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Schönheitsideale in der ModeweltZurück zu Size Zero

Die Modewelt hat gezeigt: Body Positivity ist tot und dünn sein wieder das Ideal. Das Ende der Bewegung lässt sich auch mit dem Ozempic-Boom erklären.

Models auf der Fashionweek werden wieder dünner Foto: Ian Langsdon/dpa

Glaubt man den Modemedien, werden wir im nächsten Frühling und Sommer viel leichte, transparente Stoffe, Seide und Tüll als wolkenhafte Blusen oder wehende Kleider mit langer Schleppe tragen. Gerne auch Blumenmuster, Sportjacken zum Business-Look oder Rock über Hose. Das sind zumindest einige der Trends, die bei den vier großen Modeschauen in New York, London, Mailand und Paris zu sehen waren.

Natürlich können sich nur die wenigsten die neusten Kollektionen von Prada, Chanel oder Hermès leisten, doch in der ein oder anderen Form finden die Entwürfe der Designer_innen auch ihren Platz bei den Fast-Fashion-Ketten und damit auf der Straße. Wer mit Blümchenmuster und Tüllröcken nichts anfangen kann, darf beruhigt sein. Trends sind kurzlebig und verschwinden so schnell, wie sie kommen. Zumindest die meisten.

Doch einer scheint sich in den vergangenen Modesaisons festgesetzt zu haben: dünn sein. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Size Inclusivity Report von Vogue Business. Seit Jahren dokumentiert und analysiert die Redaktion die Kleidergrößen, die auf den Laufstegen der vier großen Fashionweeks getragen werden. Dafür teilen sie die geteilten Looks in drei Größen ein: Straight, Mid und Plus Size.

Ihre Einschätzungen schicken sie dann an die jeweiligen Marken, die die Daten verifizieren können. Die Zahlen sind niederschmetternd: Statt vielfältiger Körpertypen waren vor allem schlanke Models auf den Laufstegen. Knapp 95 Prozent fallen in den Bereich Straight Size, und ein Großteil von ihnen liegt im extrem dünnen Bereich. Nachdem vor allem um die 2020er herum darauf geachtet wurde, dass auch kurvigere oder dicke Menschen die Mode präsentierten, sind jetzt nur noch einzelne Plus-Size-Models wie Paloma Elsesser und Ashley Graham dort zu sehen.

Kleidergröße 0 ist angesagt

Stattdessen scheint der Heroin Chic der Nullerjahre zurückzukommen: Die Hüftknochen müssen sichtbar, die Bäuche konkav sein, die Haut muss blass, die Haare müssen strähnig sein: Kate Moss und ihr viel zitierter Spruch „Nothing tastes as good as skinny feels“ lässt grüßen. Auch bei den aktuellen Schauen trugen einige Models wieder Size Zero. Die US-amerikanische Kleidergröße 0 entspricht einer europäischen 32 – so klein, dass sie in Deutschland überhaupt nicht angeboten wird.

Eine Casting-Direktorin erzählt Vogue Business, dass in diesem Jahr Models nach Paris, Mailand und London gekommen seien, die so dünn waren, dass es ihnen sichtbar schlecht ging: Sie waren erschöpft, zitterten oder hatten blaue Lippen. Sie warnt davor, dass sich das Problem in den nächsten Jahren noch zuspitzen wird. Denn wenn größere Kleidergrößen auf dem Laufsteg nicht mehr gezeigt würden, wüssten die Models, was in einer so kompetitiven Branche zu tun sei, wenn sie erfolgreich sein sollen. Nämlich abnehmen.

Kritik und Shitstorms bleiben nach den Fashionweeks aus. Der Druck von außen, dass es körperliche Diversität auf den Laufstegen braucht, fehlt. Es scheint, als hätten sich alle darauf geeinigt: War ja ganz nett mit der Body Positvitiy, aber jetzt ist Schluss damit. Zurück zu den alten Idealen, wo die als schönste gilt, die am schlankesten ist.

Dabei ist die Hochzeit der Body Positivity-Bewegung noch gar nicht so lange her. Bis vor einigen Jahren predigten die großen Marken, das Fernsehen und die sozialen Medien, dass alle Körper schön und begehrenswert seien.

