Schülersprecher über Corona-Maßnahmen: „Auf uns hört man nicht“
Yuri Staarmann vom Kreisschülerrat Hamburg-Eimsbüttel kritisiert die hohe Hürde für den Hybridunterricht. Die Schüler wollen keine Spreader werden.
taz: Yuri Staarmann, warum ist der Kreisschülerrat Eimsbüttel unzufrieden mit den Ministerbeschlüssen?
Yuri Staarmann: Unser Kreisschülerrat hat schon vor Wochen für Hybridunterricht plädiert. Jetzt haben die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, dass erst ab einer Inzidenz von 200 darüber nachgedacht wird. Die Empfehlung ist ab Jahrgang acht, Abschlussklassen sind ausgenommen. Das ist nicht das, was sich viele Schüler in ganz Hamburg und Deutschland wünschen. Auf uns wird nicht wirklich gehört.
Heißt das, die Schüler wünschen Hybridunterricht?
Ich vertrete den Kreisschülerrat Eimsbüttel, der wünscht das. Auch die StadtSchülerKammer Frankfurt am Main wünscht das, der Bundeselternrat und die Bundesschülerkonferenz sagen auch, so geht’s nicht weiter.
Und die Schülerkammer?
Die erhielt auch einen Antrag von uns. Der wird im Dezember diskutiert. Die ist da dran.
Ab welchem Inzidenzwert soll es Hybridunterricht geben?
Das lässt sich so präzise nicht sagen. Man muss schauen, wie viele Infektionen sind an der Schule. 200 finden wir zu hoch.
Die Schulbehörde erlaubt jetzt 20 Schulen mit vielen Infektionen Wechseluntericht.
Das ist ein Anfang. Aber man weiß nicht, wie viele blinde Infektionen es gibt. Zum Schutz sollten mehr Schulen es dürfen.
Yuri Staarmann16, ist Schüler der 11. Klasse des Gymnasiums Hoheluft, Pressesprecher und Vorstandsmitglied des Kreisschülerrates Eimsbüttel und Mitglied der SchülerInnenkammer Hamburg
Wie sieht Ihr Schulalltag aus? Klappt das Lüften?
Der Alltag an meiner Schule, dem Gymnasium Hoheluft, ist eigentlich relativ normal. Es gilt durchgängig Maskenpflicht, man darf im Sitzen ohne Maske essen. Draußen gibt es „Kohortenzonen“, dort dürfen wir die Maske abnehmen. In den Klassen wird alle 20 Minuten gelüftet. Da achten manche gut drauf, manche leider weniger.
Also gibt es normalen Alltag?
Durchaus. Wir kriegen teilweise Aufgaben online, aber der Unterricht findet normal statt.
Trotzdem fänden Sie kleine Lerngruppen sicherer?
Ja. Nicht alle Schüler halten sich an die Regeln, die Maske sitzt auch mal nur auf dem Kinn oder unter der Nase. Lüftungszeiten werden auch mal vergessen, weil man gerade intensiv arbeitet. Die Regeln sind passabel. Aber wenn sich draußen alle Schüler eng drängen, denken wir, dass es bei kleinen Lerngruppen mehr Abstand gäbe.
Gab es an Ihrer Schule Coronafälle?
Erst einen. Wir sind relativ verschont geblieben. Aber man überlegt, wie weit das noch geht!
Wie stellen Sie sich Hybridunterricht vor?
Wir haben das im ersten Lockdown erprobt. Man braucht ein geeignetes Medium ohne Datenschutzprobleme. Iserv wäre möglich. Das hatten einige Schulen im Frühjahr. Man würde eine Konferenz halten, wo der Lehrer seinen Bildschirm teilt.
Die Schüler sind zu Hause?
Halb zu Hause, halb in der Schule. Für die Zeit zu Hause sollte es Aufgaben geben. Wichtig ist, dass der Lehrer dann verfügbar für Antworten ist und in der Präsenzzeit Input gibt für neue Aufgaben zu Hause.
Das klappte im Lockdown?
An meiner Schule ja. Wir sind digital sehr weit entwickelt. In jedem Raum gibt es Smartboards. Es gibt Unterricht darüber, wie man mit Iserv und Medien umgeht. Wir haben keine Hausaufgaben, lernen eigenverantwortliches Arbeiten, „Eva“ genannt. Deshalb klappte das bei uns gut. Natürlich lernte man nicht so viel wie in der Schule, weil das nicht erprobt war. Aber jetzt hat man ja ein paar Mängel festgestellt, etwa, dass einige Lehrer nicht vorbereitet waren. Behebt man die, sollte das funktionieren.
Haben Sie als Gymnasiast nicht eine privilegierte Sicht?
Kann durchaus sein. Hier an den Gymnasien in Eimsbüttel haben die meisten WLAN zu Hause, einen ruhigen Platz, wo sie sich zurückziehen können. Natürlich gibt es auch Familien, wo das nicht so ist. Da muss eine Lösung her, wie wir diese Schüler gut einbinden.
Verstehen Sie die Haltung des Schulsenators?
Es gab ein Gespräch mit dem Schulsenator vor zwei Wochen. Schülervertreter aus ganz Hamburg baten ihn um Hybridunterricht. Seine Ansicht war, die Schulen bleiben erst mal offen. Was man verstehen kann, da es kompliziert ist, alles zu organisieren. Logischerweise lernt man am besten in der Schule. Aber man kann nicht per se sagen, Schulen sind kein Ansteckungsort. Auch der Senator gab zu, dass man nicht sicher ist, weil die Gesundheitsämter nicht überall testen können. Es ist möglich, dass viele von uns Corona haben, es bei uns nicht ausbricht, weil wir jung sind, wir aber unsere Eltern anstecken.
Was wollen Sie tun, um Ihre Forderung durchzusetzen?
Wir gehen an die Presse und planen eine neue Stellungnahme. Wir wollen auch die Schülerkammer überzeugen, die den Draht zur Behörde hat.
Wären Proteste denkbar?
Mag sein. Aber darüber haben wir nicht gesprochen.
Freuen Sie sich auf die Weihnachtsferien.
Natürlich. Aber das hat nichts mit Schule zu tun, sondern, dass ich Weihnachten toll finde. Eine Pause ist auch mal schön.
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