 Pflanzen aufziehen.



      Ohne Fachgeschäfte oder eine äquivalente Versorgung wird es nicht gehen.

      • @Ingo Bernable:

        Die Frage ist letztlich doch was das Ziel des "Schwarzmarkt zurückdrängen" ist. Mein Ziel wäre hier:

        - der organisierten Kriminalität Geld entziehen



        - weniger Kontakt von Konsumenten mit organisierter Kriminalität, geringere Wahrscheinlichkeit mit anderen Drogen in Kontakt zu kommen



        - weniger gefährliche Streckmittel im Cannabis

        Wenn man die Ziele vor Augen hat, muss es vielleicht gar nicht sein, dass alle 5 Millionen, größtenteils Gelegenheitskonsumenten, sich in Anbauvereinigungen versorgen. Ich stell mal die These auf, dass ein sehr sehr großer Teil dieser 5 Millionen sich eh nie selbst Cannabis kauft, sondern halt bei Freunden oder auf Partys mitkonsumiert.

        Deshalb habe ich in meinem andren Kommentar auch Anhand der konsumierten Mengen gerechnet, und hier lässt sich abzeichnen, dass schon ein sehr großer Teil des in Deutschland bezogenen Cannabis nicht mehr aus organisierter Kriminalität stammen dürfte. Allein die 100 Tonnen medizinisches Cannabis pro Jahr, sollten schon 25-50% des Marktes abdecken. Anbauvereinigungen und Eigenanbau einen weiteren Teil. Der Großteil der Konsumenten wird also zumindest auf den "Graumarkt" über Freune zurückgreifen. Die Ziele sind nicht fern.

        • @Mac Gyver:

          Diese Ziele werden sie aber nicht erreichen indem sie die realen Probleme mit hypothetischen Idealwerten beiseite wischen.



          Wie die taz an anderer Stelle berichtete decken die bislang abgegebenen Mengen der CSCs gerade mal 0,1%(!) des Gesamtbedarfs. Um ihre 50% zu erreichen müssten sie die produzierte Menge also verfünfhundertfachen. Selbst wenn sie das könnten, würden ihre Mitglieder diese Mengen gar nicht abnehmen. Die fragen nämlich eher um die 10g/M nach. Und die Weitergabe per 'social supply' ist noch immer illegal, selbst kostenlos.



          Zu unterstellen, dass der reale Bedarf vA durch 150.000 Hardcorekonsumierende entsteht und die übrigen 4,85 Mio. allesamt nur Schnorrer sind, entspricht nicht der Realität.



          Kurz, sich die Situation schönrechnen zu wollen passt vorne und hinten nicht. Zumal, wenn es denn so wäre, wären die Versuche von Warken und Co. mit den Online-Apotheken die einzige in der Breite verfügbare Quelle für saubere Qualität wieder abzuräumen vollkommen unproblematisch. Real würde es aber bedeuten das Delta von 70t wieder auf den Schwarzmarkt zu verlagern und es ist möglich, dass die SPD um des Koalitionsfriedens Willen bereit ist das mitzutragen.

  • Wieso "brummt" der Schwarzmarkt?



    In der Evaluation "brummt" da überhaupt nur deshalb irgendwas, weil die Weitergabe unter Anbauenden auch als "Schwarzmarkt" betrachtet wird. Gut 80% der Konsument:innen baut entweder selbst an oder bezieht Gras aus der Apotheke. Im Vergleich zu der Zeit vor der Entkriminalisierung war das sicher 'etwas' anders, da wurden wahrscheinlich 95% von der Straße gekauft. Wer das immer noch nicht als Erfolg anerkennen kann, dem ist mMn. auch nicht mehr zu helfen. UND. das alles, obwohl das Gesetz so ein Murks ist.

    • @White_Chocobo:

      Ja ich kann das auch überhaupt nicht nachvollziehen. Der Konsum ist ja ziemlich gleich geblieben seit der Legalisierung. Und dann wird behauptet der Schwarzmarkt sei nicht zurück gegangen und im selben Atemzug wird behauptet dass so viele über Telemedizin bei den Apotheken bestellen. Das passt doch einfach nicht zusammen.

    • @White_Chocobo:

      Danke, das frag ich mich auch. Gestern erst gelesen, dass 90% der Konsumenten meistens ihr Gras aus legalen Quellen beziehen, und nur noch 36% überhaupt gelegentlich aus illegalen. Und nur noch 1% start 13% vor Entkriminalisierung aus zwielichtigen Quellen. Ich verstehe jede Kritik an der Bürokratie gegenüber Anbauvereinigungen, aber ich kann nicht nachvollziehen warum die Taz hier auf den "Der Schwarzmarkt brummt"-Zug aufspringt. Solche Aussagen helfen am Ende nur denen, die das Gesetz komplett zurückdrehen wollen.

    • @White_Chocobo:

      Ich kenne so gut wie niemanden, der langwierig und geruchsintensiv selbst anbaut, und viele, die keine Lust darauf haben, fasst vielleicht irgendwie ihr Cannabiskonsum in einer Patientenakte landet. Die kaufen alle beim Dealer.