Ob klein, groß, dick oder dünn. Das Konzept der Body Positivity ging aus der radikalfeministischen Bewegung der 60er und 70er Jahre in den USA hervor. Wirklich radikal war das, was in den vergangenen Jahren von ihr zu sehen war, zwar nicht. Doch es schien sich etwas zu verändern. Das konnte man zumindest glauben, wenn Lizzo, eine schwarze dicke Sängerin, 2020 auf dem Cover der US-amerikanischen Vogue prangte.

Keine strukturelle Veränderung

Damit ist nun Schluss. Überraschend sei das alles nicht, sagt die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner, die zu „ekligen“ weiblichen Körpern promoviert hat. Denn diese Entwicklung ließe sich längst nicht nur in der Modebranche feststellen. Das Ganze sei absehbar gewesen, denn in puncto Dickenfeindlichkeit habe sich auch in den „guten“ Jahren nichts Grundlegendes verändert.

„Selbst in der Zeit, in der ich das Gefühl hatte, dass wir einen Erfolg nach dem anderen feiern, ging es immer nur um Repräsentation. Das ist auch wichtig, um Sehgewohnheiten zu verändern und Wandel anzustoßen – aber es ging nie um echte strukturelle Veränderungen“, sagt sie.

Es sei nur thematisiert worden, wer auf den Laufstegen, in den Magazinen und in den Fernsehshows zu sehen sei. Stattdessen ging es kaum um die grundlegenden Fragen, wie wir mit dicken Menschen in unserer Gesellschaft umgehen. „Und so ein oberflächlicher Wandel kann gar nicht nachhaltig sein.“ Doch neben den fehlenden strukturellen Kämpfen gibt es noch einen zweiten wichtigen Grund, der den Trend zum Dünnsein beschleunigt: Ozempic und Wegovy.

Eigentlich Diabetesmedikamente, aus denen längst Lifestyle-Produkte zum Abnehmen geworden sind. Die sogenannten Abnehmspritzen greifen hormonell in das Sättigungs- und Völlegefühl ein und verlangsamen die Magenentleerung. Die direkten Nebenwirkungen sind nicht ohne, die Langzeitfolgen unerforscht – doch das scheint egal.

Spritze statt Diät

Die Spritzen sind auch dank einer enormen medialen Präsenz längst Normalität geworden – und das nicht nur im Leben der Hollywoodstars. In den USA zeigen erste Daten, dass die Adipositasrate um 2 Prozentpunkte gesunken ist, jede_r achte US-Amerikaner_in hat das Medikament schon genommen. Die Weight Watchers haben ihre komplette Strategie verändert, statt auf Diäten und Gewichtskontrollen zu setzen, werben auch sie auf ihrer Seite mit Programmen für Personen, die die Spritzen zum Abnehmen nutzen.

Die Schönheitsoperationen gegen das sogenannte Ozempic Face, also ein eingefallenes Gesicht, nehmen international zu. Und in Großbritannien will die Labour-Partei die Abnehmspritzen nun an arbeitslose Menschen gratis verteilen, um sie wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen, die Wirtschaft anzukurbeln und das Gesundheitssystem zu entlasten.

Denn das ist das Bild, das bis heute von dicken Menschen vorherrscht: Sie sind faul, krank und eine Belastung für unsere Gesellschaft. Sie erfahren Benachteiligung auf dem Job- und Wohnungsmarkt, beim Dating und in der medizinischen Behandlung. Ozempic wird all das verschärfen. „Dass sich also immer mehr Menschen dem starken Schönheitsdruck beugen, ist absolut nachvollziehbar“, sagt Lechner.

Wie groß dieser Druck ist, zeigt eine Umfrage der Beautymarke Dove. Laut deren Global Report wäre jede fünfte Frau bereit, fünf Jahre früher zu sterben, wenn sie stattdessen auf einen Schlag dem Schönheitsideal entspräche.

