Schuldenpläne des Bundes: Der Kater nach dem Trippelwumms
In der Union gibt es Kritik, dass man sich mit der SPD auf Milliarden neuer Schulden geeinigt hat. Merkel wäre das nicht passiert, heißt es. Die SPD warnt vor „zähen Verhandlungen“.

Um dann Summen und Ergebnisse vorzutragen, die er vor der Bundestagswahl im Duell mit dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz noch ausgeschlossen hatte: eine Aufhebung der Schuldenbremse für den Großteil der Verteidigungsausgaben, eine halbe Billion Euro für Investitionen in die Infrastruktur – ebenfalls an der Schuldenbremse vorbei – und nicht zuletzt eine Reform ebenjener.
Die beiden Sozialdemokrat:innen zu seiner Linken nickten bestätigend, verbargen ansonsten hinter stoischen Mienen ihr Frohlocken über das Einschwenken der Union auf den Kurs der SPD. Aus SPD-Kreisen heißt es, Trump habe Merz wohl eher als Brücke gedient, er sei nun kurz vorm Kanzleramt in der Realität angekommen.
Zwar ist der größte Knackpunkt, die Finanzen, zwischen den Spitzenteams von Schwarz und Rot geklärt. Leicht werden die weiteren Sondierungen dennoch nicht. Denn viele Zugeständnisse will sich die SPD-Spitze trotz der Vorerfolge nicht abringen lassen. Die Gespräche seien noch nicht abgeschlossen, mahnte Esken, und Klingbeil warnte: „Das werden noch zähe Verhandlungen.“ Ein Mindestniveau von 48 Prozent bei der Rente und eine Verlängerung der Mietpreisbremse gehörten, so ist zu hören, weiterhin zu den Must-haves im Koalitionsvertrag. Auch Erbschaftsteuerreform und Vermögensteuer stehen weiterhin auf der Agenda.
Die SPD habe sich weitgehend durchgesetzt
Doch in der Union finden viele, dass Merz bereits jetzt zu stark auf die SPD zugegangen ist. Noch am Dienstagabend schalteten sich die alte und die neue Unionsfraktion zusammen. Wie die taz aus Teilnehmerkreisen erfuhr, meldeten sich zahlreiche kritische Stimmen zu Wort. Ralph Brinkhaus, Merz’ Vorgänger an der Spitze der Fraktion, habe kritisiert, dass die CDU im Wahlkampf das Gegenteil von dem erzählt habe, was sie jetzt in die Tat umsetze. Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef der CSU, hatte am Dienstagabend zwar im ZDF erklärt: „Das ist keine Kurswende.“ Doch dreistes Abstreiten dürfte wohl nicht ausreichen, um diese Volte der eigenen Wählerschaft zu verkaufen.
Zwar stimmen viele in der Union der massiven Aufstockung der Verteidigungsausgaben inhaltlich zu. Das Problem für viele Christdemokrat*innen ist aber vor allem das Sondervermögen von 500 Milliarden für die Infrastruktur. Es sei ungerecht, „der jungen Generation allein diese ganzen Schulden aufzubürden, so der Vorsitzende der Jungen Union Johannes Winkel, der neu in den Bundestag einzieht, zur taz. Denn vor allem die ältere Generation habe von der Friedensdividende der letzten 75 Jahre enorm profitiert.
„Da wäre es gerecht gewesen, die zusätzlichen Kosten gerecht aufzuteilen, indem man beispielsweise einen Teil über einen Verteidigungssoli finanziert.“ Also über eine Steuererhöhung. Die dürfte dann allerdings nicht zu knapp ausfallen. SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die Teil des Sondierungsteams ist, prognostizierte in der ARD, dass die derzeit 53 Milliarden Euro für Verteidigung, „mindestens Richtung 100 Milliarden aufwachsen, pro Jahr“.
Das Verhandlungsergebnis bewertete der Chef der Junge Union Winkel insgesamt als „natürlich erst mal enttäuschend“. Die SPD habe sich weitgehend durchgesetzt. „Wir brauchen jetzt Zugeständnisse der SPD zum Beispiel beim Thema Migration“, forderte er. Leicht wird das sicher nicht. SPD-Abgeordnete erwarten auch hier „harte Verhandlungen.“
Scharfe Kritik kam von Thorsten Alsleben von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, einem engen Vertrauter von Generalsekretär Carsten Linnemann. „Ich glaube nicht, dass Merkel das so gewagt hätte“, schreibt er auf dem Kurznachrichtendienst X. „Sie hätte wenigstens ein paar symbolische Gegenleistungen von der SPD verlangt, die sie dem Wirtschaftsflügel als Trophäen gezeigt hätte.“ Wirtschaftsliberale Hardliner wie Alsleben und auch die Junge Union haben wesentlich dazu beigetragen, dass Merz im dritten Anlauf doch noch CDU-Chef geworden ist.
Die drei angestrebten Grundgesetzänderungen sollen am 13. März in erster Lesung im Bundestag beraten und am 17. März verabschiedet werden. Auch der Bundesrat müsste zustimmen. Zuvor aber muss Merz noch die Grünen überzeugen. Die waren nicht in die Sondierungen eingebunden und wurden am Dienstagabend vor vollendete Tatsachen gestellt.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Verhandlungen mit den Grünen
Und was ist mit dem Klima?
Sondierung und Klima
Ein Kapitel aus dem Märchenbuch
Grünen-Realo Sergey Lagodinsky
„Vollgas in die Sackgasse tragen wir nicht mit“