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Vielleicht gehört es aber auch zum Problem, dass Body Positivity als Bewegung eben doch auch das Gewicht und den BMI als Kriterium für das Aussehen in den Mittelpunkt gestellt hat. Warum fragen wir nicht stattdessen nach gesunden Körpern? Mager sieht nicht schön aus, aber untrainiert eben auch nicht, wenn man mit sich selbst mal ehrlich ist. Training schafft Taille, und die wird in der Regel als schön angesehen ganz unabhängig vom Gewicht. Und das gilt dann übrigens für Männer und Frauen.

    Sprechen wir einfach nicht mehr von Gewicht. Sprechen wir von Form. Und genießen wir doch einfach mal das wunderbare Gefühl, wenn man selbst gut in Form ist, egal, was andere dann denken.

  • das gros an mode ist, genau so wie viele andere dinge leider auch, von eher kapitalistischen interessen und oberflächlicher mainstream kultur angetrieben.



    So verwundert es nicht, das man dort resistenter ist gegen bodenständigkeit und normativität. geschweige denn, das man die schönsten und praktischsten dinge präsentiert.

    Bestes beispiel:



    Die Autoindustrie



    Total unpraktisch und das Design ... zum erbrechen.



    Aber größer, schneller, teurer ...

    ergo



    der total normale wahnsinn



    ist übrigens ein sehr guter kolumnentitel ;)

    Das mit der schönheit ist schon etwas komplizierter. gerade eben wenn die möglichkeiten zunehmen, ist das thema nicht so einfach abzutun und besteht schon weit länger als die massenmedien.



    Ästhetik und Körpereigenschaften sind auch nicht von den menschen erfunden. Es ist sehr wichtig, auch im tierreich.



    Genau so wenig, wie die tatsache, das dicksein eher ungesund ist. Ist leider so und zeigt auch, wie oberflächlich und unpersönlich die ganze mainstream kultur und erziehung ist.

    Die integration der norm und vielfalt in die business- oder gar in die politische, ja ganze soziale kultur, bleibt jedoch die beste bekämpfung des normalen wahnsinns ;)

  • Es kommt diejenige aufs Cover / in die Anzeige von der sich das Unternehmen erhofft, mehr zu verkaufen. Es mag sein, dass es ein paar Jahre lang funktioniert hat, nicht Size-Zero-Modells zu nehmen. Wenn dies jetzt nicht mehr der Fall ist, mag man das Bedauern. Aber es sind wir, die die Sachen kaufen, die diese Frage mit unserem Geld entscheiden.

    Ich habe vor ca. 15 Jahren mal ein Interview mit dem Chefredaktuer (?) der Runner´s World gelesen und es ging auf die Frage, warum so selten Männer auf dem Cover sind. Die Antwort war, wenn ein Mann drauf ist, verkauft sich das Heft zu ca. 20% weniger. Irgendwie absurd, dass ein Cover bei einer "Spezialzeitschrift" über das Laufen so entscheidend ist.

    Aber bei einem Impulskauf während man auf den Zug wartet, entscheidet man zwischen den Konkurrenzprodukten dann vielleicht doch einfach nach dem Äußeren - und nicht nach dem Inhaltsverzeichnis.

    • @Strolch:

      Das ist doch nicht nur bei Impulskäufen so. Wenn der Ersteindruck (Haptik, Cover, egal was) von Produkt x nicht gefällt ist man, je nach Charakter, teils deutlich kritischer und die Wahrscheinlichkeit, dass es gekauft wird, sinkt.



      Wer von sich behauptet vorurteilsfrei zu sein belügt sich meiner Meinung nach selbst. Niemand ist vorurteilsfrei.



      Es gibt nur 3 Gruppen: Menschen die sich darüber bewusst sind das sie Vorurteile haben/anwenden und Menschen die sich darüber nicht bewusst sind das sie sie haben/anwenden.



      Die die sich darüber bewusst sind kann man dann nochmal aufsplitten in diejenigen, die versuchen bestmöglich vorurteilsfrei zu handeln und diejenigen, die sich zwar darüber (zumindest manchmal) bewusst sind, denen es aber grundsätzlich (oder zumindest hauptsächlich) egal ist - und das dürfte die große Mehrheit sein, siehe Werbekampagnen, Fixierung unserer Gesellschaft an Idealen, die Lust Trends zu folgen, etc...



      Der Mensch ist eben ein Herdentier - wir wollen zwar individuell sein, aber (bis auf wenige hardcore Individualisten) der Masse gefallen.

  • Ozempic sorgt auch dafür das das Bindegewebe nachlässt. Macht dünn und alt. Erst kassiert die Pharmaindustrie, danach die Schönheitschirurgen die das ganze schlaffe Zeug wieder straffen. Ist doch Krank.

  • Der Begriff der body positivity ist out weil er vereinnahmt und ad absurdum geführt wurde von Übergewichtigen.



    Ursprünglich ging es bei body positivity um 'liebe dich selbst', also um die Ästhetik. Es gibt nicht ein Schönheitsideal. DAS war die Grundidee.



    Das hielt aber nicht lange und plötzlich war body positivity ausgedehnt auf Körperfülle. Die Industrie nahm das dankend auf, schließlich wächst die Zahl der Übergewichtigen rasant - ergo ist das ein riesiger Kundenstamm. Dementsprechend wurden Werbespots und ganze kampagnen angelegt...



    Tatsächlich ist das aber nichts anderes als die Verklärung eines Krankheitsbildes mit teils schwerwiegenden Langzeitfolgen. Übergewicht ist genau so ungesund wie Rauchen, Trinken, etc...



    Dass sich Übergewicht und Adipositas unter dem Deckmantel der body positivity Bewegung verstecken durften war ein Fehler von Anfang an und hat die ansonsten wirklich wichtige Message um ihre Aufmerksamkeit gebracht.



    Schade.

    • @Farang:

      Ich stimme Dir auf ganzer Linie zu.

    • @Farang:

      Das sehe ich genauso.

    • @Farang:

      Ich könnte natürlich Ihren ganzen Kommentar bulldozern mit den stets falschen Korrelaten von mehrgewichtig = krank.



      Krank ist die Diät-Industrie (Zeitschriften, Social Media, Pülverchen, Pillen) etc. pp.



      Nehmen Sie doch bitte einmal zu Kenntnis, dass solche Pauschalbehauptungen nicht zielführend sind. Mehrgewicht kann und hat sehr komplexe Ursachen.



      Es ist jedoch gesellschaftlich nicht akzeptabel, dass mehrgewichtige Menschen Diskriminierung bei Job-/Wohnungssuche erleben und ihnen pauschal Eigenschaften zugeschrieben werden auf unterstem Niveau. Sehen Sie sich das Body-Shaming von Ricarda Lang an. Wollen Sie tatsächlich in einer solchen Gesellschaft leben, die in öffentlichen Foren nur ihre niederen Instinkte auslebt oder sollte man sich dem gesellschaftlich entgegenstellen? Ich meine, ja. Jeder Mensch kann "schön" sein. Es liegt bekanntermaßen im Auge des Betrachters.



      Gegen die Auswüchse bedarf es scharfer, juristischer Werkzeuge und mehr Aufmerksamkeit, wenn Rote Linien des Anstands überschritten werden.

  • Die Zeiten, in denen die Modebranche noch irgendwelche Trend vorgegeben hat, sind doch unlängts vorbei. Relevant sind Social Media (insbesondere TikTok, Insta, OnlyFans und Cams).

    Die Modebrachne folgt doch leidglich den dortigen Trends.

    • @DiMa:

      Das ist eine richtig Beobachtung. Und in den sozialen Medien ist und war dünn sein niemals out.

  • "Wie groß dieser Druck ist, zeigt eine Umfrage der Beautymarke Dove. Laut deren Global Report wäre jede fünfte Frau bereit, fünf Jahre früher zu sterben, wenn sie stattdessen auf einen Schlag dem Schönheitsideal entspräche."



    Vielleicht sollte man einfach akzeptieren, dass 20 Prozent der Leute oberflächlich und dumm sind.

    • @Altunddesillusioniert:

      Man kann es auch so sehen: lieber z.B. 35 Jahre in einem Körper den man liebt und der geliebt wird als 40 Jahre das Gegenteil davon ;-)

    • @Altunddesillusioniert:

      Naja, die letzten 5 Jahre sind halt eh selten die besten.

  • schöne neue, alte Welt - einfach nur gruselig

  • ...vom Winde verweht...